Die Woche war anstrengend genug für mich gewesen. Erst musste ich einigen Menschen in der Uni, gewisse Dinge klar machen und ihnen ihre Dummheit vor Augen führen bei bestimmten Themen. Und jetzt tauchte auch noch dieser Dreckskerl beim Ryokan auf. Eigentlich hatte ich den Mädels versprochen mich zu beherrschen wenn er hier aufschlagen würde, doch es gibt nun mal Momente, wo es gar nicht anders geht, als seinen Frust einfach mal rauszulassen.
Und da stand ich also, draußen am Eingang. Die Fäuste geballt, mein Blut kochte, doch meine Mutter wusste schon, dass es gar nicht anders hätte ablaufen können.
„Bist du dir wirklich sicher, dass das so eine gute Idee war?“, flüsterte Hikari Mutter zu.
„Ach bitte, was soll denn schon passieren?“, winkte Mutter ab,“Er wird ihn sicher nur kurz anbrüllen. Er muss sicher nur etwas Dampf ablassen.“
„Jetzt komm endlich her Rayo!“, rief Kitsune,“Oder müssen wir dich holen kommen?!“
„Nicht nötig!“, rief ich.
Ich schnaufte kurz und rannte los.
Naru und die anderen zuckten erst zusammen, als ich keine Anstalten machte langsamer zu laufen und stattdessen immer schneller wurde. Die Zähne gefletscht und einen mörderischen Blick aufgesetzt.
Tomoe stand oben am Fenster und seufzte schwer.
„Ich hatte Shiori ja gewarnt, aber sie wollte ja nicht hören. Hoffentlich belässt Rayo es dann dabei und geht nicht noch weiter.“
Und als sie alle noch aus dem Weg sprangen, musste Mutter nur müde Lächeln.
„Ich könnte nicht stolzer auf ihn sein.“
„Du hast wirklich einen ganz kranken Humor, Shiori!“, rief Hikari und hielt sich die Augen zu.
Man hörte schließlich nur noch ein dumpfes Keuchen und einen erstickten Laut, bis dieser Kerl dann schwer atmend, sich den Bauch haltend, am Boden lag.
„Aber Rayo warum.......!“, rief Naru entsetzt.
Während die anderen genauso fassungslos mit offenen Mündern auf diese Szene starrten, spuckte ich nur aus und ging wieder rein. Mutter hockte sich hin und flüsterte ihrer Begleitung etwas zu.
„Das geschieht dir recht, Senichi!“, höhnte sie und lachte ihn auch noch aus.
Einige Wochen zuvor.......
Freitag, 2. April, Beginn der Uni. Uhrzeit: 6:50 Uhr.
Ein Tag, der für mich als Albtraum gebrandmarkt wurde und das als ich gerade mal auf den Korridor ging, um die Toilette aufzusuchen. Es dauerte keine 2 Minuten nachdem ich besagtes stilles Örtchen wieder verließ und von einer Meute, beinahe zertrampelt zu werden. Alle waren in heller Aufregung, rempelten sich gegenseitig an, krachten ineinander und keiner schien mich zu beachten. Naru, Shinobu, Keitaro und Kitsune, waren die ersten die wild hin und her liefen und jeder war auf der Suche nach etwas.
„Meine Brille, meine Brille! Hat jemand meine Brille gesehen?!“, rief Keitaro und trat mir auf den Fuß.
„Hey! Jetzt pass doch mal auf! Außerdem hast du deine Brille.......“
„Oh entschuldige Rayo, aber ich hab jetzt keine Zeit! Wir müssen uns beeilen!“
Er stürmte wieder nach unten und offenbar war ich der erste der anmerken wollte, das der Dummkopf seine Brille auf seinen Kopf trug.
„Was ist denn überhaupt los mit euch!“, doch sie hörten mir nicht zu, “Hallo?! Ich rede mit euch! Naru!“
Selbige raste daraufhin wie ein Rhinozeros auf mich zu, aber noch mal lies ich mich nicht einfach so ignorieren.
