Felan
Stöhnend schlage ich die Augen auf. Meine Umgebung ändert sich von völliger Dunkelheit zu, tanzenden, bunten Punkten und letztendlich gleißend hell. Ich blinzle angestrengt. Meine Zunge fühlt sich taub an, mein Mund ist trocken und mein Kopf dröhnt.
„Na, wieder wach?“ Aidens Stimme lässt mich Augenblicklich zusammenfahren.
Richtig. Er hat uns alle verraten. Er wollte Nayara und Talib opfern, aber sie sind entkommen. Das sind sie doch, oder?
Verwirrt blicke ich mich um, entdecke aber niemanden außer Aiden und mir in der selben trostlosen Zelle, in der zuvor die Anderen festgehalten wurden.
„Was willst du von mir?“ Ich schlucke fest, doch meine Stimme klingt trotz allem heiser.
Aiden lehnt an der steinernen Mauer mir Gegenüber, stößt sich ab und läuft langsamen Schrittes auf mich zu. Auf seinem Mund hat sich ein teuflisches Lächeln ausgebreitet.
Ich atme tief durch, zucke aber nicht zurück, als er direkt vor mit stehen bleibt. Mein Blick hält seinem eisern stand.
„Eigentlich schade, dass du mich verraten hast, du hast Mumm, das mag ich an dir.“
„Ich habe dich verraten?!“, entfährt es mir zornig. Ich verenge die Augen zu Schlitzen. „Du hast uns alle im Stich gelassen und sogar deine Freunde geopfert.“
„Talib ist nicht mein Freund“, zischt er scharf. „Und dank dir, ist der Bastard entkommen.“
Ich atme erleichtert aus.
Sie sind also wirklich davon gekommen. Sehr gut!
Aidens Hände wandern auf meine Wangen, sie fühlen sich eiskalt an, auf meiner glühenden Haut. Mit seinem Fingernagel ritzt er darüber. Ein brennendes Stechen breitet sich in meinem Gesicht aus, fährt durch meinen kompletten Körper. Ich rieche süßes Blut, fühle es meine Wange herab laufen.
„Dafür wirst du mir büßen.“
Er wendet sich ab, tritt in die Schatten und kommt kurz darauf wieder mit einem metallenen Schälchen hervor. Darin glitzert ein weißes, körniges Pulver. Es duftet nach Salz.
„Dafür und dass du Candra auf dem gewissen hast!“
Candra is tot?
„Das hast du selbst zu verantworten“, gebe ich zurück, versuche gleichgültig mit den Schultern zu zucken, doch die eisernen Fesseln schränken mich in meiner Bewegung ein.
Scheiße! Candra war zwar ein hinterhältiges Miststück, aber sie war auch ein Teil meines Rudels. Meiner Familie. Was ist nur mit ihr passiert?
Eine seltsame Leere, umgreift mein Herz und scheint es zu zerquetschen, doch ich wehre mich mit aller Kraft gegen diese Gefühle. Ich kann ihnen jetzt nicht nachgeben, das ist der falsche Ort und die falsche Zeit.
Ruhe in Frieden, Candra. Ich werde dich trotz allem für immer in meinem Herzen tragen.
Aiden steht mir nun wieder so dicht gegenüber, dass ich seinen Atem auf meiner Haut fühle. Es reißt mich aus meinen Gedanken, die mich sowieso zu sehr ablenken. Beinahe bin ich ihm dankbar dafür.
„Mal sehen, ob du gleich immer noch so große Töne spuckst.“ Er nimmt etwas von dem Salz in seine Handfläche und reibt es in einer kreisenden Bewegung über meine nackte Brust, tiefer meine Rippen und meinen Bauch herunter. Ich beiße fest die Kiefer aufeinander, sodass sie knirschen. Es kostet mich alle Anstrengung, nicht aufzuschreien. Als ich einen kurzen Blick auf meinen entblößten Körper werfe, entdecke ich eine Vielzahl an tiefen Schnitten, die noch nicht verheilt sind und getrocknetes Blut. Es gibt fast keine unversehrte Stelle mehr. Als er noch mehr von dem Salz auf meinen Wunden verteilt, entfährt mir ein schmerzhaftes Stöhnen. Eine Hitzewelle lässt meinen Körper erschaudern, unter der rissigen Haut kribbelt es. Mein Puls pocht in meinen Ohren, doch ich versuche standhaft zu bleiben.
„Keine Sorge, das ist erst der Anfang“, bemerkt Aiden augenzwinkernd, als er meinen Gesichtsausdruck sieht.
Erneut lässt er mich mit meinen Schmerzen zurück und verschwindet um die Ecke. Dieses Mal zerrt er einen Stuhl mit sich, der auf dem steinernen Boden kratzt und mein Trommelfell zu zerreißen scheint. Er stellt ihn dicht vor mir ab und nickt dann zwei Soldaten zu, die mir erst jetzt auffallen.
Waren die schon die ganze Zeit da? Wie konnte mir das nur entgehen?
