Nayara
Meine Lunge brennt von der eisigen Luft und meine Beine fühlen sich bereits ganz taub an. Mit jedem Schritt knirscht der tiefe Schnee unter meinen Füßen, lässt mich einsinken und erschwert mit das Vorankommen.
Obwohl mich das Gespräch hinter mir sehr interessiert, so dringt es doch nur schwach zu mir hindurch. Meine gesamte Konzentration liegt auf der Prophezeiung.
„Was habt ihr mit Aiden gemacht?“, tönt Felans Stimme leise zu mir hervor.
„Wir haben ihn betäubt und halten ihn gefangen, bis wir wissen, was wir mit ihm anstellen sollen“, antwortet Dante ruhig.
„Wow Leana, ich wusste gar nicht, dass du auch jemanden betäuben kannst. Ich dachte, deine Fähigkeiten diesen allein dem Heilen.“
„Das tun sie auch“, bestätigt nun die Frau neben ihm, „deshalb habe ich ein paar Spritzen aus dem Krankenhaus mitgehen lassen.“
Felan pfeift anerkennend. „Gut gemacht. Aber habt ihr keine Angst, dass er wacht wird und flieht, während wir hier beschäftigt sind?“
„Keine Sorge, wir haben ihm eine ordentliche Portion Schlaf verschrieben“, erwidert Dante emotionslos.
Felan versucht wohl, das Gespräch aufzulockern, als er schnaubt. „Soso, der schläft vermutlich wie ein Bär.“
Ein Bär? Wirklich?
Als ich bemerke, dass ich mich doch habe ablenken lassen, breitet sich ein eisiger Schauer auf meinem Rücken aus.
Panisch blicke ich zum Himmel hinauf, er hat sich in ein düsteres Schwarz gehüllt und die Welt ebenfalls in Dunkelheit verschwinden lassen, obwohl es mitten am Tag ist.
Doch die Sonne wurde wie von Zauberhand vom Mond abgelöst, der rote und silberne Schlieren durch das Schwarz am Firmament zieht.
Der runde Mond am Himmelszelt scheint zu zerlaufen, seine Konturen gehen allmählich über in das Gesicht eines Wolfes.
Es fehlt nicht mehr viel, bis er vollendet ist.
Ich versuche immer weiter vorwärts zu kommen, unser Ziel zu erreichen, ehe es zu spät ist.
Allein der spärliche Schein meiner Taschenlampe weist mir dabei den Weg.
Talib, der meine Bemühungen zu bemerken scheint, legt seine Hände auf meinen unteren Rücken und schiebt mich vorwärts.
„Wir werden es rechtzeitig schaffen, mach dir keine Sorgen, wir sind fast da“, dringen seine beruhigenden Worte über meine Schulter.
Ich hoffe, er hat recht.
Aus dem Augenwinkel sehe ich einen hellgrauen Wolf an uns vorbeirennen, er hat eine lederne Tasche um seinen Körper gewickelt.
Tarun. Obwohl wir seit mehr als einer Stunde die verschneiten Berge hoch laufen und er noch einmal zurück zu seiner Wohnung musste, um magische Relikte zu beschaffen, hat er uns so schnell eingeholt.
Wie sehr wünsche ich mir, mich verwandeln zu können. Dante, Leana, Felan und Talib stehen mir in ihrer menschlichen Form bei, um mich nicht alleine zu lassen. Und so sehr ich mich auch dafür schäme sie zurückzuhalten, bin ich ihnen auch wirklich dankbar.
Auch wenn wir uns noch nicht lange kennen und ich das ein oder andere Mal mit Felan aneinander gerate, bin ich doch froh, dass ich sie an meiner Seite weiß. Sie sind zu Freunden geworden.
Leana schließt zu mir auf, ihre grünen Augen leuchten fröhlich in dem schwachen Schein.
„Da vorne ist es“, meint sie lächelnd und deutet auf den weiten Platz, der in einen runden Bogen übergeht und von Mauern rechts und links herum eingezäunt wird, die zum größten Teil eingestürzt sind.
