Tarun
Ich verstecke mich in einem Gebüsch nicht weit entfernt von der Villa. Die dünnen Zweige bohren sich unangenehm in meine Haut, doch von hier aus kann ich alles bestens beobachten. Und eingreifen, wenn die Zeit dazu gekommen ist.
Er hat sich an mein Mädchen rangemacht! Dieser verdammte Penner soll rauskommen und die Verantwortung übernehmen!“ Kenneths dunkle Stimme scheint das Dunkel der Nacht fast zu zerreißen. Er hat seinen wuchtigen Körper vor dem Soldaten aufgebaut, packt ihn nun am Kragen.
„Sir“, entgegnet der nicht weniger stämmige Mann vor ihm und streift Kennys Hand mühelos von sich ab. „Bitte verlassen sie umgehend das Gelände!“
Doch mein Kumpel lebt auf in seiner Rolle und versetzt dem Blonden ohne Vorwarnung einen Kinnhaken. Er zuckt zurück, weicht instinktiv einen Schritt nach hinten, ehe er sich wieder gefasst hat und zum Gegenschlag ansetzt. Auch die drei weiteren Männer, die sich um ihn versammelt, und bisher die ganze Szene nur gespannt verfolgt haben, eilen ihm nun zur Hilfe.
Ich bin froh, dass Dantes kleiner Fluch die Männer daran hindert, ihre Gewehre zu benutzen. Er hat sie vergessen lassen, dass die Schießeisen existieren, doch der Zauber hält nicht lange an. Wir müssen uns also beeilen.
Kenny wehrt den ersten Schlag gekonnt mit seinem Arm ab, doch ein zweiter folgt direkt hinterher, erwischt ihn nur knapp an der Wange. Die Soldaten kreisen ihn ein, einer von ihnen packt nach seinem Arm, ein weiterer setzt an in Kennys Kniekehle zu treten.
Kenneth stößt ein wütendes Geräusch aus, ehe er sich mit einer Leichtigkeit, die man ihm niemals ansehen würde, seiner Gegner entledigt.
Das jahrelange Kampfsporttraining zu dem er als Kind genötigt wurde, hat wohl wirklich geholfen. Seine Regale zieren sämtliche Trophäen in den verschiedensten Sportarten. Karate, Aikido, Jiu Jitsu, Krav Maga.
Mit einer halben Rechtsdrehung schafft er es zeitgleich seinen Arm frei zu machen und den des Angreifers zu hebeln, sodass er ihn mühelos über die Schulter zu Boden wuchtet. Der, der zum Tritt angesetzt hat, verfehlt sein Ziel, als Kenny das Bein in einer fließenden Bewegung hebt, während er den Schulterwurf ausübt. In einer Schnelle, die meine Augen kaum begreifen können, setzt er seinen Fuß wieder ab, geht in die Beuge um sich zu einem kraftvollen Sprung abzustoßen. In der Luft macht er eine erneute halbe Wende und Kennys Fuß trifft den überrascht wirkenden Soldaten mitten in der Magengegend.
Priscilla und Cynthia, die sich nicht abhalten lassen wollten, uns bei unserem Plan zu unterstützen, halten sich im Hintergrund, lassen es sich aber nicht nehmen, das ein oder andere Mal unseren Freund anzufeuern.
„Ja, zeig es denen Baby!“
„Du bist so stark! So sexy!“
Kenneth erkauft mir Zeit, die ich brauche, um meine Fallen zu erschaffen. Normalerweise kann ich sie binnen weniger Sekunden erzeugen, doch diese hier soll etwas größer werden. Das braucht nun mal Zeit und ein gutes Ablenkungsmanöver.
Ich schließe für einen kurzen Moment die Augen, lausche aber weiterhin den Kampfgeräuschen und wütenden Stimmen.
