Talib
Ich schließe die Augen und genieße Nayaras fröhliches Lachen, das von den dicken Felsen widerhallt.
Dieses Date war die beste Idee, die ich jemals hatte. Na ja...und Leana.
Sie ist zwar immer noch zurückhaltend, aber ich kann fühlen, dass wir uns schon ein ganzes Stückchen näher gekommen sind. Jedes Mal, wenn wir uns berühren, liegt ein aufregendes Knistern in der Luft. Obwohl das Wetter eisig ist, schenkt mir ihr Lächeln Wärme. Doch jetzt, wo sie so dicht neben mir sitzt, den Kopf in den Nacken legt und konzentriert die Augen geschlossen hält, da möchte ich den Moment einfach nur auskosten. Ich möchte mich zu ihr herüber lehnen und ihre Lippen schmecken. Ihren zierlichen, wunderschönen Körper in meinen Armen halten und sie nie wieder gehen lassen.
Gott, als ich sie in diesem engen, viel zu knappen Kleid bei Tarun gesehen habe, da ist es fast mit mir durchgegangen.
Stattdessen verbanne ich diese Gedanken aus meinem Kopf und sage lachend: „Da! Hast du sie gehört?“
Nayara öffnet die Lider und schaut mich aus ihren großen, grauen Augen an. „Du veräppelst mich doch nur.“ Sie schlägt nach meinem Arm, doch ich fange ihre Hand auf und halte sie fest. Wieder muss ich dieses Verlangen unterdrücken, mich einfach auf sie zu stürzen.
Gib ihr Zeit!, ermahne ich mich selbst und konzentriere mich auf meine Atmung.
Der Wipfel einer Tanne schlägt unruhig hin und her, als sich ein paar Vögel von ihr erheben, um davon zu fliegen. Ich löse meine Finger von ihren, um auf die schwarz-weiß gefiederten Papagaientaucher zu zeigen, ihre Schnäbel leuchten selbst aus dieser Entfernung in einem knalligen Orange. „Da!“
Für einen Moment scheine ich Enttäuschung in ihren silbergrauen Augen zu entdecken, ehe sie zum Himmel aufschaut. Ein tiefes, raues Geschrei dringt von den Vögeln gedämpft zu uns hinunter. „Orrrrrr.“
Nayara prustet los und ich steige in ihr Gelächter ein. „Ich hab es dir doch gesagt“, keuche ich und ringe nach Atem. Sie streicht sich eine Lachträne aus den Augenwinkeln. „Du hattest Recht, sie klingen wirklich urkomisch.“
Ich versuche mich daran, den tiefen Laut nachzumachen, der gar nicht nach einem Vogel klingt.„Orrrrrrrrrr.“
Sie lacht erneut und lässt mein Herz dadurch schneller schlagen. Dann streckt sie die Arme von sich und bewegt sie, als wären es Flügel. „Orrrrr“, macht sie und ihre Stimme klingt dabei ganz sanft, fast schon zerbrechlich.
Ich beiße mir auf die Unterlippe und zwinge mich dazu aufzustehen, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Ich atme tief ein und spüre wie mir die eisige Luft bis ins Mark dringt und jeden noch so schmutzigen Gedanken aus meinem Kopf bläst. „Wir sollten gehen, es ist schon spät.“
Nayaras Blick heftet sich an den goldgelben Ball, der nur noch halb hinter den riesigen Gebirgen am dunkelblauen Himmel hängt. Die dichten Wolken sind verschwunden und geben den Blick auf die vielen Blautöne frei, die sich am Himmelszelt ineinander verlieren. „Stimmt“, bemerkt sie knapp und dieses Mal kann ich die Enttäuschung ganz deutlich in ihrem Blick erkennen. Ich helfe ihr auf die Füße und halte sie fest, zwinge sie, mich anzusehen.
„Ich würde das gerne wiederholen“, gestehe ich. „Am liebsten täglich.“
„Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, jeden Tag auf diesen Berg zu steigen.“
Ich schüttele heftig mit dem Kopf, muss ein Lachen unterdrücken. „Das meine ich nicht.“
„Was dann?“
Ich löse eine Hand von ihr und zeige mit dem Finger zwischen uns hin und her. „Das hier.“
Sie legt den Kopf schief und leckt sich nachdenklich über die Lippe. Ich bin mir nicht sicher, ob sie versteht, was ich meine.
„Nayara, ich fand den Tag bisher wirklich umwerfend und ich hoffe, dass du das auch so siehst. Ich würde einfach gerne mehr Zeit mit dir verbringen.“
Ihre Mundwinkel zucken nach oben und versetzen meinem Herzen einen Schlag, der es aufgeregt in meinem Brustkorb auf und ab hüpfen lässt.
„Das klingt schön“, befindet sie dann. „Außerdem ist es hilfreich, um unserem Ziel etwas näher zu kommen.“
Ich ignoriere ihre letzte Aussage, die jeden Hauch von Zweisamkeit und Romantik verpuffen lässt.
