Nayara
Der dichte Nebelschleier, der sich um meine Sinne gehüllt hat verflüchtigt sich allmählich, als mich eine wohlbekannte Stimme aus der Leere in meinem Inneren zu reißen versucht. Immer wieder ruft er meinen Namen. Er klingt so verzweifelt, ich möchte ihm antworten. Doch ich kann nicht. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, in meinem Kopf ist alles stehen geblieben, als hätte jemand die Zeit angehalten. Doch seine tiefe, vertraute Stimme hat den Zeitanzeiger wieder angestupst, erwacht meine Sinne langsam, aber sicher erneut zum Leben. Der schwarze Nebel verschwindet um mich herum, lässt mich erleichtert aufatmen. Die Angst, die sich in meine Knochen gefressen hat, ist noch immer da, doch es fällt mir leichter zu atmen. Als ich Talib nur unweit von mir erkenne, versetzt es meinem Herzen einen Schubs. Es pocht wieder schneller, schenkt mir neue Energie und Hoffnung. „Talib“, krächze ich, meine Stimme gehorcht mir noch nicht vollkommen.
Was macht er hier?
Fremont, der ihm direkt gegenüber steht, wendet sich zu mir um, mustert mich mit einem Lächeln auf den Lippen. „Na, wieder wach, Prinzessin?“
Ein eiskaltes Kribbeln durchfährt meinen ganzen Körper bei seinem Anblick, doch Talibs Stimme schenkt mir so viel Wärme, dass ich es schaffe, die Furcht in meinen Gliedern zu bekämpfen.
„Nayara, geht es dir gut?“
Ich nicke leicht, schlucke fest. Obwohl ich mich überhaupt nicht gut fühle, steigt ein schwaches Gefühl von Sicherheit in mir auf. Und das allein durch Talibs Anwesenheit. Ich möchte auf ihn zu rennen und mich in seiner Umarmung verkriechen, doch die schweren Ketten halten mich zurück, schneiden sich tief in mein Fleisch. Auch das Pochen in meinem gebrochenen Bein hat kaum nachgelassen, der Schmerz durchzuckt mich noch immer. Doch die Qualen scheinen nun erträglicher zu sein.
Wieso heile ich so langsam?
In Talibs blauen Augen liegt Verzweiflung gefangen, doch seine Worte lassen diese nicht durchdringen. Er klingt selbstsicher und stark. „Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert.“
Mein Herz rast noch schneller, durchflutet mich mit einer Kraft, die ich zuvor nie für möglich gehalten hätte. Ich schlucke, zwinge mich dazu, genauso zuversichtlich zu wirken. „Ich weiß.“
Erst jetzt tritt jemand anderes in mein Blickfeld, der mir zuvor absolut nicht aufgefallen ist. Aiden streicht sich durch sein orangenes Haar, in seinen Augen liegt etwas Gehässiges gefangen. Seine dünnen Lippen sind zu einem finsteren Grinsen verzogen, welches Fremonts Lächeln in nichts nachsteht. „Daran glaubt ihr doch nicht wirklich.“
„Aiden?“ Die Worte verlassen ungewollt meinen Mund. „Hilf uns.“
Seine düstere Grimasse verfinstert sich und mir wird blitzschnell klar, dass er nicht umsonst frei neben Fremont steht. Er ist auf seiner Seite.
„Wieso sollte ich das tun?“
„Ich dachte, ihr seid Freunde“, gebe ich mit dünner Stimme zurück. Mein Herzschlag hat sich verdoppelt, Aidens Blick lässt meine müden Gliedern erbeben.