In meiner Brust erglimmt ein magischer Funke, der sich wie ein warmes Gefühl durch meinen ganzen Körper zieht. Ich atme kontrolliert ein und aus, versuche vor meinem geistigen Auge ein Bild zu erschaffen. Und als ich es deutlich vor mir sehe, mit meiner Seele danach zu greifen.
Ich spüre ein wohliges Ziehen auf meinen Handflächen, weiß, dass das große Netz erst als schwarzer Nebel hervorkommt und sich dann vollends materialisiert. Ich lasse es wieder verschwinden, sichere es in einer zwischen Ebene, die nur ich erreichen kann.
„Halte noch ein bisschen durch!“, flehe ich Kenneth im Stummen an.
Als ich die Augen öffne, muss ich leider feststellen, dass weitere Wachposten sich genähert haben, um den Soldaten zur Hilfe zu eilen. Gerade schlüpft Cynthia aus ihren High Heels um sie mit hochrotem Kopf gegen den Rücken von einem der Männer zu werfen. Dieser dreht sich nicht gerade begeistert um und geht auf die blonde Schönheit zu. Doch ehe er sie packen kann, hat Kenny die zwei hochgewachsenen Männer und die braunhaarige Frau abgewimmelt, die ihn fast zu Fall gebracht hätten und versetzt Cynthias Angreifer, einen mächtigen Tritt in den Hintern. Sodass er nach vorne stolpert und fällt. Doch nun belagern ihn die Brünette und die anderen beiden erneut und ich sehe, wie Kenny trotz seiner fließenden, stets bedachten Bewegungen, nicht gegen sie ankommt. Der größte von ihnen grätscht zwischen Kenneths Beine, während die Frau seinen Arm auf dem Rücken festhebelt und sich dann mit ihrem freien, um Kennys Hals schlingt.Der letzte von ihnen verpasst meinem Freund einen Schlag zwischen die Brust und dem Magen, was ihn aufstöhnen lässt.
Ich spüre, dass meine Falle fast soweit ist.
Nur noch eine Sekunde.
Doch ehe ich aus dem Gebüsch hervorspringen und meine Freund verteidigen kann, muss Kenny einen weiteren, solchen Schlag einstecken. Er muss röcheln, übergibt sich und sackt dann nach vorn. Mit dem Gesicht auf dem Boden, ist es ein leichtes für die braunhaarige Soldatin, ihm ins Genick zu schlagen und ihn so Schachmatt zu setzen.
Die anderen beiden machen einen Satz auf Cynthia und Priscilla zu, packen sie grob an den Schultern. Und dann ist es endlich so weit.
Ohne weitere Gedanken an meinen Schutz zu verschwenden, springe ich aus der Hecke heraus, auf die Angreifer zu. In meiner Rechten halte ich kleine Kügelchen, die ich zwischen uns werfe, um dann schnell mein Gesicht abzuwenden. Die Leuchtgranaten explodieren beinahe stumm, blenden aber meine Gegner. Mit der Linken lasse ich sternenförmige, spitze Metallwürfel auf den Boden fallen. Irritiert von dem grellen Licht, taumeln sie zurück, treten auf die kleinen Stacheln, die sich durch ihre Schuhsohle und in die Füße bohren.
Ein schmerzerfüllter Laut dringt zu mir hervor. Gerade als ich nach meinem Dolch, den ich in meiner Jackentasche habe, greife, packt mich eine Hand grob am Arm. Der grauhaarige Soldat mit Kinnbart, hat sich noch vor allen anderen wieder zusammengerissen und hebelt nun meinen Arm auf meinem Rücken fest.
Er lacht boshaft. „Das hast du dir wohl so gedacht, Bürschchen.“
Ein stechender Schmerz durchfährt meinen Ellenbogen, als er den Druck darauf erhöht. Ich keuche auf, habe das Gefühl, das mein Knochen jeden Moment bricht.