Ein letzter, rascher Blick zum Firmament lässt mich erkennen, dass die Augen des Wolfmondes bereits rot angelaufen sind und die Lippen des Wolfes dabei sind sich zu formen.
Ich sammle meine letzten Energiereste zusammen und renne los, überbrücke die letzten Meter so schnell ich kann.
Auch meine Freunde, tun es mir gleich.
Als ich die Plattform erreiche, lasse ich kurz den Blick schweifen. Hier oben, auf der Spitze des Berges, spendet der Mond einen silbrigen Schein, der alles etwas besser erkennen lässt.
Steinerne Trümmer und verwitterte Balken säumen den Boden, sie sind fast vollkommen mit Schneebedeckt. Allein der marmorne Altar in der Mitte, der aussieht wie ein großes, verschlungenes Herz, scheint unversehrt. Selbst dem eisigen Wetter scheint er zu trotzen, denn nicht eine einzige Schneeflocke wagt es sich, sich auf dessen Oberfläche niederzulegen.
Ich frag mich, ob er verzaubert ist?
Die anderen haben mir erklärt, dass hier früher einmal eine Kathedrale stand, die zum Glauben an die ewige Liebe errichtet wurde.
Man sagt sich, dass Liebende, die den ganzen Weg gemeinsam bis an die Spitze des Berges hoch schaffen, ebenfalls gemeinsam durch jede Schwierigkeit des Lebens gehen. Zumindest als die Kathedrale noch intakt war, sie wurde bei einem der vielen Menschenkriege in Schutt und Asche zerlegt.
Allein der Altar, der das Herzstück des Glaubens war, steht noch immer voller Anmut ? für die Liebe ein.
Bei der Geschichte, regt sich etwas in mir, ein kleiner Funke scheint sich zu entzünden und mein Herz schneller schlagen zu lassen.
Tarun, der sich zurück in einen Menschen verwandelt hat, wirft mir einen Beutel zu und reißt mich somit aus meinen Gedanken, die hier oben zeitgleich völlig Fehl am Platz zu sein scheinen, aber sich hier auch vollkommen aufgehoben fühlen.
„Nimm dir die Drachenknochenkreide und fang an das Pentagramm zu zeichnen“, sagt er, während er ein paar Windlichter kreisförmig entlang der eingestürzten Mauerwerke aufstellt, um uns Licht zu spenden.
„Talib, nimm dir auch eine, ihr müsst es zusammen zeichnen. Auf dem Zettel seht ihr die Vorlage, wie es später aussehen muss.“
Schnell greife ich nach der Kreide und reiche auch eine an Talib weiter, der das Papier mit der Zeichnung eingehend studiert. Nun schaue auch ich drauf, es sieht aus wie ein verschnörkeltes Pentagramm, das allerdings aus zwei Wolfskörpern zu bestehen scheint, die sich um den Zirkel schließen und sich in der Mitte treffen.
Als Tarun die letzte Kerze angezündet hat, kommt er auf uns zu, deutet auf die Wolfsgesichter, deren Nasen sich berühren. „Fangt am Schwanz an und endet dann hier bei den Nasen, nutzt den Altar als Mittelkreis, dann sollte es einfacher sein. Beeilt euch, wir haben nicht mehr viel Zeit.“
Ich antworte erst gar nicht, sondern mache mich direkt daran, meine Hälfte des Wolfszirkels auf den steinernen Boden zu zeichnen, den Dante und Leana mit kleinen Fegern vom Schnee befreit haben, während wir die Zeichnung betrachteten.
Tarun stellt sich an den Rand, schließt die Augen und bringt seine Hände dazu, schwarze Schatten auszustoßen, die in wenigen Sekunden in eine nahezu unsichtbare Schicht übergeht, die sich über unseren Köpfen zu einer Kuppel zusammenschließt. Sie hält die Schneeflocken von uns fern, die sich nun auf das unsichtbare Dach ablegen, darüber hinweg tanzen.
Nur noch eine schnelle Handbewegung und zeitgleich, vollenden Talib und ich das Pentagramm, unsere Fingere stoßen leicht aneinander.