„Mhm, sehe ich auch so.“
Ich sammle die Dosen und die leeren Tassen auf und stopfe sie achtlos in meinen Rucksack, dann schüttel ich die Decke etwas auf, damit sich der Schmutz von ihr löst. Vorsichtig schlage ich sie in der Hälfte zusammen und lege sie dann um Nayaras Schultern. Unsere Gesichter sind uns nun so nah, dass ich die Hitze auf ihren geröteten Wangen förmlich spüren kann.
Sie schenkt mir ein Lächeln und schlingt sich enger in den roten Stoff. „Danke.“
Dann machen wir uns auf den Weg zurück. Der Abstieg erfolgt etwas schneller, was nicht nur am abfallenden Gebirge liegt, sondern auch an der Tatsache, dass wir noch vor dem Eintreffen der Dunkelheit aus den Tiefen des Waldes verschwunden sein wollen. In unserer momentanen Form können wir uns eher schlecht als recht gegen Bären oder Elche wehren. Oder andere Wölfe.
So sehr es mir auch daran liegt, sie schnell und sicher zu Tarun zu bringen, möchte ich gerne die Zeit verlangsamen. Noch ein bisschen länger bei ihr sein und mit ihr reden. Egal worüber. Sie einfach nur ansehen und flüchtig berühren. So wie wir es auf dem gesamten Heimweg tun. Nichts Spannendes passiert, aber es fühlt sich aufregend an. Mein Herz rast unentwegt.
„Kommst du noch mit rein?“ Nayara klopft gegen die weiße Tür zu Taruns Wohnung. Ich weiß, dass es keine Frage danach war, ob wir noch etwas ungestört sein wollen, doch es fühlt sich so an. Ich nicke und ermahne mich selbst immer wieder für meine Gedanken.
Diese Frau bringt mich einfach um den Verstand! Ich habe schon viele menschliche Frauen gesehen und unanständige Dinge mit ihnen getan, aber bei Gott, keine könnte es mit ihr aufnehmen.
„Ich möchte noch sehen, wie es meinem kleinen Bruder geht.“
Genau in diesem Moment öffnet Tarun die Tür schwungvoll nach innen. „Da bist du ja, Baby.“
Als er uns erkennt, zucken seine Mundwinkel nach unten. „Oh.“
Ich weiß, ich habe nicht das Recht, etwas zu sagen, aber immerhin habe ich nur mit Frauen Sex gehabt, weil es einen Grund dazu gab. Ich hatte angenommen, dass sie den Fluch aufheben könnten, der auf uns lastet. Doch mein idiotischer Bruder vögelt einfach nur herum, wie es ihm gerade passt.
„Hör mal“, setze ich meine Predigt an, doch er hebt abwehrend die Hände. „Spar's dir.“
Tarun schnappt Nayaras Hand und zieht sie an mir vorbei in die Wohnung, es passiert so schnell, dass weder ich noch sie darauf reagieren können. Dann knallt die Tür vor meiner Nase ins Schloss.
Ich hämmere dagegen. „Hey!“ Doch sie öffnet sich nicht.
„Bis morgen“, höre ich Nayaras gedämpften Ruf, ehe es ganz still wird.
Na toll.
In meinem Stolz gekränkt eile ich die Stufen des Treppenhauses nach unten zum Ausgang. Meinen Blick lasse ich noch einmal durch die weißen Gitterstäbe hinauf wandern, zur Tür meines Bruders. Doch sie ist noch immer verschlossen.
Eine großgewachsene Frau mit schlanker Taille und dicken Brüsten, die aus ihrem hautengen Lederkleid zu hüpfen scheinen, kommt mir entgegen. Sie verzieht ihre dunkelrot geschminkten Lippen zu einem schiefen Grinsen als sie mich sieht und zwinkert mir zu. „Hey, Süßer.“
„Hi“, gebe ich vollkommen einfallslos von mir, doch sie stört sich nicht weiter daran. Während ich weiter die Treppe abwärts laufe, schaue ich ihr nach. Dank des offen gehaltenen Treppenhauses, das lediglich durch weiß lackierte Metallstangen umrahmt wird, fällt es mir leicht, selbst aus dem Erdgeschoss einen Blick ins obere Stockwerk zu erhaschen. Sie streicht eine lange, dunkelbraune Locke hinter ihr Ohr und baut sich zu einer sexy Pose vor der Tür auf, durch die mir eben noch der Eintritt verwehrt wurde. Ein kurzes, aber lautes Klopfen.
Wie angewurzelt bleibe ich vor der Eingangstür des Studentenwohnheims stehen und blicke nach oben. Es dauert nur wenige Sekunden, bis der Brünetten jemand öffnet. Es ist mein kleiner Bruder. „Hey Maya.“
Er zieht sie zu einem langen Kuss an sich heran.
***
Am nächsten Tag stehe ich schon früh vor Taruns Wohnungstür und klopfe. Mir ist klar, dass wir keine Zeit verabredet haben und dass Nayara, anders als ich, sicher noch friedlich schlummernd im Bett liegt. Ich war so aufgeregt und nervös, weil ich sie wiedersehen wollte, dass ich kein Auge zubekam.
Das ist doch verrückt, sie ist hübsch und sexy, definitiv. Aber dass sie mich zu einem Nervenbündel mutieren lässt, hätte ich niemals für möglich gehalten.
Die Tür wird geöffnet und dahinter baut sich eine schlanke Frau im Eva-Kostüm auf.