Sie treten hinter dem schwarzen Gitter hervor, lassen es quietschen und erneut fühlt sich mein Gehörgang so an, als würde er jeden Moment explodieren. Ich presse die Augen kurz zusammen, um die Kopfschmerzen auszuhalten. Doch als ich Aidens Lachen höre, reiße ich sie schnell wieder auf. „Versuche erst gar nicht, dich zu wehren. Du hast keine Chance.“
Noch ehe ich etwas erwidern kann, landen die Fäuste der beiden Soldaten abwechselnd in meiner Magengrube. Der hohle Schmerz breitet sich taub in meinem Inneren aus, sämtliche Luft entweicht meiner Lunge. Ich keuche, mein Kopf fällt vor. Ich beiße mir auf die Zunge, schmecke erneut Blut in meinem Mund, doch der Schmerz ist um einiges angenehmer, als der, in meiner Magengegend.
Wieder und wieder versenkt der etwas größere Soldat seine Faust in meinen Unterleib, während der andere an meinen Händen herumfummelt. Ich stöhne, zucke bei jedem Hieb zusammen. Mit einem Klicken lösen sich die Fesseln, doch ich bin zu erschöpft um mich zu wehren. Atemlos sacke ich nach vorne, sie packen mich beide fest an den Armen und zerren mich auf den Stuhl. Das Metall fühlt sich kalt an auf der Haut, es macht das hitzige Kribbeln in meinen Gliedern etwas erträglicher. Doch meine Füße werden noch immer von den Fesseln im Boden festgehalten, es zieht schmerzhaft in meinen Knöcheln. Ich schlucke erneut, versuche mich auf meinen Herzschlag zu konzentrieren, der fast gar nicht mehr zu existieren scheint.
„War das schon alles?“
Aidens Mundwinkel zucken nach oben. Er hält einen Hammer in seiner Hand und schlägt sich sachte damit in die Innenfläche der anderen. „Wir fangen gerade erst an.“
Der kleinere, schwarzhaarige Soldat schlägt mir mit der Faust ins Gesicht. Ich höre ein Knacken, eine Druckwelle an Schmerzen schießt durch meinen Kopf und unter der aufgeplatzen Stelle an meiner Nase sickert Blut in Strömen durch mein Gesicht. Ich keuche qualvoll auf, lasse meinen Kopf nach vorne fallen und presse die Augenlider fest zusammen.
Normalerweise sollte mein Körper eine Kleinigkeit wie eine gebrochene Nase schnell heilen können, doch es sind viel zu viel Wunden in dieser kurzen Zeit entstanden. Ich hoffe nur, dass er schnell genug heilt, damit ich all das hier überlebe.
Eine Hand packt mich fest im Genick und in den Haaren, reißt meinen Kopf nach hinten. Ich stoße die Luft scharf aus. Dann spüre ich einen erneuten Schlag auf meine Nase, es knackt erneut und ein hitziges Brodeln durchfährt meine Stirn, Blut rinnt mir in die Augen, doch ich kann es nicht wegwischen, da meine Hände links und rechts mit aller Gewalt festgehalten werden. Ich blinzle die Tropfen angestrengt weg. Dann spüre ich einen Lederriemen, der meine Unterarme an die Stuhllehnen fesselt. Ein weiteres Band fixiert meine Hände flach an der Lehne, sodass ich die Finger von der Handfläche wegspreizen muss.
Noch bevor ich eine Bewegung wahrnehme, spüre ich den stechenden Schmerz durch meine rechte Hand jagen. Das knackende Geräusch eines brechenden Knochens, das schwere, kalte Blei des Hammers auf meiner Haut. Adrenalin pumpt durch meinen Körper, mischt sich unter die Qualen und lässt sie noch intensiver werden. Wieder fühle ich den Schmerz, das widerliche Geräusch eines zertrümmerten Fingers. Ich schreie, zappele und winde mich. Aidens diabolisches Lachen mischt sich darunter, der Klang bohrt sich in mein Unterbewusstsein.
Ich atme unkontrolliert, jeder neue Schlag, schickt eine Schmerzenswelle durch meinen Körper. Doch ich zwinge mich aufzusehen.
Diese Genugtuung gebe ich dir nicht!
Allerdings wird meine Sicht vom Rot der Bluttropfen verschleiert. Ich versuche sie wegzublinzeln, doch noch immer sieht alles etwas verschwommen aus.
Wieder und wieder durchfährt mich dieser Schmerz, bis er alle Finger zu Brei geschlagen hat. Das Gefühl vermischt sich zu einem einheitlichen Leiden, dass sich tief in meine Knochen setzt und jeden Winkel meines Körpers zum Glühen bringt.
Und obwohl ich hoffe, dass mein Körper sich schnell genug heilen kann, will ich doch, dass es aufhört.
„Beende es“, presse ich unwirsch hervor.
Beende mein Leben! Mach, dass es aufhört!
