Es graute und der nächtlich aufgestiegene Dunst hielt sich stur zwischen den dichten Baumbewuchs des Waldes. Schwingen, versteckt in den Kronen der Bäume, trillerten ihre Lieder. Sie vermittelten seelige Eindrücke, welche seit der verlorenen Schlacht gegen die Horden Lord Inats seither betrübt waren. Auf einer kleinen Lichtung im Tiefwald, nahe dem Ringfeldsee und der Verlaufsgrenze nach Middellande lagerte ein Trupp Jäger, die begannen, sich aus ihren feuchtkalt gewordenen Decken zu wickeln.
Abgestellte Nachtwachen schritten durch die Reihen der Schlafenden und rüttelten diese wach. Die, die sich bereits aus ihrem zudeck gewühlt haben, schüttelten diese kräftig aus und legten sie sorgsam zusammen, um sie anschließend unter ihre Habseligkeiten zu verstauen. Feuer wurden entzündet oder dort wo noch Glut zu finden war, neu geschürt. Alle rückten sie nah an die wärmenden Flammen, um die nächtliche Kälte aus ihren Gliedern zu bannen und nahmen ein karges Mahl zu sich.
»Eric, wie lange wollen wir denn noch durch die Marken ziehen? Wir waren in fast ganz Rongard unterwegs, durch Nordfluss und Brinlah. Unten in Südfluss gibt es überhaupt kaum noch ein sicheres Vorankommen mehr. Wir können von Glück reden, dass der Tiefwald so dicht ist, um gefahrlos Feuer zu entzünden. Es ist hier verflucht kalt.«
»Beruhig dich Tiron, wir sollten genügend Mitstreiter für unsere Sache beisammenhaben. Inwieweit diese nun auch auf dem Weg zum Lager sind, bleibt abwarten. Wir brechen nach dem Essen auf direktem Wege auf. Nicht mehr weit und wir befinden uns innerhalb der heimeligen Markgrenze.«
»Sicher? Bregeran willst du nicht durchstreifen?«, begegnete ihm Tiron merklich genervt.
»Bin ich. Bregeran ist wohl die sicherste Mark im ganzen Land und die Leute dort oben werden nicht so vehement berannt wie hier unten am Fluss. Du hast doch mit eigenen Augen gesehen, was es bedeutet, an den flussnahen Marken zu leben. Die, die noch jung und kräftig genug für die anstrengende Reise sind, wollen auf ihrem Weg den Siedlern nahelegen, ihnen zu folgen«, konterte Eric, der stur die Flammen des vor ihn knisternden Feuers fixierte. Er streckte dabei wiederholt die Hände und ballte sie wieder zur Faust, um die Kälte aus den Gliedern zu verbannen.
»Was uns so manches Mal den Kopf gekostet hat. Wie oft sind wir fast in eine Patrouille geritten? Waren es drei Mal oder gar fünf Mal?«
Eric, dessen Laune sich merklich verfinsterte, spuckte ins Feuer, drehte sich Tiron zu und sprach wirscher als beabsichtigt. Seine Augen sprachen Bände. »Wer hat behauptet, dass unsere Aufgabe leicht sein würde? Unsere Freunde und Familien im Tal ...« er deutete mit dem Zeigefinger seiner Rechten in die Richtung des Brehin. »... jenseits der Berge haben es sicherlich nicht. Sie gingen mit kaum mehr als Nichts und müssen daraus ein Etwas errichten.«
Die umsitzenden Männer blickten von ihrem kargen Mahl auf und beobachteten die gespannte Lage. Geflüstert fragten sie sich, was sich zwischen den beiden abspielen möge. Niedergeschlagen, mit dem Kopf sachte nickend und deutlich betrübter lenkte Tiron ein. »Verzeih, du hast Recht. Wir alle sind schlicht Müde und wissen nicht, was uns erwartet. Seit fast einem Mond reiten wir und versuchen den Menschen Mut einzureden. Ich weiß einfach nicht, ob es ausreichen wird.«
Eric entspannte seine straffen Züge und erhob sich von seinem Platz, streckte seine Hände wieder ans Feuer und knetete diese, er schnaufte. Diejenigen, die bei ihnen saßen, taten es ihm gleich und blickten erwartungsvoll drein.
