Ein Tross schwer beladener Ein- und Zweiachsenkarren mit verstärkten Rädern, die nebst der persönlichen Habe der umzusiedelnden Menschen auch vielerlei Werkzeuge und Baumaterialien transportierten, rollten gemächlich durch die Ebenen und Waldgebiete Middellandes. Geschälte und getrocknete Baumstämme, Balken, Bohlen und Bretter waren das am häufigsten angefundene Baumaterial, welches in den vergangenen Tageswenden mühsam gesägt, verarbeitet und geladen wurde. Darüber gestapelt mehrere Säcke befüllt mit Nägeln, Krampen und Keilen. Ungezählte längen Lederseil, geschnitten aus Häuten wilden Hornviehs hingen zu Zöpfen gedreht an Laststangen und schaukelten unaufhaltsam hin und her. Auch Sägemehl und Späne führten sie mit sich. Mit diesem Schnittabfall sollten Glutnester zum Trocknen frisch geschlagener Bäume errichtet werden. Mitgeführte Fässer voll klebrigen Pechs dienten zum Versiegeln von Holz, welches ins Erdreich getrieben werden würde.
Nebst den beladenen Fuhrwerken mit Baumaterialien und Werkzeugen führte die Menge ebenso eine stattliche Anzahl Getreidesäcke und getrocknetem Fleisch mit sich. Das Hornvieh wurde nicht nur wegen der zu Leder verarbeiteten Haut geschlachtet, auch musste sichergestellt sein, dass für ihr Unterfangen ausreichend Nahrung bereitstand. Selbst das Blut des Viehs wurde verwendet, um aus diesem mit verschiedensten Kräutern leckere Würste herzustellen. Einige der resultieren Nahrungsmitteln nutzten die Jäger, um verwendbare Güter in den angrenzenden Siedlungen einzutauschen. Niemand benötigte länger als einen Liedschlag um den angedachten Handel zu beschlagen oder versuchte zu feilschen. Nahrung war in Rongard das A und O und so wurden die gebotenen Mittel gern genommen. Kein Laut wurde darüber verloren, woher oder gar von wem, der sehr üppige Segen stammte. Jedoch das doppelte Klopfen auf dem Herzen verstand ein jeder. Die Faust zum Herzen geführt war der allgemeingültige Gruß zwischen Kämpfern und bestätigte dem jeweiligen gegenüber Einverständnis. Ein Doppeltes hingegen bedeutete Unterwürfigkeit.
Bereits die Kleinsten lernten und hörten die Geschichten des Landes und ein jeder kannte die Prophezeiung, die dereinst von einem der Flüchtenden in Umlauf gebracht und vom damaligen Pretus vorhergesagt sein sollte. Auch wenn sich im Laufe der Zeiten diese Weissagung immer wieder wandelte, so blieb sie im Kern, doch stets die gleiche.
Wenn Missgunst und Zwietracht die Eide knechten und keine Freien mehr mit Zukunft rechnen, wird der Eine die Bande brechen. Er wird es sein, der den Samen der Hoffnung pflanzt. Wenn der Ruf des Horns erklingt und der Stahl unserer Klingen singt, so stelle dich der Wucht entgegen, unsere Lords werden den Feind hinwegfegen.
Somit war jene Geste mehr, als jedwedes Wort hätte ausdrücken können.
Viele der begleitenden Siedler, allen voran junge Männer, liefen neben dem Tross her und ließen Kinder wie Frauen die meisten Zehnteltage auf den Karren fahren, um ihnen den anstrengenden Marsch zu ersparen. All diese Menschen befanden sich in der Blüte ihres Lebens und hatten noch den Großteil ihrer Zukunft vor sich. Junge und kräftige Männer, die das Tal hinter dem Brehin für die Ankunft ihres zurückgelassenen Volkes vorbereiten wollten.