„Der Dolch“, ruft Felan, der zu unserer Rechten steht und uns das Messer zuwirft. „Es ist gleich soweit“, ruft er, klingt beinahe aufgeregt dabei, was irgendwie gar nicht zu ihm passen mag.
Talib fängt den Dolch auf, zieht ihn aus der dunkelbraunen Scheide und schneidet sich mit der Spitze ein Stück am Handgelenk ein, ehe er dasselbe bei meiner ausgestreckten Hand tut.
Der Schnitt ist tief, dunkelrotes Blut läuft in Rinnsalen über meinen Arm, doch meine Hände sind mittlerweile so gefroren, fast taub, dass ich ihn nur leicht spüre.
Talib nimmt seine verletzte Hand und greift damit nach meiner, er presst sie aneinander und positioniert sie so, dass unser Blut auf die Nasen der Wölfe tropft.
Wie gebannt beobachte ich was er tut, frage mich, woher er das alles so genau weiß, während ich doch einfach nur seinen Anweisungen folge, als der Mond über uns auf einmal hell aufleuchtet. Das Wolfsgesicht zieht die lange Schnauze nach oben und ein tiefes Heulen, das vom Himmel zu stammen scheint, erklingt.
Auch der Boden unter meinen Füßen leuchtet kurz auf, erst silbern, dann blutrot. Es passiert so schnell, dass ich fast stolpere und aus dem Kreis um uns falle, doch Talib hält mich fest.
Nur ein Augenschlag später, hat sich das Pentagramm mit unserem Blut gefüllt und auch die beiden Wölfe, fangen nun an ein heiseres Geheul auszustoßen.
Und obwohl die ganze Atmosphäre regelrecht gruselig ist, empfinde ich doch ein freudiges Kribbeln in meinem Bauch.
Bald werde ich wieder eine Wölfin sein.
Talib, der mich anlächelt, scheint dasselbe zu fühlen. Zumindest meine ich es in seinen graublauen Augen zu lesen.
Doch als die Wölfe aufgehört haben zu jaulen, werden wir nicht wie erwartet zurück in unsere Wolfsgestalt verwandelt. Nein, der Mond, sowie auch das Pentagramm verschwinden einfach. Und als hätte es diese Wolfsnacht nie gegeben, strahlt auf einmal die Sonne wieder am Himmelszelt und hüllt alles in ein goldenen Schein, der mich blendet.
Ich kneife die Augen zusammen, schlage sie dann irritiert wieder auf und schaue mich um. Das eben noch so aufregende Kribbeln, weicht einem tiefen Schlag in die Magengrube. Zumindets fühlt es sich so an.
Weg. Es ist einfach alles weg.
Auch in Talibs Gesicht steht schiere Panik geschrieben.
„Wie kann das sein?“, dringt seine tiefe Stimme hervor. „Haben wir etwas falsch gemacht?“
Tarun, der sich mit den anderen gespannt im Hintergrund gehalten hat, tritt nun zu uns. Auch er wirkt völlig durch den Wind. Seine Schutzbarrikade scheint mit all unserer Hoffnung einzustürzen und die kristallenen, eisigen Flocken rieseln unbarmherzig auf uns hinab.
„Nein, die Zeichnung war perfekt. Das Blut, die liebenden Gefährten und der Wolfsmond. Ich weiß auch nicht was...“, sagt er kopfschüttelnd, ehe sich seine Augen vor Erkenntnis weiten, „was ist, wenn ich doch Sex miteinander haben müsst?“
Sofort mischt sich Leana ein, die Bestimmtheit in ihrer Stimme kommt mir so fremd an ihr vor. „Nein, ich bin mir sicher, dass es nicht daran liegt. Sex ist ganz sicher nicht gleichbedeutend mit Liebe.“
Es ist nicht gleichbedeutend mit Liebe, aber was, wenn das, was ich für Talib empfinde, gar keine Liebe ist? Oder wenn er mir einfach nur etwas vorgespielt hat?
Talibs grüblerische Miene wird mit einem Mal todernst, seine Augen mustern mich eindringlich, ehe er die Worte ausspricht, vor denen ich mich am meisten fürchte.