Er lacht höhnisch auf. „Ich verdanke es Talib und seiner Sippschaft, an diesen scheußlichen Körper gebunden zu sein. Niemals würde ich einen Verräter als Freund bezeichnen!“
Talib stößt erschrocken die Luft aus, über seine Miene legt sich ein gequälter Ausdruck. „Ich wollte das doch auch nicht, es war ein Versehen.“
Aiden faucht ihn zornig an. „Ein Versehen?“
Obwohl ich sein Gesicht nicht mehr sehen kann, bedeutet mir seine Körpersprache und die angespannten Rückenmuskeln, die sich unter seinem weißen Shirt hervorheben, dass er unheimlich wütend ist. „Weißt du, was ein Versehen ist?“ Er tritt langsam auf Talib zu, es kommt mir vor wie in Zeitlupe, doch ich weiß, dass mir meine Angst nur einen Streich spielt. Taib zuckt zusammen, als ihm sein angeblicher Freund die Hände um den Hals legt und zudrückt. Er röchelt nach Luft, zappelt unter dem Druck. „Wenn ich zu lange zudrücke und du aus Versehen stirbst.“ Er betont seine Worte scharf.
Talibs Augen weiten sich, sein sowieso schon blasses Gesicht verliert noch mehr an Farbe.
„Lass ihn gehen!“, kreische ich panisch. Hilflos zerre ich an den Ketten, die sich noch tiefer in meine Wunden fressen. „Bitte!“
Zu meinem Flehen schleicht sich ein Wimmern, das ich nicht zu Unterdrücken vermag.
Ich habe die Menschen immer für schwach gehalten, aber erst jetzt verstehe ich, dass ich es auch bin. Auch der Wolf in mir wird schwach, wenn er Angst um seine wichtigen Gefährten hat.
Er lässt von Talib ab, der nun keucht und prustet. Gierig nach Luft schnappt. Dann kommt Aiden auf mich zu und legt den Kopf schief. Seine braunen Augen verengen sich zu Schlitzen. „Ich habe keinen Grund dazu. Ich brauche ihn nicht für unser Ritual, wieso also sollte ich ihn am Leben lassen?“
Ritual? Ich schlucke, versuche mein Herz zu beruhigen. Die Panik in meinem Inneren auszutreiben.
„Wenn du ihn gehen lässt, dann tue ich was auch immer du von mir verlangst!“
Aiden legt den Kopf in den Nacken, sein schallendes Gelächter lässt mich zusammenzucken. „Ich glaube wohl kaum, dass du eine andere Wahl hast.“
Wenn ich mich doch nur verwandeln könnte, würde ich die Ketten einfach entzwei reißen und ihm an die Gurgel springen.
Als könnte er meine Gedanken lesen, schaut mich Aiden vergnügt an. „Du bist hilflos und schwach, nichts was du tust, kann etwas daran ändern.“
Die Machtlosigkeit drückt mir die Kehle zu, doch ich versuche tief durchzuatmen um einen klaren Gedanken fassen zu können.
„Aber er kann dir doch nicht vollkommen egal sein“, werfe ich hoffnungsvoll ein. Es ist mein letzte Chance, an sein Mitgefühl zu appellieren. Ihn an die vergangenen Zeiten zu erinnern.
Nach einem Moment des Überlegens und der Stille, nickt er kaum merklich.
„Du hast recht, das ist er nicht.“
Ein Funke Hoffnung entzündet sich in meiner Brust, erlischt aber sofort wieder.
„Er ist der Grund, weshalb ich jeden Tag die Kraft habe aufzustehen, um meine Pläne zu verfolgen. Er bestimmt mein Leben schon viel zu lange, damit ist jetzt Schluss!“
Wie aus dem Nichts taucht auf einmal eine schwarzhaarige Frau neben ihm auf, die ich von Hinten nicht wirklich erkennen kann. Ihr schlanker Arm legt sich um seine Schulter und sie drückt ihm einen Kuss auf die Wange.
„Aber Babe, ist nicht genau das noch viel besser?“
Auch Talib scheint überrascht von ihr zu sein, er blickt sie verwirrt an. „Candra, du auch?“
Sie zuckt mit den Schultern. „Wieso nicht? Ich werde unsterblich sein“, erklärt sie, als würde es einfach vergessen machen, dass sie dabei ihre Freunde verrät. Nekisch streicht sie Aiden über die Wange, der sie dann aber doch davon abhält.
„Wie meintest du das?“, fragt er sie nun ungeduldig. Candra wirft mir einen kurzen Blick über die Schulter hinweg zu, ihre Lippen verziehen sich zu einem teuflischen Lächeln, das ich ihr am liebsten aus dem Gesicht kratzen möchte.