Maya.
Ihr Busen wird von den langen Locken verdeckt, die sogar bis zu ihrer Taille reichen. Ich reiße mich viel zu lange hin, sie zu begutachten, wende dann schnell den Blick von ihr ab.
„Hey, Hübscher.“ Ihre Stimme klingt belegt und rauchig, sie schnalzt mit der Zunge.
„Ist Nayara da?“ Als sich die dunkelhaarige Frau nicht um eine Antwort zu bemühen scheint, hebe ich den Blick und finde mich in ihren braunen Augen wieder. Sie zwinkert mir frech zu und spitzt die Lippen. „Wer?“
Glücklicherweise tritt in dieser Sekunde Nayara vom Wohnzimmer in den Flur, nur mit einem weißen Hemd bekleidet, das gerade so ihren wohlgeformten Hintern verdeckt. Ihre Haare sind etwas zerzsaust, was mich darauf schließen lässt, dass sie eben erst aufgestanden ist.
Anders als Maya wirkt sie wirklich sexy. Das dünne Hemdchen hat einfach seine ganz eigenen Reize. Es gibt gerade genug Haut frei, um meine Blicke auf sich zu ziehen und bedeckt gleichzeitig genügend, um meine Fantasie anzuregen. Ich lecke mir genüsslich über die Lippen und spüre einen Blitz durch meinen Körper hindurchfahren.
Oh Gott, diese Frau bringt mich irgendwann noch um!
Nayara hat mich entdeckt und kommt eilig auf uns zugelaufen, dabei rutscht der Stoff etwas nach oben und entblößt ein rotes Spitzenhöschen.
Die Hitze in meinem Inneren scheint sich zu verdoppeln und ich habe große Mühe, mich zusammen zu reißen.
Sie scheint meinen Blick zu bemerken und schlägt mir wütend die Hand vor das Gesicht, um mir die Sicht zu verdecken, dabei wirft sie Maya fast um. „Einmal ein Perversling, immer ein Perversling!“
Erwischt.
„Maya, Tarun hat dich schon gesucht“, wendet sich Nayara an die andere Frau, verdeckt mit ihren Fingern aber immer noch mein Sichtfeld. Als ich Mayas davoneilende Schritte höre, nehme ich Nayaras Hand von meinen Augen und führe sie langsam zum Mund, um genüsslich darüber zu lecken.
Sie quiekt auf und entzieht sich meinem Griff. „Du solltest der Freundin deines Bruders nicht nachgieren“, belehrt sie mich, während sie sich die Hand am Hemd abwischt.
„Sie ist nicht seine Freundin“, kläre ich sie auf. „Sie ist nur irgendeine Gespielin.“
Warte, deswegen ist sie so sauer? Sie glaubt, dass ich Maya anzügliche Blicke zugeworfen habe?
„Und du bist ein Idiot!“ Ihre grauen Augen funkeln mich zornig an, was mich nur noch mehr erschaudern lässt.
Ich mache einen langen Schritt auf Nayara zu und schließe gleichzeitig die Tür hinter mir, um uns vor den Augen anderer zu schützen. Nayara weicht zurück und taumelt gegen die Wand. Sie versucht mich mit erhobenen Armen von sich fernzuhalten, doch ich verwebe meine Finger mit ihren und drücke mich eng an sie. Ihr Herz hämmert in einem rasend schnellen Rhythmus gegen ihre Brust, es ist zwar leise, doch dank meines Wolfsgehörs, entgeht es mir nicht.
Nayaras Atem dringt stoßweise hervor und legt sich in einem feuchten Hauch auf mein Gesicht. Ich beuge mich zu ihr herunter, sodass sich unsere Nasenspitzen berühren.
„Bist du etwa eifersüchtig?“
In meiner Fantasie gesteht Nayara, dass sie will, dass ich nur sie ansehe und keine Andere. Dann legen sich ihre sinnlichen Lippen auf meine und wir versinken in einen ewig währenden, leidenschaftlichen Kuss. Doch Nayaras errötetes Gesicht und ihr unsicherer Blick sind noch tausendmal besser als meine Traumwelt.
Sie braucht nichts zu sagen, denn ich habe meine Antwort bereits.
„Träum weiter!“, zischt sie, doch ihre lügnerischen Worte erreichen ihren noch immer schüchternen Blick nicht. Quälend langsam schiebe ich mich von ihr, um ihr den gewünschten Freiraum zu überlassen.
„Schade“, hauche ich und zwinkere ihr zu. Sie stemmt die Hände in die Hüften und entblößt erneut ihre Unterwäsche. Ich versuche meinen Blick auf ihre Augen zu richten, um sie nicht noch wütender zu machen.
Wobei es immer wieder Spaß macht und ihre Reaktionen sind einfach zu süß. Aber ich kann meine Fortschritte von gestern nicht einfach so über den Haufen werfen.
„Ich wollte dich eigentlich abholen, aber du scheinst noch nicht fertig zu sein.“
Nayara blickt an sich herunter und augenblicklich schießt ihr Röte in das wunderschöne Gesicht. Sie befiehlt mir, mich umzudrehen und rauscht davon. „Ich warte in der Küche“, rufe ich ihr nach und grinse.