„Liebst du mich nicht? Ist es das?“
Vehement schüttele ich den Kopf, mein Herz zieht sich so schmerzhaft zusammen, dass es mir für einen Moment den Atem raubt.
„Ich weiß nicht, was Liebe bedeutet“, gestehe ich dann mit kratziger Stimme. „Aber ich weiß, dass ich noch niemals zuvor so für jemanden empfunden habe. Als du verletzt wurdest und ich dachte du seist...tot“, ich schüttele entsetzt den Kopf, versuche die Gedanken zu verscheuchen und mein rasendes Herz in Zaum zu halten.
„Talib, ich kann nicht in Worte fassen, wie viel du mir in der kurzen Zeit bereits bedeutest und ich zweifele keine Sekunde daran, dass diese Gefühle mit jedem Tag stärker werden. Aber eine Sache weiß ich mit völliger Sicherheit...“, ich lege all meine Überzeugung in meinen Blick, hoffe, dass er es fühlt, „ich will nicht mehr ohne dich sein. Lieber bleibe ich für alle Ewigkeit ein Mensch, als dich auch nur für einen Moment zu verlieren.“
Talib schluckt, seine Augen glänzen, fast so, als würde er Tränen zurück halten.
„Ich hätte deine Gefühle niemals anzweifeln dürfen“, murmelt er, zieht mich zu einer stürmischen Bewegung in seine Arme und hält mich so fest, dass meine Rippen schmerzen.
„Ich liebe dich“, flüstert er mir ins Haar. „Ich liebe dich so sehr“, sagt er nochmals, sieht mir dieses Mal dabei in die Augen. „Und wenn es bedeutet, in dieser Hülle gefangen zu bleiben, dann ist es kein Gefängnis, solange du an meiner Seite bist.“
Ich glaube dir.
„Ich liebe dich auch.“
Talibs bebende Lippen legen sich auf meine, der Kuss ist nur kurz, doch er sendet Millionen kleine Funken durch meinen Körper, die mich innerlich brennen lassen. Vor Glück.
„So oder so, es ist zu spät“, unterbricht Dante uns, er wirft einen ernsten Blick in die Runde. „Wir wissen nicht woran es gelegen hat und es tut mir leid, aber wir werden weiter suchen müssen. Nach einem anderen Weg.“
Obwohl mir Talib mehr bedeutet als meine Hülle, versetzt es mir doch einen Stoß. Säure steigt in meiner Kehle auf, ich habe das Gefühl mich übergeben zu müssen.
Für immer menschlich? Ich werde also nie wieder spüren können, wie es ist, ein Wolf zu sein? Nicht einmal für einen kurzen Augenblick?
Nein. Nein, das kann nicht sein. Das war doch unsere einzige Chance? Es muss doch noch einen anderen Weg geben.
Oder sollen wir jetzt bis zu unserem Lebensende irgendwelchen Zaubern und Mythologien nachlaufen, bis wir alt und grau werden und auch unsere letzte Hoffnung mit uns ins Grab nehmen?
Tarun wirkt aufgebrachter als wir alle zusammen. „Welchen anderen Weg denn? Was wollt ihr noch alles versuchen? Es hat doch keinen Sinn mehr!“
Talib, der auf seinen Bruder zu geht, wird von Felan zurückgehalten, der uns mit nur einem einzigen Blick zur Ruhe bringt.
„Ich glaube der Zauber wirkt“, sagt er dann, deutet mit dem Kinn zu unserer Rechten.
In all dem Trubel hat niemand von uns bemerkt, wie sich ein heller Schein um den Platz gelegt hat, der nicht von der Sonne ausgeht. Vor uns erscheint ein xx Wolf, den ich unter tausend anderen direkt erkennen würde.
Feylon.
Aber wie kann das sein?
„Feylon“, flüstere ich atemlos. „Aber...“
Er lacht, ein heiseres, glückliches Lachen, dass ich nach seinem Tod so sehr vermisst habe.
„Ja, ich bin es, meine liebe Nives.“
Talib, der ebenfalls unter Schock steht, schaut mich fragend an. „Der Feylon?“, flüstert er.