»In Ordnung. Auf Männer, macht euch bereit zum Aufbruch. Wir wollen in die eigenen Wälder und von da an zum Lager. Ich habe die Nase voll.«
An die, die sich ihnen während des Rittes durch die Marken bereitwillig anschlossen, rief er etwas lauter: »Unsere Wälder sollen von nun an die euren sein. Wir werden in einer Schlucht nahe unserer Siedlung ein Lager erreichen, in welchem unser Bestreben nach Freiheit seinen Anfang nahm. Von diesem aus, zogen Jarik und Yaeko mit dem obersten Schwertmann, begleitet von einer Hundertschaft Jägern und weiteren fünfhundert Menschen in unbekanntes Land. In diesem Lager werdet ihr die Ausbildung – den Drill – erleiden, den wir erduldet haben. Von dort aus werden wir den Nachschub zum Pass geleiten und für deren Sichert garantieren. Rafft euer Kram zusammen, wir brechen auf.«
Eric klopfte Tiron auf die Schulter und gemeinsam begaben sie sich zu ihren Pferden und bereiteten diese für ihren Abmarsch vor. Die Männer der Jägerschaft stopften sich die letzten Reste ihrer Mahlzeit in den Mund und reinigten ihre Utensilien. Noch nicht verräumte Decken und Material wurde fest verpackt und die Feuer mit Erde gelöscht.
Angewachsen auf fünf Zehnen ritt Eric dem Beritt voran und führte die Männer schweigend durch die Wälder, westlich des Grenzverlaufes zwischen den Marken Middellande und Südfluss folgend. Nach einem gefühlten ewigen Ritt schlussendlich im Lager anzukommen hatten die Männer nur noch ein Ziel. Einen warmen Schlafplatz sowie geborgene Sicherheit. Der Trupp umritt weiträumig die naheliegende Siedlung, als sie endlich in Sichtweite ihres Zieles rückten, dessen Zurückgebliebenen nicht tatenlos geblieben waren. Die schützende Palisade umschloss weitestgehend die gesamte Schlucht. Wach- und Beobachtungstürme reckten dahinter hervor und boten den Menschen rückseitig zusätzlich Sicherheit und den Wachhabenden mehr Sicht.
Ein Beritt trat hinter der Palisade hervor und hielt auf den Erics zu, der die rechte Faust hob und zum Halten mahnte. »Sieh nur, wie sie in der kurzen Zeit gelernt haben die Lanzen zu führen«, flüsterte Tiron, der neben Eric Stellung bezog.
Als sich die Reiter näherten, erkannte Eric den Anführer dessen und trabte an – seinem Freund entgegen, der sich ebenso von seinen Männern absetzte.
»Hey ihr Herumtreiber! Schön das ihr uns die Ehre erweist. Wo verdammt wart ihr so lange?«, schallte Fendrik lauthals.
»Schön dich wieder zu sehen, mein Freund. Wie ich sehe, habt ihr die Palisade fast fertig und du führst nahezu einen halben Beritt mit dir. Du musst mir unbedingt erzählen, was alles passiert ist.« Er zwinkerte mit dem rechten Auge und senkte seine Stimme zu einem flüsterten. »Nachdem ich endlich wieder einen warmen Arsch habe.«
Fendrik lachte herzhaft und entzog sich dem festen Griff. »Als wir vom Pass aus eintrafen, waren die Hiergebliebenen bereits fleißig am Arbeiten. Unsere Anzahl nimmt fast zu jeder Tageswende zu. Viele kommen und berichten von euren Erzählungen, und dass sie zu uns vorstoßen müssen, andere wiederum kommen vom Hörensagen der Vorausgeeilten. So kommt erst mal und ruht euch aus.«
Fendrik erhob sich, stellte sich in seine Steigbügel und winkte mit ausholendem Arm den Männern zu. »Euer Ritt war anstrengend und Ruhe soll euch gewiss sein.«
Auf dem Weg zu Fendriks Hütte, die er nach Ben nun sein Eigen nannte, erklärte er seinem Freund, was sich während seiner Abreise ereignete. Er berichtete ihm von dem Siegeszug über die Gouwors, angeführt von Jarik, Yaeko und Ben als auch von den Zuwächsen der eigenen Reihen.
»Wir beherbergen mittlerweile einen fast vollständigen Beritt hinter dem Wall und mit deinen Jungs zählen wir sogar noch mehr. Männer und Frauen, gar ganze Familien rücken mit ihren Fuhrwerken an, um den Nachschub für unsere Freunde zu bilden. Hiesige Handwerker sind dabei, Achsen und Räder für die Reise zu verstärken.«
Die Neuankömmlinge fanden innerhalb des Lagers rasch Kontakt zu den übrig Anwesenden und tauschten an wohligen Feuern Erlebtes. Viele aus Erics Trupp zogen es jedoch vor, sich in ihre Decken zu hüllen und eine ruhsame Nacht in Hütten oder ordentlichen und vor allem dichten Zelten zu verbringen.
Bis spät in die Nacht hinein saßen Eric und Fendrik zusammen und diskutieren über Abläufe der kommenden Tageswenden, bis die Müdigkeit siegte und Eric die Augen nach dem letzten Liedschlag nicht mehr öffnete. Leise begann er zu schnarchen und Fendrik legte ihm eine der gelagerten Decken um den Leib.