Doch dann konzentriere ich mich auf den Funken in meinem Inneren, die Magie, die sich wie ein nahezu unsichtbarer Film um mich ausbreitet. Mit einem Knistern erwacht die Magie zum Leben und der noch eben so siegessichere Soldat, wird mit einem Mal zurück gestoßen. Er landet erneut auf seinem Allerwertesten.
Ich schüttele den Arm aus, in dem es noch immer etwas zieht, nur um dem Mann vor mir, mit voller Kraft ins Gesicht zu treten. Blut schießt aus seiner Nase und er fällt wie ein nasser Sach nach hinten um.
Seine Mitstreiter, die sichtlich verwirrt zu mir herüber blicken, lassen von den beiden Ladys ab und kommen dann auf mich zu. Langsam. Ich kann nicht ganz sagen, ob bedacht oder einfach nur ängstlich.
Ich weite die Schutzbarrikade um mich herum aus, drücke sie damit ein Stück von mir weg. Keiner ihrer Schläge oder Tritte dringt durch sie hindurch. Nur ihre lauten, hasserfüllten Flüche können mich jetzt noch treffen.
In all den Jahren, in denen ich der Verachtung der anderen Wölfe ausgesetzt war, waren diese Barrikaden alles, was mich am Leben hielt. Nur so, konnten sie mich nicht töten.
Dieses Mal bin ich der, mit dem siegessicheren Lächeln auf den Lippen.
„Keine Sorge, ich werde das hier schnell beenden“, verspreche ich und löse mit einem Fingerschnippen meine letzte Falle aus.
Schwarzer Rauch erscheint wie von Zauberhand, lässt ein enormes Netz entstehen, welches sich kaum vom schwarzen Himmel abzeichnet, und rast auf die Soldaten und mich herunter.
Gerade noch im letzten Augenblick, vermag ich es, auszuweichen und auch Cynthia uns Priscilla aus dem weg zu schubsen.
Mir erschrockenen Ausrufen und geweiteten Augen bleiben die Soldaten, im wahrsten Sinne des Wortes, in der Luft hängen. Um sie herum erschaffe ich eine kleine Barriere, keine, die ihnen Schutz bietet, dazu ist sie viel zu schwach, aber sie hält Geräusche von ihnen fern. Im Gegenzug dringen ihre Hilferufe aber auch nicht nach außen.
In etwas einer, maximal zwei Stunden wird meine Magie in so weit verbraucht sein, dass sie automatisch wieder frei sind. Hoffen wir, dass ich sie nicht vorher schon aufbrauche und sie somit früher aus ihrem Gefängnis entkommen lasse.
Ich schenke ihnen keine weitere Beachtung. Zuerst helfe ich den Damen auf, die mich ein wenig empört ansehen.
„Du hättest uns ruhig vorwarnen können, Tarun Schatz.“
„Tut mir leid“, ich drücke ihnen nacheinander einen flüchtigen Kuss auf die gespitzten Lippen und versichere mich dann, dass es Kenny gut geht. Er scheint noch immer zu Atmen, ist aber k.o. gegangen.
Danke, mein Freund. Ich bin mir sicher, dass dich die Ladys liebend gerne wieder gesund pflegen.
„Könnt ihr euch um ihn kümmern?“, frage ich die beiden. „“Ich muss wirklich los.“
„Und wie wir das können“, haucht die Schwarzhaarige mit einem sexy Unterton, welcher einen Zucken in meiner Hose zu verantworten hat.
Das ist nun wirklich der falsche Ort und die falsche Zeit dafür.
Ich lächle sie breit an. „Schaut einfach, dass ihr schnell von hier verschwindet, okay?“
Die vollbusige Blondine schenkt mir einen koketten Augenaufschlag. „Ihr Wunsch ist uns Befehl, Sir.“
Dann kehre ich ihnen den Rücken zu und laufe auf den Hauseingang zu.
Den ersten Teil hätten wir erfolgreich hinter uns gebracht. Ich hoffe nur, dass es Felan und den anderen gut geht.