Flankiert und beschützt wurde dieser gewaltige Tross von einer halben Hundertschaft, angeführt von Jarik und Ben. Voraus, hinterher und zu den offenen Flanken als auch mittendrin verteilten sich die Reiter. Ben hatte sich für diese Art der Aufteilung entschieden, um im Falle einer Verteidigungssituation schnellstmöglich die Reihen zu jeder Seite schließen zu können. Trotz des Schutzaufgebotes, den sie bisher zu sehen bekamen, war die mitreisende Furcht nahezu zu spüren. Verstohlene Blicke eilten in jede erdenkliche Ecke, immer auf der Hut. Selbst die jüngsten spürten die Unruhe, die die reisenden umgab und verhielten sich nicht, wie Kinder es typischerweise sollten.
Die Gebirgsnase der Markengrenze, zwischen Bregeran und Middellande war seit einiger Zeit deutlich zu sehen, so auch eine Ansammlung sich bewegender Gestalten, die begannen, sich zu formieren.
Ein berittener Bote löste sich aus der Menge und hielt ohne sichtliche Hast auf den Tross zu. Ben erkannte ihn als einen von Yaekos Männern und gab Jarik Zeichen aufzuschließen und ihm entgegen zu reiten.
Der Reiter zügelte sein Pferd, führte seine rechte Faust zum Herzen und neigte sein Haupt. »Zum Gruße, Herr.« Er sah zu Jarik und grüßt auch ihn.
Ben hatte beschlossen als Fremder in diesem Land das Vorrecht zu genießen von allen am angespanntesten zu sein und vermutete hinter jeder Ecke einen Feind. Aus diesem Grunde vergeudete er keine Zeit mit Höflichkeiten. »Berichte.«
Bevor er jedoch zur Antwort ansetzte, wechselt dieser noch einen flüchtigen Blick mit Jarik. »Yaeko hat eine Zehn dort ...«, er zeigte mit seiner ausgestreckten Rechten voraus. »... am Zipfel zurückgelassen um die Menschen für den Abmarsch vorzubereiten und befindet sich bereits auf dem Weg zum zweiten Treffen.«
»Gut. Wir führen unsere Leute an und vereinigen uns mit den euren. Reite voran und setzte den Zug in Bewegung.«
Eric schloss mit den ersten Karren auf und blickte interessiert zu dem Boten.
»Eric, reite mit ihm hinüber und koordiniere das Zusammentreffen. Entsende anschließend einen Reiter zum zweiten Wegepunkt. Yaeko soll wissen, dass wir unterwegs sind und vor Ort lagern wollen.«
Beide bestätigten ihre Order mit dem üblichen Gruß und ritten voraus. Dort warteten die Menschen bereits angespannt auf die Ankunft des Mannes, den die Prophezeiung beschreibt und seinem angekündigten Gefolge. Am ersten Wegepunkt angelangt vereinigten sich zwei Kolonnen zu einer. Fuhrwerke und Karren reihten sich ein, die zurückgelassenen Reiter mischten unter. Die Hinzugestoßenen ordneten sich gemäß den Anordnungen Erics den Übrigen ein und boten Anlass für rege Unterhaltungen.
Einer der Jäger löste sich aus der Menge und gab seinem Pferd die Fersen, um seinem aufgetragenen Befehl nachzukommen.
»Woher stammt ihr?«
»Was führt ihr mit euch?«
»Lasst ihr Familie zurück?«
»Ist das der Mann? Der Schwertmann von einst?«
Waren nur einige von den aufgeregten Fragen, die Ben beim Durchreiten der Reihen mitbekam. Ihn interessierte mehr die Ladung ihrer Karren und stellte befriedigt fest, dass auch die Neuankömmlinge den Tross mit Werkzeugen, Baumaterialien und Nahrungsmitteln ergänzten.
Die Menschenmenge kam nur verhalten voran, da sich die Reisegeschwindigkeit an die zu Fuß Laufenden und den schweren Fuhrwerken richtete und so schritte die Zeit unaufhaltsam dahin. Die Dämmerung nahte und das Licht der Sonne drang nur noch gedämpft durch die Wipfel der Baumgruppen. Leicht flackernder Lichtschein bahnte sich seinen Weg zwischen die eng zusammenstehenden Bäume, welche so mancherlei Fluch über die Lippen der Leute ertönen ließ. Nicht Wenige gerieten bedingt des Zwielichtes und hervorwachsende Wurzeln ins Stolpern und so manche Karren mussten mühevoll über solche hinweggehoben werden, weil ihre Räder nicht darüber hinweg fahren wollten.