„Stopp! Was ist eigentlich los! Warum so in Aufruhr?!“
„Weil wir in weniger als einer Stunde bei der Uni sein müssen, du Holzkopf!“, sie wollte wieder davon rennen, stoppte aber noch mal kurz und blitzte mich an, “Sag mal, hältst du das für einen Witz?!“
„Hm? Was meinst du?“
„Na du bist nicht angezogen!“
„Aber es ist doch noch eine Stunde Zeit.“
„Das glaub ich einfach nicht. Für dich ist das ja wirklich nur ein Witz!“
„Rede ich hier gegen eine Wand?! Es ist noch Zeit.......“
„Unsinn! Geh dich waschen, zieh dich an und zwar ein bisschen plötzlich! Sonst kommst du gleich am ersten Tag schon zu spät!“
„Tse, träum ruhig weiter. Ich leg mich jetzt noch......“
„Oh nein, du kommst jetzt mit!“
Ich hatte gar keine Ahnung, mit wem ich mich so eben angelegt hatte. Es reichte ein simpler Handgriff von Naru um mich mühelos hinter sich her zu schleifen. Zu meinem Pech, wartete Tomoe schon vor dem Bad und riss die Türe auf.
„Beeilung, Beeilung, Beeilung!“, rief sie und zerrte mich hinein.
„Jetzt mach aber mal halblang!“, fluchte ich und fand mich wenige Sekunden später in der Wanne wieder.
„Klappe halten! Jetzt wirst du abgeschrubbt!“
Der Rest ging in meinen verzweifelten Schreien unter. Als ich danach wund gescheuert und leicht traumatisiert in mein Zimmer geschleift wurde, trieb man mich zum anziehen an.
„Kommt schon, das kann ich auch noch selber machen!“, fluchte ich.
„Wenn du dich nicht so anstellen würdest, wären wir schon längst fertig.“, sagte Kanako,“Also lass dir gefälligst helfen du sturer Bock!“
Ich seufzte und lies die Kritik der Mädels über mich ergehen, da ich niemanden verärgern wollte. Sicher würden sie mir noch meine Mutter auf den Hals hetzen, wenn ich nicht klein bei gab. Und sicher, würde mir selbige das gleiche sagen, wie die anderen.
„Kann ich nicht einfach den Kimono meines Klans tragen? Oder zumindest etwas, das bequemer ist?“, fragte ich verzweifelt.
„Ich glaube, das dürfte in Ordnung gehen, findet ihr nicht?“, merkte Kitsune an.
Eine Zeitlang wirkte es so, als könnte es sich zum guten wenden, bis wir zu einem ganz bestimmten Punkt kamen.
„Aber den Strohhut meines Klans darf ich doch wohl anziehen oder?“
„Nein.“, sagte Tomoe Kopf schüttelnd.
„Was?! Aber..........wieso denn nicht?!“, fluchte ich.
„Weil du kein Samurai aus dem 16. Jahrhundert bist! Und sicher willst du nicht, das man dich für den Strohhut auslacht!“
Ich zuckte die Schultern und befummelte meinen Strohhut.
„Mir wäre das egal.“, murmelte ich.
„Du wirst den Hut nicht aufsetzen.“, sagte Tomoe entschieden.
Ich stöhnte genervt auf und legte ihn weg.
„Dann halt nicht. Aber wehe es gibt in der Uni nichts zu essen!“
„Mach dir darum mal keine Sorgen du Gierschlund.“, lachte Kitsune.
„Du musst später nur daran denken, genügend Geld für die Mensa mitzunehmen.“, erwiderte Kanako.
Ich neigte verwirrt den Kopf zur Seite und blickte fragend zu Tomoe, die nur bestätigend nickte.
„Aber wieso sollte ich denn Geld mitnehmen? Kann ich mir nicht einfach so was zu essen holen?“
„Nein, dafür sollst du dir ja Geld mitnehmen.“, erklärte Tomoe abermals, “Es läuft nicht alles so ab wie bei deiner Verabredung mit Isshina!“
„Dann wird mich also keiner zum Essen einladen und mich mittendrin einfach sitzen lassen?“
„Nein verdammt!“, zischte Tomoe,“Sag mal was ist denn wieder mit dir los? Denkst du überhaupt noch nach, du Holzkopf?“
„Jetzt schrei doch nicht gleich so rum. Hätte doch sein können, dass es so kommt.“, maulte ich.