„Stell dir doch mal vor, wie sehr ich leiden würde, wenn man dich mir wegnehmen würde. Lass doch Talib leben, somit muss er mit den Qualen auskommen, dass er seine große Liebe verloren hat.“ Sie dehnt die Worte in die Länge.
Aiden schnaubt auf. „Als würde es dich scheren, wenn ich umkomme. Dich lechzt es doch sowieso nur nach Macht.“ Seine Worte klingen so belanglos und banal, als wäre es ihm vollkommen egal. Auch Candra scheint seine Worte nicht zu stören, ihre Miene bleibt eiskalt. „Er wird jeden Tag seines kümmerlichen Lebens daran erinnert, wem er das zu verdanken hat und somit drehst du den Spieß um. Du wirst derjenige sein, der sein Leben bestimmt“, erklärt sie weiter, ohne über seinen Einwand weiter nachzudenken.
Aiden wendet sich nun mir zu, in seinem Blick funkelt Erhabenheit auf. „Du hast recht, ich mag deinen Einfall.“ Er dreht sich wieder Candra zu, zieht sie an sich und drückt ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen.
Obwohl das bedeutet, dass Talib am Leben bleibt, breitet sich ein ungutes Gefühl in meinem Magen aus.
„Was meinst du dazu, Fremont?“ Der Mann im schwarzen Anzug, der sich die ganze Zeit zurück gehalten hat, zuckt nun mit den Schultern. „Ist mir ziemlich egal“, murmelt er so monoton, als hätte man ihn eben gefragt, was er zu Abend essen möchte. „Wir brauchen nur den Sprössling des Schicksalwolfes und nicht diesen reudigen Köter, meinetwegen kann er abhauen, sobald wir das Ritual vollzogen haben.“
Schicksalswolf? Wofür braucht er ihn?
Als er den Namen erneut einbringt, legt sich eine Gänsehaut um meinen Körper.
Er hat davon geredet, dass ich ihn kennen muss. Der Schicksalswolf, er allein ist im Stande, das Schicksal eines jeden umzuschreiben. Fremont hat behauptet, dass ich sein Schützling bin. Doch das höre ich zum ersten Mal. Was hat es damit auf sich?
Vollkommen verwirrt und verzweifelt schiebe ich meine Gedanken zurück in die Tiefen meines Gehirns.
„Nein, lasst ihn jetzt gehen! Wer sagt mir, dass ich mich auf eure Wort verlassen kann?“
Aiden und Fremont lachen beinahe gleichzeitig auf. „Kann dir doch dann egal sein“, erwidert er und stützt sich auf seinen Gehstock. „Außerdem macht es mehr Spaß, wenn er dir beim Sterben zusieht“, pflichtet Aiden ihm bei.
„Nein!“, brüllt Talib nun so laut, dass es mich wie ein Blitz durchzuckt. Er rüttelt an den Ketten, windet sich, als habe er die größten Schmerzen. „Das lasse ich nicht zu!“
Unter das laute Geschrei mischt sich ein leidvolles Seufzen, das nur leise aus der anderen Ecke an mein Ohr dringt. Überrascht drehe ich mich um, erblicke Faye, der langsam wieder zur Besinnung kommt. Ich habe ihn komplett vergessen.
Faye! Ein grauenvoller Gedanke schießt mir so plötzlich in den Kopf, dass mir schwindelig davon wird. Faye, das Schicksal. Ist er... der Schicksalswolf?
Ich schüttele den Kopf, versuche den Gedanken abzuschütteln. Aber dann wären sie ja hinter ihm her, wissen es nur nicht. Außerdem hätte er mich dann in diese menschliche Hülle gesteckt, das würde er niemals tun. Nicht Faye. Oder doch? Vielleicht hatte er seine Gründe dafür und ist mir nun gefolgt, um es wieder ungeschehen zu machen? Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.
Mir schnürt sich die Kehle zu. Schicksalswolf hin oder her... Er ist mein treuer Freund, der sein Leben riskiert hat, um mich zu schützen. Ich kann nicht zulassen, dass ihm etwas geschieht!