Natürlich nicht ohne einen letzten Blick auf ihren spärlich bekleideten, wohlgeformten Knackarsch zu werfen.
Ich trinke den letzten Schluck meines Kaffees aus, als Nayara den Raum betritt. Sie trägt dieselbe Kleidung wie gestern und beinahe bin ich etwas enttäuscht, dass sie das weiße Hemd gegen das hier getauscht hat. „Wir sollten dir vielleicht ein paar Klamotten kaufen.“ Ich stelle die leere Tasse an die Spüle. Nayara zuckt mit den Schultern. „Es geht schon, ich habe sowieso kein Geld.“
Dessen bin ich mir bewusst.
„Als Wolf hatte anfangs niemand von uns Geld. Aiden und Candra haben einen Job in einem Supermarkt angenommen, dessen leerstehende Wohnung obendrüber sie sich gemietet haben. Felan wohnt auch bei ihnen, allerdings arbeitet er als Barkeeper und nebenbei als Männermodel, wobei ich das absolut nicht nachvollziehen kann“, erkläre ich ihr und sie lacht, als ich die Augen über Felans Modelkarriere verdrehe.
„Dante arbeitet als Sekretär bei einem Anwalt und Leana in einem Pflegeheim für alte Menschen.“
„Das passt zu ihr“, unterbricht mich Nayara und lächelt sanft. „Sie hat ein großes Herz.“
Obwohl Nayara und Leana sich erst seit ein paar Tagen kennen, war es ihr also sofort aufgefallen. Und es stimmt, Leana ist herzensgut und tut immer ihr Bestes für Andere.
„Tarun jobbt an einer Tankstelle, um etwas Geld neben dem Studium reinzubekommen, allerdings unterstütze ich ihn auch finanziell“, kläre ich sie zu Ende auf.
Doch mein Gegenüber zieht nur die Augenbrauen zusammen. „Und womit verdienst du dein Geld?“
„Prostitution“, erwidere ich prompt und tue mich schwer daran, nicht loszuprusten. Nayaras Augen weiten sich geschockt und ihre Kinnlade fällt fast zu Boden.
Jetzt kann ich mich nicht mehr zusammenreißen und lache laut los. Sie haut mir fest gegen den Arm. „Du Arsch!“ Doch dann fällt auch sie in das Gelächter mit ein.
„Die kleine Hütte, in der ich wohne, hat früher einem älteren Mann gehört, der keine Familie hatte“, erkläre ich, als ich wieder normal sprechen kann. „Er hat uns alle aufgenommen und uns wie seine Kinder behandelt, wir waren schließlich noch jung. Als er starb, hatten die Anderen bereits ihr eigenes Leben in dieser Welt aufgebaut, sie hatten Jobs und Wohnungen. Nur ich konnte mich nicht von dem alten Mann trennen, ich hatte ihn irgendwie gern, obwohl ich anfangs ziemlich fies zu ihm war.“ Ich seufze, als sich ein dicker Knoten um mein Herz schlingt. „Ich habe die Menschen wirklich gehasst, verstehst du?“
Nayara nickt. Natürlich tut sie das.
„Somit hat er alles, was er besaß, mir vererbt. Sein Haus, seine Wertsachen und auch all sein Geld. Es stellte sich raus, dass er ziemlich reich war.“
All die anderen Frauen, die hörten, dass ich ein Vermögen besitze, hatten es nicht verheimlicht, wie scharf sie darauf waren. Doch Nayara sieht mich einfach nur an, mit so viel Mitleid im Blick, dass sich mein Herz verkrampft und legt ihre Hände auf meine Wangen. Sie sind angenehm warm.
„Wie alt wart ihr, als ihr zu dem Mann kamt?“ Ihre Stimme ist dünn und so leise, dass ich Probleme habe, sie zu verstehen.
„Ich war zwölf und Talib sechs.“
Sie presst die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Ihre Daumen streichen beruhigend über mein Gesicht. Ein wohliger Schauer überzieht meinen Rücken, ihre Nähe tut mir gut.
„Wie alt bist du jetzt?“ Ihre Worte dringen so vorsichtig aus ihrem Mund als hätte sie Angst, mich damit zu verletzen.
Es fühlt sich zwar immer noch komisch an, darüber zu reden, aber die Vergangenheit lässt sich nun mal nicht ändern. „25.“
Der Blick in ihren silbernen Augen wird traurig und versetzt mir einen Stich ins Herz. „So lange.“
Ich ziehe sie in meine Arme und platziere meinen Kopf auf ihrer schmalen Schulter. Sie weicht nicht zurück, sondern schlingt ihre Arme um meinen Nacken und drückt sich noch enger an mich.
Mir ist klar, dass sie denkt, ich wäre verletzt oder sensibel. Aber ich kann es nur einfach nicht ertragen noch länger in ihre traurigen Augen zu sehen.
***
Auf dem Weg zu meiner Hütte haben wir uns die ganze Zeit unterhalten als würden wir uns ewig kennen. In den wenigen Momenten der Stille haben wir uns angelächelt oder eine knisternde Atmosphäre durch sehnsüchtige Blicke erschaffen. Zugegeben, sie gingen alle von mir aus.