„Man wird dich aber nicht von vorne bis hinten bedienen so wie Isshina das gemacht hat, kapiert?!“, schrie Tomoe mich jetzt mit roten Kopf an.
Während Tomoe und ich wieder einmal eine unserer kleinen Eskapaden durchlebten, setzten sich Kanako, Muzumi und Kitsune zusammen und betrachteten das Schauspiel mit Neugier.
„Mittlerweile macht es viel mehr Spaß den beiden dabei zu zusehen, wie sie sich gegenseitig auf die Palme bringen. Anstatt das wir Rayo die ganze Zeit ärgern.“, sagte Kitsune belustigt.
„Stellt sich nur die Frage, ob Rayo das jetzt mit Absicht macht oder ob er wirklich so naiv ist.“, merkte Kanako an.
„Ich glaube, es ist ein wenig von beiden, findet ihr nicht auch?“, warf Muzumi ein.
„Egal. Bringen wir die beiden lieber mal wieder auf den Boden zurück, sonst kommen wir wirklich alle noch zu spät.“, sagte Kitsune schließlich, “Jetzt kommt mal wieder runter. Wir haben nicht mehr viel Zeit!“
Ich und Tomoe nickten und stießen dann nach unten zu den anderen.
„Also darf ich jetzt meinen Strohhut mitnehmen oder nicht?“
„Nein!“, riefen sie gleichzeitig.
Als wir dann endlich auf dem großen Vorplatz standen, wurde ich nervös und blieb dicht bei den anderen.
„Was ist denn jetzt wieder?“, fragte Tomoe.
„Zu viele Menschen.“, flüsterte ich.
„Jetzt sag mir nicht, dass du so enden wirst wie Yu!“, stöhnte Tomoe auf, “Bei ihr war das schon nicht einfach, sie unter Leute zu bringen ohne das ich dabei sein musste.“
„Wisst ihr was, wir gehen schon mal vor.“, schlug Naru vor, “Kommt nach wenn er sich beruhigt hat!“
Als sie verschwunden waren seufzte ich schwer und sah mich um.
„Das kann ja was werden.“
„Allerdings. Sag mal, warst du als Kind je in der Schule?“, fragte meine Mitbewohnerin.
„Nicht das ich wüsste.“, gestand ich ihr, “Falls doch, hab ich mich erfolgreich davor gedrückt. Ähnlich wie bei Kaede, hat man auch mir kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Aber die wollte ich auch gar nicht.“
„Du weist aber, das du dich jetzt hiervor nicht drücken kannst, oder?“
„Ja doch. Aber eine Sache beunruhigt mich dennoch.“
„Und was?“
„Ja, sieh dich doch um! Im Ryokan ist es noch einfach meine Hörner zu verstecken!“, zischte ich, “Hier sind es mehrere hundert Menschen bei denen wir nicht auffallen dürfen! Das ist'n Riesenunterschied!“
„Das wir schon klappen.“, versuchte sie mich zu beruhigen, “Ich will dich ja nicht wie ein kleines Kind behandeln aber, bleib immer in meiner Nähe..... außer natürlich wenn ichs aufs Klo muss!“
„Warum sollte ich dir denn aufs Klo folgen? Das ginge doch nun wirklich zu weit!“
„Na da bin ich aber froh, dass du das wenigstens mal raffst!“, nörgelte sie, “Und noch was: Sollten mich Heitani oder Shirai ansprechen, oder sogar Kentaro, dann halte dich zurück!“
„Die beiden Waschlappen halten sich doch eh von uns fern.“
„Ach ja, weil du Dummkopf sie verprügeln musstest!“
„Also verprügeln ist so ein hartes Wort.“, druckste ich herum, “Ich hab sie lediglich mit einem kurzen Schlag ausgeknockt!“
Sie seufzte und blickte auf die Uhr.
„Na schön, von mir aus. Aber jetzt los, sonst können wir uns gleich einsargen lassen!“