„Dann lasst ihn auch gehen“, fordere ich mit zitternder Stimme und nicke in Fayes Richtung. Außer einem qualvollen Stöhnen zeigt er kaum Regung. Er scheint noch immer erschöpft und benebelt zu sein.
Aiden, der meinen panischen Ausruf zu verstehen scheint, schenkt mir erneut dieses eisige Lächeln. „Was hätten wir denn davon?“
Verzweifelt suche ich nach einer Ausrede, irgendetwas, dass sie dazu bewegt, Faye frei zu lassen.
„Er hat nichts mit der ganzen Sache zu tun, ich will nicht, dass er meinetwegen leidet.“
„Was du willst, ist mir ziemlich egal“, erwidert er.
„Wieso noch mehr Leute opfern, wenn es vollkommen unnötig ist?“ Mein Herz rast, das Blut rauscht in meinen Ohren.
„Weil es Spaß macht“, erwidert Fremont gähnend, als würden wir nicht gerade über ein Menschenleben reden.
„Wieso machst du dir überhaupt so viele Gedanken darum?“ Aiden fixiert mich mit seinen Augen.
„Er ist mein Freund!“
Zu meinem Glück kennt er Fayes Namen nicht, scheint auch nicht weiter darüber nachzudenken, weshalb ich ihn so verzweifelt retten möchte.
Sein Grinsen wird breiter als habe ihn die Erkenntnis des Jahres getroffen. „Warum eigentlich nicht? Den Liebesrivalen meines alten Freundes Talib am Leben lassen und dafür seine Liebste töten, praktisch als kleines Geschenk, wegen der alten Zeiten“, sagt er dann, doch sein Gesichtsausdruck beschwört mir, dass das noch nicht alles ist. „Doch umd as ganze etwas spannender zu machen, hast du nun die Qual der Wahl: Welchen willst du lieber retten? Talib oder diesen anderen Volltrottel?“
Mein Herz scheint stehen zu bleiben, mit ihm auch die Zeit. Ich höre für einen Augenblick auf zu atmen und blicke hilflos zwischen Faye und Talib hin und her. Faye, der mich in der Vergangenheit vor allem beschützt hat. Und Talib, der mein Herz zum rasen bringt. Als ich dachte, dass ich ihn nie wieder sehe, hat es mir das Herz zerfetzt.
Ich will nicht, dass er wegen meiner Entscheidung sein Leben verliert, aber ich kann auch nicht meinen besten Freund sterben lassen.
Ich schlucke. Aus meinem Inneren weicht jedes Gefühl, macht Platz für eine unwirkliche Taubheit. Wie kann er mir eine so unmögliche Entscheidung überlassen?
Aiden scheint gefallen an seinem kleinen Spiel gefunden zu haben. „Also, wie entscheidest du dich?“
Ich blicke zu Talib, seine Augen sehen mich hoffnungsvoll an. Ich zwinge mich den Blick abzuwenden, noch einmal zu Faye herüber zu sehen. Er scheint von seiner misslichen Lage nichts mitzubekommen. Faye, wenn er wirklich der Schicksalswolf ist, wenn auch nur die kleinste Möglichkeit besteht, dass er es wirklich ist, kann ich nicht zulassen, dass sie ihn töten. Oder noch schlimmer, seine Macht für ihre bösen Zwecke ausnutzen.
„Clae“, flüstere ich so leise, den schnell erfundenen Namen, dass ich mir nicht sicher bin, ob sie mich verstehen.
Clae, der Sieger.
Doch Talibs Augen verlieren jeden Funken an Hoffnung, leer und trostlos blinzelt er zu mir herüber. Meine Entscheidung scheint ihn innerlich zu zerstören und ich kann es ihm nicht verübeln. Ich presse die Augen zusammen, will an nichts mehr denken.
„Was war das?“, stichelt Aiden in meiner Wunde. Zerreißt mein Herz erneut. Ich ziehe mich zurück in das schwarze Loch in meiner Brust, sperre jedes Gefühl aus.