Ich möchte sie immer noch die ganze Zeit berühren, doch auch diese klitzekleinen Augenblicke mit ihr, die so nichtig scheinen, lassen mein Herz schneller schlagen.
Bin ich wirklich dabei mich in sie zu verlieben? So richtig, wahrhaftig?
Ich schließe die Tür auf und lasse Nayara den Vortritt.
„Ich will mich wirklich nicht beschweren, aber so langsam halte ich diesen ganzen Damenbesuch nicht mehr aus“, beendet sie ihren Monolog darüber, wie schrecklich idiotisch sich mein Bruder und dessen Mitbewohner aufführen.
„Du hast also nicht schlafen können, weil sie so...laut waren?“
Nayara nickt und ein rosiger Hauch legt sich über ihre Wangen. „Versteh mich bitte nicht falsch, ich bin echt dankbar für...“
Ich lege meinen Finger auf ihre Lippen und sie schaut mich erschrocken an. „Ich kann dich verstehen, kein Grund sich zu entschuldigen.“
Ihre geröteten Wangen in Verbindung mit den Bildern, die sich plötzlich in meinen Kopf gedrängt haben, Dinge, die ich gerne mit ihr anstellen würde, haben mich meine Zurückhaltung kurz vergessen lassen.
Ich drehe sie mit dem Rücken zu mir, um ihr aus dem Mantel zu helfen.Ihre Haut riecht nach dem herben Duft eines Männerduschgels, mit einer Mischung aus ihrer eigenen, süßen Note. Ich sauge ihren Duft tief ein und schließe die Augen. „Du kannst auch einfach wieder zu mir kommen“, flüstere ich ihr in die Halsbeuge. Es raubt mir fast meine komplette Willenskraft nicht mit der Zunge über ihre Haut zu fahren und ihren Hals zu liebkosen.
Sie dreht sich meiner Meinung nach viel zu schnell um, schaut mir in die Augen. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“
Sie beißt sich auf die Unterlippe als wäre sie die Schuldige.
Ich lege den Kopf schief und schenke ihr ein amüsiertes Lächeln.
Wer kann es ihr verübeln? Ich traue mir ja nicht einmal selbst, wenn sie in meiner Nähe ist.
„Schon gut, lass dir Zeit.“
Sie verzieht die Lippen zu dem kläglichen Versuch eines Lächelns. „Danke“, meint sie dann und wendet sich von mir ab. „Was hast du denn für heute geplant?“
„Ich dachte mir, ich könnte dir beibringen wie man kocht und wir machen es uns etwas gemütlich.“
Sie schaut mich belustigt an. „Du kannst kochen?“
„Klar.“ Ich verziehe meine Lippen zu einem Schmollmund. „Zweifelst du etwa an meinen Fähigkeiten?“
„Irgendwie schon“, gesteht sie grinsend. Ich reiße gespielt schockiert die Augen auf. „Dann lass mich dir das Gegenteil beweisen.“
Nayara folgt mir in die Küche und streift die Ärmel ihres grünen Pullovers nach oben. „Na gut, was kann ich machen?“
Ich erkläre ihr kurz, wo sie das Geschirr findet. Während sie einen Topf mit Salzwasser auf die Herdplatte setzt, werfe ich ihr eine Tüte Makkaroni zu, die sie mit Leichtigkeit fängt. Beeindruckt spende ich ihr Applaus und sie verbeugt sich. „Danke, danke.“
Es fühlt sich unheimlich gut an, so ausgelassen mit ihr zu sein.
„Was genau kochen wir eigentlich?“
Ich suche nach dem Päckchen Käse in meinem Kühlschrank und werfe Nayara einen kurzen Blick über die Schulter zu. Triumphierend halte ich die Packung in die Höhe, als ich sie gefunden habe.
„Meine absolute Leibspeise.“ Ich zerre eine Auflaufform aus dem Regal und heize den Ofen vor. „Käsemakkaroni mit zerbröseltem Speck.“
Nayara kichert. „Das nennst du kochen? Da betreibt ja selbst Kenneth mehr Aufwand.“
Ich trete auf sie zu und ziehe sie nah an mich heran. „Mhm, willst du durchgekitzelt werden?“
„Bitte nicht!“ Sie hebt abwehrend die Hände. Ich genieße noch etwas länger das angenehm warme und kribbelige Gefühl, wenn sie in meinen Armen liegt.
„Eigentlich wärme ich mir sonst nur eine Pizza auf“, gestehe ich und Nayara beginnt erneut zu lachen. „Immer noch besser als ich“, befindet sie dann. „Ohne deine Hilfe könnte ich vermutlich nicht einmal diese Nudeln kochen.“
„Das sind keine Nudeln!“, sage ich gespielt empört. „Das sind Makkaroni.“ Ich stehle mir das Päckchen aus Nayaras Händen und halte sie in die Höhe als wären sie ein kostbarer Schatz.
„Dann schmeiß sie mal ins Wasser“, kichert sie, als eben dieses hinter ihr zu blubbern beginnt. Ich reiße die Verpackung auf und lasse sie vorsichtig hineinrieseln.