Ich schaffe es lediglich zu nicken.
Genau der.
„Bist du nicht gestorben?“, wendet sich Talib nun an ihn. Doch der xx Wolf uns erneut ein amüsiertes Lachen.
„Ich glaube, ich bin euch einige Erklärungen schuldig.“ Er räuspert sich, wird dann mit einem Mal so ernst, dass es mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt.
„Ich bin Feylon, der Schicksalwolf“, stellt er sich vor. „Talib, Dante, Leana, Tarun, Felan, es ist mir eine Freude, euch nun einmal persönlich kennenzulernen.“ Er nickt jedem einzelnen kurz zu.
„Und um deine Frage zu beantworten, ja, ich bin gestorben. Feylon, der Todgeweihte. Es war von Anfang an mein Schicksal, mein Leben für eine größere Sache zu opfern, also habe ich meinen Geist und meine Magie versiegelt, um euch hier zu treffen.“
Also ist das sein Geist? Also war er der Schicksalswolf und nicht Faye?
Mein Herz, in dem eben noch ein Stückchen Hoffnung glomm, dass Feylon vielleicht doch noch am Leben sei, setzt einen Schlag aus.
Felans tiefe Stimme dringt hervor. „Wenn du tot bist, wer ist dann unser neuer Schicksalswolf?“
„Nun“, entgegnet Feylon mit traurigem Blick. „Die Schicksalsträger wurden bereits auserwählt. Normalerweise bestimme ich einen von ihnen, sofern sie ihre Prüfung bestehen, zum nächsten Schicksalsgeber. Da ich allerdings von der Welt lassen musste, ehe dies geschehen konnte, seid ihr auf euch alleine gestellt, bis der erste unter ihnen seine Prüfung besteht und zur Gottheit aufsteigt.“
„Heißt das, wir sind schutzlos bis es soweit ist?“, will Dante wissen.
Feylon schnaubt beinahe verächtlich. „Mein junger Freund, auch ohne meine Magie sind die Wölfe mächtig, ihr werdet durchhalten, denn, ich habe es im Gefühl, der nächste Schicksalswolf wird schon bald emporsteigen.“
Sein Blick gleitet über uns, nur ganz kurz verweilt er auf Felan.
„Es sind ein paar wirklich qualifizierte Kandidaten in unseren Reihen“, meint erklärt Feylon mit einem mystischen Klang in der Stimme. „Allerdings müssen solange alle neugeborenen Wölfe, ohne vorgeschriebenes Schicksal und leider auch ohne Magie zur Welt kommen.“
Was? Aber das ist doch schrecklich!
„Heißt das, sie werden niemals eine Fähigkeit besitzen? Oder unter dem Schutz des Schicksalswolfes stehen?“, keuche ich, meine Stimme überschlägt sich fast.
„Was glaubst du?“, erwidert Feylon mit sanftem Blick. „Auch du kamst ohne Fähigkeiten zur Welt oder nicht?“
Er hat recht. Ich habe gerade erst davon erfahren und kann sie noch immer nicht meistern, aber sie existiert. Meine ganz eigene Magie.
Es ist also doch möglich.
„Ihr werdet schon bald mehr erfahren“, wendet Feylon das Thema ab.
Schon wieder so eine kryptische Bemerkung.
„Nives, bitte gib dir keine Schuld an meinem Tod. Ich weiß, wie sehr es dich belastet und dich bis in deine Träume hinein quält, aber ich wusste, was passieren würde. Was passieren musste.
Es war ein Test, um zu sehen, ob du dich als würdig erweist. Du bist eine ganz besondere Wölfin und nur deshalb, stehst du unter meinem persönlichen Schutz, so wie ihr alle. Ihr alle, zeichnet euch aus, in dem ihr eurer Leben für eine andere Rasse gegeben habt. Jeder einzelne von euch, hat alles riskiert, um einen Menschen zu beschützen und das ohne eine jegliche Gegenleistung zu erhalten. Stattdessen steckt ihr nun fest, in einer fremden Welt und einem fremden Körper.“
Verwirrt schaue ich in die Gesichter meiner Freunde, sie alle, scheinen genauso überrascht zu sein wie ich. Seit Feylons Geist vor uns erschienen ist, traut sich kaum jemand zu sprechen.