„Clae soll leben“, erwidere ich entschlossen. Doch die Worte wirken so unwirklich, meine Stimme klingt fremd.
Aiden lacht erfreut, klatscht sich sogar in die Hände. „Also hat es unser kleiner Casanova wirklich nicht geschafft, dass du ihm verfällst?“
Falsch!
Ich schlage die Lider nach oben, zwinge mich dazu, Faye anzusehen. Doch ich spüre Talibs Blick an mir haften. Ich zwinge mich mit aller Macht dazu, nicht zu ihm zu sehen. Ihn zu vergessen. Den Schmerz in meiner Brust zu verdrängen. Leere. Schwärze. Ich lasse sie zu.
Das metallische Rascheln der Ketten lässt mich beinahe etwas Erleichterung verspüren. Doch nur beinahe. Ich sehe dabei zu, wie sie Faye von seinen Fesseln befreien. Fremont ruft zwei Männer herbei, die mit schnellen Schritten durch den Flur eilen. Zwei junge Kerle in Tarnkleidung erscheinen vor den gusseisernen Gitter, welches sie mit einem lauten Quietschen öffnen. „Bringt ihn weg von hier, setzt ihm in den Wald aus oder sonst wo, wo ihn niemand finden wird.“ Fremont nickt in Fayes Richtung, der noch immer neben sich zu sein scheint. „Wenn wir Glück haben, wird er von einem wilden Luchs gefressen, ehe er überhaupt weiß, wie ihm geschieht.“
Faye blinzelt verwirrt, stöhnt auf. Doch er wehrt sich nicht gegen die Hände, die nach ihm greifen und ihn unsanft hochreißen. Obwohl die zwei Männer dicht an mir vorbeigehen, nehme ich sie nur schemenhaft war. Das ist nur ein böser Traum!
Ich presse die Augen zusammen, versuche mir einzureden, dass ich das Richtige tue. Doch es fühlt sich entsetzlich falsch an!
Candras hohe Stimme schallt an den hohen Wänden ab, doch selbst der gehässige Unterton in ihrer eben dieser erreicht mich nicht. „Also, lassen wir ihn leiden?“
Ich weiß, dass sie von Talib spricht. Und ich weiß auch, dass dies nur eine rhetorische Frage ist. Ich beiße die Zähne fest aufeinander, versuche an nichts zu denken. Nichts zu fühlen. Doch die Schuldgefühle fressen sich in mein Innerstes, verdrängen die kühle Schwärze in meiner Brust.
Es tut mir so leid!
Ich spüre wie sich eine Träne aus meinem Augenwinkel schleicht, doch ich kann nichts dagegen tun. Auch nichts, gegen das entsetzliche Schluchzen, das aus meiner Kehle dringt. Aiden und die anderen tun es mit einem amüsierten Gelächter ab. Wieso? Wie kann jemand nur so grausam sein?
Ich höre auf gegen meine Emotionen anzukämpfen und versinke in meiner Trauer. In meiner Schuld. Das Brechen meines Herzens scheint knackend durch meinen Ohren zu rauschen, vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, doch es fühlt sich so real an. Und dennoch so falsch.
Weitere Tränen laufen über meine Wangen, hinterlassen eine brennende Spur auf meiner Haut. Erneut dringt ein tiefer Schluchzer an die Oberfläche, lässt meinen Brustkorb erbeben.
„Lasst mich das machen.“
Eine neue, raue Stimme erklingt, doch ich bringe es nicht fertig aufzusehen. Der Klang kommt mir bekannt vor.
„Felan?“ Es ist das erste Mal, dass Talib etwas sagt, seit ich ihn verraten und im Stich gelassen habe. Seine Stimme ist brüchig, trotzt aber voller Unglauben. Falls meine Worte ihn nicht bereits vernichtet haben, dann tut es nun Felans Erscheinen.
Jetzt schaue ich doch auf. Und tatsächlich, in der Türschwelle steht Felan, er hat die Hände in seine Manteltaschen gesteckt. Mit ausdrucksloser Miene starrt er zu Talib.
„Ich würde gerne derjenige sein, der Talib erledigt.“