In einer Pfanne lasse ich nebenher den Speck aus, dessen Geruch mir sofort das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Auch Nayara sieht auf einmal ziemlich hungrig aus.
Sie stemmt sich auf die Arbeitsplatte neben dem Herd und schaut mir beim Anbraten zu.
Ihre langen, weißen Haare fallen vor und verdecken ihr hübsches Gesicht.
„Hey Talib?“ Sie spielt mit ihren Fingern, „Kann ich dich etwas fragen?“
Alles. Alles was du wissen willst, meine Hübsche.
„Klar. Was ist los?“
„Lach aber nicht.“
„Jetzt sag schon“, dränge ich sie etwas, halte die Spannung einfach nicht aus.
„Versprich, dass du nicht lachst!“
„Okay.“ Ich hebe ergeben die Hände, ziehe dann die Pfanne vom Herd, damit das Essen nicht anbrennt. „Ich verspreche es.“
Nayara atmet tief ein und bläst die Luft geräuschvoll wieder aus. „Was ist eigentlich ein Selfie?“
Wie bitte?
„Was?“
„Ich habe da etwas von einem Selfie gelesen, aber ich weiß nicht, was das ist“, gesteht sie dann. Sie wirkt so nervös.
Jetzt muss ich doch lachen. „Du Idiot! Du hast versprochen nicht zu lachen.“
Wie ein trotziges Kleinkind schiebt sie die Unterlippe nach vorn und schenkt mir einen beleidigten Blick. „Ich hätte dich gar nicht erst fragen sollen.“
„Tut mir leid.“ Ich versuche mein Kichern einzustellen und sehe sie ernst an. „Aber du hättest mal deinen Gesichtsausdruck sehen sollen, einfach zu süß.“
Ihre Augenbrauen schießen nach oben und sie verschränkt die Arme vor der Brust. „Sagst du es mir nun oder nicht?“
Ich lecke mit der Zunge über meine Lippen und laufe langsam auf Nayara zu. Ihr Blick klebt an mir, sie lässt mich keine Sekunde aus den Augen.
„Ich würde es dir lieber zeigen“, raune ich ihr ins Ohr und beiße zärtlich in ihr Ohrläppchen. Sie quiekt und schubst mich von sich. Ihr Gesicht ist gerötet und ihre Augen sprühen Funken.
Schüchtern reibt sie sich über die Stelle, an der sie meine Zähne berührt haben.
Ich liebe ihre süßen, unschuldigen Reaktionen, wenn wir uns nahe sind. Genauso wie den Ausdruck in ihren Augen, wenn sie wütend wird. Ich kann einfach nicht anders als sie aufzuziehen.
„Lieber nicht“, presst sie mit dünner Stimme hervor. Doch ich greife nach ihrer Hand, ziehe sie von der Küchenzeile und umarme sie von hinten.
Sie legt ihre Arme um meinen, der sich um ihre Taille schlingt und versucht sich aus meinem Griff zu befreien, während ich mein Handy aus der Hosentasche ziehe.
„Schließ die Augen“, befehle ich ihr und verstärke meine Umklammerung, drücke sie noch enger an mich. Ich kann ihren Herzschlag fühlen, der noch schneller geht als meiner, was ich nie für möglich gehalten hätte. Ihr ganzer Körper scheint in Flammen zu stehen - oder bin ich das?
Nayara hält den Atem an. „Mach schon“, dränge ich sie.
Zuerst erwarte ich weiteren Widerstand von ihr, doch sie schließt die Lider und presst sie fest zusammen.
„Bleib so“, raune ich, bin selbst verwundert über die Tiefe meiner Stimme. Ich muss mich wirklich zusammenreißen und tippe abwesend auf meinem Handy herum. Als ich die Kameraoption gefunden habe, halte ich das Telefon in die Höhe.
„Jetzt öffne sie“, flüstere ich und verziehe meine Lippen zu einem Grinsen. Ein heller Blitzt dringt aus dem Handy, während ich das Bild von uns schieße. Nayara erschrickt und versinkt fast vollkommen in meiner Brust. Ich halte sie fest und zeige ihr das Foto.
Ich sehe aus wie immer, mit einem frechen Grinsen auf den Lippen. Aber Nayaras Wangen glühen in einem hellen Rot, ihre Augen sind weit aufgerissen wie die eines Rehkitz. Ihre Miene ist so herrlich naiv, dass ich nicht anders kann als es zu meinem Handyhintergrund zu machen.
„Was sollte das?“, zischt sie und versetzt mir einen Stoß zwischen die Rippen. Die Luft entweicht meinen Lungen und ich keuche.
Das habe ich wohl verdient.
„Du wolltest doch wissen, was ein Selfie ist“, entgegne ich gelassen, nachdem der Schmerz nachgelassen hat. „Es ist ein Foto, das man von sich selbst schießt. Ist ganz schön beliebt unter den Menschen, obwohl ich nicht genau verstehe wieso.“
„Wenn man es von sich selbst schießt, hätte ich dich gar nicht gebraucht“, kontert sie und ich entdecke die Wölfin in ihr.
Oh wow, aua.
„Nur mit mir drauf, wird es auch ein wirklich gutes Bild.“ Ich zwinkere ihr neckisch zu, was sie zum Grinsen bringt.