Als Antwort spüre ich kaltes, scharfes Metal, wie es sich mit einem Ruck in mein Knie frisst. Die Messerspitze kratzt an der metallenen Oberfläche des Stuhls, doch das Geräusch wird von meinem qualvollen Schrei verschluckt. Mein Puls rast, während in meinem Kopf ein tiefes Schwindelgefühl aufsteigt. Genauso ruckartig, wie er zugestoßen hat, zieht er die Klinge aus meinem Bein und lässt es ins andere fahren. Ich kann nicht aufhören zu schreien, obwohl sich meine Kehle wie zugeschnürrt anfühlt. „Beenden? Ich bin noch lange nicht fertig mit dir.“
Aidens Stimme klingt erheitert, jagt mir eine Gänsehaut über den Körper.
Erneut spüre ich die scharfe Klinge auf meiner Haut. Schwungvoll lässt er das Messer über meinen Brustkorb fahren, schlitzt tiefe Wunden in mein Fleisch. Es brennt und sticht, warmes Blut läuft heraus. Das Schwindelgefühl scheint mich zu übermannen. Wieder und wieder spüre ich das kalte Metall auf meiner Haut, wie es in mein Fleisch einritzt und ganze Fetzen herausreißt. Mein Innerstes Brodelt so stark, dass es das Metall zu schmelzen scheint. Ein dämriges Gefühl breitet sich in meinem Gehirn aus, schließt sich wie ein dichetr Nebel um meine Sinne. Ich blinzle angestrengt durch die langen Wimpern.
Wenn ich jetzt ohnmächtig werde, muss ich all diese Qualen nicht mehr bewusst ertragen.
Ich konzentriere mich auf das Schwarz, das mich Willkommen heißt. Doch der beißende Geruch von hochprozentigem Alkohol lässt mich innehalten. Die Flüssigkeit sinkt wie eine kalte Dusche über meinen Kopf, läuft meinen Hals und die Schultern weiter herunter. Jede offene Wunde brennt wie Feuer. Ich stöhne, zappele auf dem Stuhl hin und her. Der Schmerz ist zu intensiv, um mich erneut der Bewusstlosigkeit hinzugeben. Er nagt an meinem Verstand. Ich schüttele mich, doch bei dem Versuch den Alkohol davon abzuhalten, weiter meinen nackten Körper herunter zu laufen, verteile ich ihn nur noch weiter. Er sickert bis in meinen Schritt. Selbst den hat Aiden nicht verschont und das beißende Gefühl treibt mir die Tränen in die Augen. Ich keuche, flehe ihn an, dass es aufhört. Doch er lacht. Aiden genießt meinen Anblick in vollen Zügen.
„Was, du hast immer noch nicht genug?!“ Wir beide wissen, dass das nur eine rhetorische Frage war, doch er beantwortet sie sich dennoch selbst. „Keine Sorge, alter Freund, ich habe da noch etwas, das dir mit Sicherheit gefällt.“
Das Rauschen eines Bunsenbrenner mischt sich unter seine Stimme, der strenge Geruch von Benzin steigt mir in die Nase und setzt sich darin fest. Selbst unter dem roten Tränenmeer in den Augenwinkeln, erkenne ich die helle, züngelnde Flamme vor mir. Mit stockt der Atem und mein Herz überschlägt sich. Nein! Bitte! Alles nur nicht das!
Meine Kehle ist wie , meine Zunge taub und trocken. Ich kann mich nicht bewegen, bin wie versteinert. Geschockt reiße ich die Augen auf, mein Blick verharrt starr auf der orangegelbe Flamme. Mein Gegenüber tritt langsam auf mich zu, beugt sich dann zu mir herunter und flüstert mir ins Ohr.
„Träum was süßes.“
Sein schallendes, teuflisches Lachen hallt an den hohen Kellerwänden wider. Ich zucke zusammen, als ich die Wärme der Flamme auf meiner Haut fühle, sie ist noch viel stärker, als die, in meinem Inneren. Ich versuche mich zurückzuziehen, doch der Stuhl hält mich eisern fest, drückt sich unbarmherzig in mein Rückgrat. Ich schaue auf die Wand hinter Aiden, versuche mich darin zu verstecken, damit ich an nichts anders mehr denken muss. Nichts anderes fühlen.
Und als er die Flamme so dicht an meine Hand hält, dass sie überspringen kann, lässt uns ein schrilles, lautes Geräusch zusammenfahren. Es ist eine Sirene, die selbst in den Tiefen des Kellers ohrenbetäubend laut ist. Aidens Hand zuckt zurück und ich kann nicht anders, als erleichtert auszuatmen. Er löscht die Flamme und tritt zum Gitter, um einen Blick in den Flur zu werfen, in dem heran eilende Schritte auf dem steinernen Grund erklingen. „Was geht hier vor sich?“, zischt Aiden wutentbrannt. „Polizei“,erwidert eine mir unbekannte Stimme knapp. Im Augenwinkel meine ich zu erkennen, wie Aiden nickt. „Pass auf den Gefangenen auf, ich kümmere mich darum.“
Das Quietschen des Gitters klingt nur noch unwirklich an mein Ohr, die Ohnmacht nagt erneut an meinen Sinnen. Das Adrenalin ist nun nicht mehr stark genug, um meinen erschöpften Körper wachzuhalten. Ich blinzle angestrengt, merke wie mein Kopf immer schwerer wird und nach vorne sackt. Und die Schwärze, die mich umfängt und den Schmerz aus meinem Innersten treibt.