Doch als ein schwarzer Kolkrabe wie aus dem Nichts erscheint und sich auf dem Boden neben Feylon niederlässt, meldet sich Dante nun doch zu Wort.
„Der Rabe“, sagt er, „wir haben ihn schon einmal gesehen, stimmts?“
Als würde er Dantes Aussage bestätigen, schlägt er wild mit den Flügeln und krächzt.
Eine nur allzu bekannte Stimme erklingt, als entstehe sie nur in meinem Kopf, aber ich weiß genau, dass meine Freunde sie auch hören.
„Ich bin Axes, der Urspung aller Schatten.“
Feylon räuspert sich. „Ihr erinnert euch also an meinen guten alten Freund.. Axes ist, wie er bereits erwähnt hat, der Ursprung der Schatten, jeder dunklen Magie. Opfert er sich, werden all jene geschwächt, die sich den finsteren Mächten bedienen. Ohne ihn, können nur wahrlich mächtige Magier bestehen. Und Fremont war zwar kein Anfänger, aber mächtig war er sicher nicht.“
Ich höre Talib nehben mir schnauben, was sicherlich der Tatsache gilt, dass Feylon Fremont beinahe als Schwächling dargestellt hat.
Wenn er sich opfert?
„Heißt das...?“
Als hätte der Schicksalswolf meine Gedanken gelesen, antwortet er, ehe ich zu Ende gesprochen habe.
„Ja, auch Axes ist nur noch ein Geist, der sich für das wohle zweier Welten geopfert hat.“
Dann bleibt sein Blick auf mir ruhen, seine Augen scheinen zu lächeln. „Nives, meine Liebe. Es gibt übrigens noch einen Geist, der dir etwas zu sagen hat.“
Noch einen? Wer...
In genau diesem Moment, scheint sich Faye in seiner Menschengestalt aus den Sonnenstrahlen zu lösen und er erscheint vor mir, mit einem breiten Lächeln auf den Lippen.
„Faye.“ Nur ein kurzer Blick reicht und schon brennen Tränen in meinen Augen, ein leidvolles Schluchzen ringt sich aus meiner Kehle.
Ich renne auf ihn zu und falle ihm um den Hals. „Faye, es tut mir so leid...“
Doch er fährt mir nur beruhigend durchs Haar und obwohl es nur sein Geist ist, fühlt sich seine Berührung so real an. So warm.
„Ist schon gut“, flüstert er. „Ich habe den Schicksalswolf gebeten, mich noch einmal richtig von dir verabschieden zu können. So wie ich dich kenne, wirst du dir dein Leben lang Vorwürfe machen, aber Kleines, es ist nicht deine Schuld.“
„Doch“, entgegne ich schluchzend. „Natürlich ist es das.“
Faye löst unsere Umarmung, schiebt seinen Finger unter mein Kinn und zwingt mich, ihn anzusehen. „Nein Kleines, das stimmt nicht. Mein Schicksal und mein ganzes Leben bestand nur aus dir. Jeden Tag habe ich an deiner Seite verbringen dürfen und obwohl ich hoffte, dass es genau so weitergehen würde, bis in alle Ewigkeit, könnte ich mir nichts schöneres vorstellen, als auch meinen letzten Atemzug an deiner Seite tun zu dürfen. Nives, meine Kleine, du bedeutest mir alles und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass du glücklich bist. Und wann immer du mich brauchst, ich bin bei dir.“
Seine Worte rühren mich so sehr, sinken in mein Herz und halten sich dort tief verwurzelt.
Faye, mein lieber Faye. Ich werde dich so schrecklich vermissen. Danke für alles.
Ich will ihn noch ein letztes Mal in den Arm nehmen, seine Berührung spüren und seinen Duft in mich aufsaugen, doch er scheint andere Pläne zu haben. Ehe ich reagieren kann, senkt sich sein Mund auf meinen.