„Wie du meinst.“
Hah, Sieg.
„Es können auch mehrere Leute auf einem Bild sein“, erkläre ich ihr dann, „außerdem war das eine gute Ausrede, um ein Bild von uns zu haben.“
„Warne mich das nächste Mal einfach vor, dann ziehe ich nicht so eine merkwürdige Grimasse.“
„Ich finde das Foto ziemlich gelungen, du siehst verdammt süß aus, wenn auch etwas erschrocken. Wovor hattest du denn so eine Angst?“ Ich zucke mit den Schultern und setze eine unschuldige Miene auf.
Ich sollte es wirklich gut sein lassen, aber verdammt, ihre unschuldige Art macht mich sowas von an.
„Ich dachte, du wolltest...“, stammelt sie vor sich hin.
„Ich wollte was?“
Dich küssen? Dich ausziehen und in mein Bett entführen? Deinen nackten Körper überall berühren und schmecken? Dich so lange quälen bis du stöhnend meinen Namen schreist? Dich nie wieder gehen lassen? Oh, glaub mir, das wollte ich auch.
„Mich küssen.“ Sie wendet den Blick ab, atmet tief durch.
Es überrascht mich, dass sie die Worte wirklich ausgesprochen hat. So sehr, dass es mich aus meinem Konzept bringt.
„Die Nudeln sind fertig“, sage ich wenig einfallsreich und trete an ihr vorbei, um sie in ein Sieb abzuschütten.
Zuerst wirkt sie verwirrt, weil ich nicht darauf eingehe, doch das legt sich schnell wieder.
„Was jetzt?“, fragt Nayara ehrlich neugierig. Ich werfe ihr einen verstohlenen Blick zu. Sie scheint sich wieder komplett gefasst zu haben, das ist gut.
Ich lasse die Makkaroni in eine Auflaufform fallen und zerreibe den Speck, mische ihn mit den Nudeln.
„Du kannst das hier darüber verteilen und dann ab in den Ofen.“ Ich deute auf die Packung Käse auf dem Tresen.
„Mehr nicht?“, fragt sie ungläubig, während sie die Packung aufreißt, um den Cheddar über die Nudeln zu streuen.
Erwischt.
„Eigentlich kommn noch etwas Sahne und Gewürze darunter, aber ich wollte dich nicht gleich beim ersten Mal überfordern.“
Sie mustert mich streng. „Sei ehrlich, du hast vergessen Sahne zu kaufen, hab ich recht?“
Ungewollt zucken meine Mundwinkel nach oben. Ich nehme ihr die Tüte ab, schütte ein paar Käsekrümel auf meine Hand und stecke sie mir in den Mund. „Stimmt, aber es schmeckt auch so sehr gut“, gebe ich kauend zu. „Na ja, wenn man auf Käse steht.“
Sie schüttelt missbilligend den Kopf, doch das freche Grinsen auf ihren Lippen bedeutet mir, dass sie es mir nicht wirklich übel nimmt. Dann klaut sie mir die Käsepackung und verstaut sie im Kühlschrank. „Nicht, dass du noch zu fett wirst.“
Gespielt empört schnappe ich nach Luft, greife nach ihrem Handgelenk und ziehe sie an mich. Ich schiebe betont langsam mein Oberteil nach oben, in dem Bewusstsein, dass sie jede meiner Bewegungen beobachtet. Langsam lasse ich ihre Hand über meine Bauchmuskeln fahren, ihre Fingerspitzen kitzeln an der Oberfläche und entfachen ein wohliges Prickeln unter meiner Haut. Sie verfällt in Schnappatmung, ihre Augen kleben förmlich an meiner nackten Haut. Ich beiße mir fest auf die Unterlippe, um mich dazu zu zwingen, sie wieder loszulassen. „Nennst du das fett?“
Mit meinen Worten reiße ich sie aus ihrer Starre. Sie räuspert sich, scheint nach einer passenden Antwort zu suchen. Ihre hellen Wangen sind von einem zarten Rotton belegt. „Noch nicht, aber wenn du so weiter machst...“
Noch ehe sie den Satz beenden kann, hebe ich mahnend den Finger. „Sag es ja nicht, sonst bekommst du nichts von dem leckeren Essen.“
Nayara prustet, ihre großen Augen funkeln belustigt auf. Ich trete an ihr vorbei, um die Auflaufform in den Ofen zu schieben. „Keine Angst, ich werde schon gut auf meinen Körper aufpassen, damit du mich immer noch attraktiv findest.“
„Wie kommst du denn darauf, dass ich dich attraktiv finde?“, schießt sie sofort zurück.
„Deine Augen verraten es mir.“
In dem winzingen Bruchteil einer Sekunde läuft ihr ganzes Gesicht rot an. Sie schnappt nach Luft und während sie in ihrem Kopf nach einer schlagfertigen Antwort sucht, verstreicht der perfekte Moment, um mir diese entgegen zu schleudern. Ich zwinkere ihr neckend zu, doch sie kaut nur geschlagen auf ihrer Unterlippe herum.
Während das Essen im Ofen backt, zeige ich Nayara eine Auswahl an Filmen, die ich mit ihr ansehen wollte. Da ich das Knistern zwischen uns erregen will, sind es ausschließlich Romanzen, die mir Leana empfohlen hat: Dirty Dancing, Titanic, Auf immer und Ewig und Briefe an Julia.
Kritisch begutachtet Nayara jede einzelne Hülle und seufzt dann. „Ich kann mich nicht entscheiden.“
Ich unterdrücke ein Lachen. „Such dir aus, was du magst, mir ist egal, was wir uns ansehen.“
Es ist ja nicht so, als wäre ich wirklich scharf auf diese Schnulzen.
„Was ist das?“ Nayara greift ins Regal und zerrt eine Filmhülle heraus. House of Wax.
Ich lehne mich vor und nehme ihr den Film aus der Hand. „Glaub mir, der ist nichts für dich.“
Sie wirft mir einen skeptischen Blick zu. „Woher willst du das denn wissen?“
Um einen letzten Versuch zu starten, die Stimmung zwischen uns aufflackern zu lassen, verleihe ich meiner Stimme einen düsteren Unterton. „Das ist ein Horrorfilm.“
Ihre Augen schimmern kampflustig auf. „Gut, den will ich sehen.“
Ich seufze ergeben. „Wie du meinst, aber beschwer dich später nicht bei mir, dass du Angst hast.“
Obwohl, das ist doch die Idee. Vielleicht kuschelt sie sich an mich heran.
Sie verschränkt die Arme vor der Brust. „Ich bin gar nicht so ängstlich wie du denkst.“
„Sehen wir ja noch“, gebe ich zurück und erhebe mich aus meiner hockenden Position. „Das Essen ist fertig.“
Ich eile rüber in die Küche und betätige eine Taste am Herd, damit das nervige Piepsen aufhört. Als ich die Ofenklappe öffne, steigt mir ein betörender Duft von Käse und würzigem Speck in die Nase. Nayara wirft einen Blick über meine Schulter. „Mhm, das riecht fantastisch.“
Ich lächle zufrieden und nehme mir ein Handtuch, um die heiße Form rausholen zu können.
Mit der freien Hand greife ich mir einen Untersetzer und stelle das Essen ab. Nayara kramt bereits nach Tellern und Besteck, um den Tisch zu decken.
Gerade als ich ihr einen großen Haufen von den Käsemakkaroni auf den Teller schaufle, klopft es an der Tür.
Ist man hier denn niemals ungestört?
Ich öffne missmutig die Tür. „Wer stört?“ Leana wirft mir einen entschuldigenden Blick zu.
„Tut uns Leid“, sagt sie und Dante schiebt sie an mir vorbei in die Wohnung. „Wir waren in der Nähe und wollten noch was vorbeibringen“, erklärt er mir.
„Hallo Nayara.“ Leanas Stimme klingt nun noch fröhlicher als zuvor. „Geht es dir gut?“
Nayara nickt. „Ja, danke und euch?“
Dante und Leana schauen zwischen einander her und beide lächeln so breit, dass es mich schlagartig eifersüchtig macht. Nicht, weil ich irgendwelche romantischen Gefühle für Leana hege. Oder Dante. Aber ich hätte gerne, was sie haben. Diese tiefe Verbundenheit.
Dante schleift eine schwer wirkende Tasche hinüber zum Bett. „Leana hat ein paar ihrer Klamotten ausgemistet und gedacht, du möchtest sie vielleicht haben.“
Nayaras Augen leuchten, doch sie unterdrückt ein Lächeln. „Oh, das ist nett, aber ihr habt mir schon so viel gegeben.“
Leana tritt zu Nayara hinüber und winkt ab. „Ich würde mich freuen, wenn du sie nimmst. Ich brauche sie sowieso nicht mehr.“ Die rothaarige Frau lässt sich auf den Platz neben Nayara fallen.
„Wirklich?“ Nayara streicht sich unsicher eine Haarsträhne hinter ihr Ohr, das Leuchten in ihrem Blick wird strahlender.
„Wirklich“, versichert Leana ihr.
„Danke“, haucht Nayara und schenkt ihr ein ehrliches Lächeln.
Dante tritt zu ihnen und schöpft sich ein paar Käsenudeln auf den Teller, der eigentlich für mich gedacht war. „Wenn das so ist, dann können wir ja jetzt essen.“
Leana wirft ihm einen empörten Blick zu. „Liebling, du kannst dich doch nicht einfach bedienen.“
Er schaut sie grinsend an und häuft ein paar Makkaroni auf meiner Gabel, um Leana damit zu füttern. Sie wischt sich verlegen den Käse aus den Mundwinkeln.
„Habt ihr was dagegen, wenn wir mit euch essen?“
Eigentlich schon.
„Ihr seid doch sowieso schon dabei“, erwidere ich, als ich Nayaras freudigen Blick entdecke und hole noch weiteres Geschirr. Da ich nur drei Stühle besitze, zieht Dante seine Leana auf den Schoß und sie kichern wie frisch Verliebte.
Mein Herz zieht sich zusammen und in meinem Bauch setzt sich ein Kloß fest. Ich schaue unauffällig zu Nayara rüber, die sie genauso sehnsüchtig anstarrt.
Ob wir wohl jemals genauso verliebt sein werden?