»Du warst bis rauf zum Pass?«, fragten Eric und Jarik erstaunt und entsetzt zugleich.
»Ja, Tiron hat mich begleitet und mir so das Gelände erklären können. Stimmt was nicht?«
»Aktuellen Informationen nach zu urteilen, treiben sich einige Gouwors in der Gegend herum, du solltest etwas vorsichtiger sein, wie weit du hinauszureiten pflegst. Zwei gegen mindestens fünf, ist nicht gerade eine erquickende Aussicht.«
»In Ordnung, ich werde es mir merken. Aber nun zum Thema, wieso ich zu diesem Lager plädiert habe. Ich kann mir denken, dass euch die Frage schon länger in den Köpfen herumschwirrt.«
»Stimmt. Die Männer, die Fendrik herangeschafft hat, fragen unentwegt, wozu sie sich hier versammeln sollten.«
»Jarik, in diesem Lager wollen wir unsere Leute drillen. Hier möchte ich den ersten kompletten Beritt, eine Hundertschaft zu einer Einheit formen. Ich hatte die Gelegenheit, bei meiner Ankunft in diesem Land, euch oben im Pass zu beobachten, als du das Zeichen zum Aufsitzen und Antraben gegeben hattest. Das war fast synchron und muss in einem Beritt ebenfalls klappen. Außerdem sollen hier Bogenschießen und Schwertkampf zu Fuß wie zu Pferd trainiert werden.«
Die Anwesenden schauten sich gegenseitig überrumpelt an und jedem schien die Sprache abhandengekommen zu sein.
»Leute, das ist kein Scherz. Ich möchte, dass die Männer in Gruppen eingeteilt werden. Die Eine trainiert mit dem Schwert, die andere mit dem Bogen. Eine Weitere Selbiges, nur zu Pferd; demnach sind vier Gruppen aufzustellen. Ich überlasse es Euch, die Männer zuzuteilen, da ich bisher keinen von ihnen kenne.«
Da weiterhin niemand Stellung bezog und unverständliche Blicke getauscht wurden, ergriff Eric das Wort. »Ich denke, dass wir das hinbekommen – zumindest vorläufig. Den Burschen da draußen darzulegen, wieso wir uns hier in einem Lager zusammengefunden haben und Kampfübungen trainieren, fällt nicht weiter schwer. Aber ... ihnen erklären zu wollen, wieso ein so großer Beritt nahezu gleichzeitig handeln soll, entzieht sich meinem Verständnis.«
Ben sah den Gesichtern an, dass allen dieselbe Frage unter den Nägeln brannte, aber nicht zu stellen wagten, weswegen er die Hände auf den Rücken verschränkte, sich stirnrunzelnd zur offenstehenden Tür drehte und hinaussah.
»Hm, stellt euch bitte vor ... wir reiten mit diesem Beritt durchs Gelände und begegnen einer stationierten Horde dieser Gouwors. Diese sind aufgereiht und bilden eine feste Front. Es wird zum Angriff geblasen und unsere Männer reiten nacheinander in diese Mauer aus gestählten Muskeln und ihren urtümlichen Klingenknochen.« Mit stülpendem Mund drehte sich Ben wieder den Versammelten zu und schaute Jarik direkt in die Augen.
»Aus dieser Sichtweise betrachtet, dürften nicht ganz so viele von uns überleben. Wenn wir aber geschlossen hineinreiten, bleibt dem Feind keinerlei Möglichkeit auszuweichen«, pflichtete dieser bei.
»Ebendies. Wir brauchen Einigkeit, nicht nur im gesamten Volk, sondern allem voran in der Einheit. Eric, du erwähntest vorhin, dass wir über einen Bogner und Schreiner verfügen?«
»Ja, so ist es«, bestätigte dieser stirnrunzelnd.
»Gut. Ich habe in den Wäldern bei meinen Ausritten reichlich Esche gesehen, stark aber noch nicht zu dick gewachsen.«
»Was hast du vor? Den parademäßigen Drill habe ich begriffen, aber was kommt jetzt?«
»Ganz einfach. Die Schreiner sollen aus diesem Eschenholz Lanzen fertigen. Zu je ein und einer halben Länge, gehärtet und mit einer stählernen Spitze. Suche dazu einen brauchbaren Schmied – einen Vertrauensvollen. Diese müssen von jedem Reiter gut zu halten sein. Da ihr, wie ich bereits erfuhr, derlei Waffen nicht mehr führt und wir noch keinen Waffenschmied in unseren Reihen haben, müssen wir uns um geeigneten Ersatz bemühen. Gebt acht, dass der Schreiner bei den ersten Lanzen daran denkt, dass diese ausprobiert werden. Von einem erfahrenen Reiter auf Handhabe und sicherem Sitz.«
»Du spielst auf den Beritt an, der nicht nur als eine Einheit in die Brut hineinreitet? Wenn wir diese Lanzen mit uns führen und gesenkt voraus halten, können wir noch vor dem ersten Körperkontakt etliche Feinde aufspießen. Demnach sind die Ersten von uns bereits mitten unter ihnen, bis kurz darauf die Nächsten über sie hinweg fegen. Wenn ich recht überlege, ändert sich dadurch die gesamte Begegnung, und zwar dahingehend, dass diesmal vom Feind nicht viele übrig bleiben.«
»Genau, das meine ich damit, Jarik.« Ben nickte zustimmend.
Ein Bild der Erkenntnis wanderte von Gesicht zu Gesicht und alle legten ein grinsendes Einverständnis in ihre Züge. »Ich werde Fendrik sogleich Bescheid geben, dass er sich mit den Schreinern und einigen Jägern auf den Weg machen soll.«
»Wo steckt er überhaupt?«
»Er bringt deine Materialien und Ausrüstung in die Hütte nebenan. Diese hier soll uns für Besprechungen dienen. Die nebenan, allein dir und die Dritte für Dario und Thanh. Deswegen haben wir drei gebaut. Wo wir gerade dabei sind, was hast du mit dem ganzen Zeugs vor?«
»Wartet es ab. Da wir die ersten Schritte nun gegangen sind, ich meine Fragen beantwortet bekam, wird auch dieses Geheimnis bald offenbart. Ich geh rüber und schau nach, ob Fendrik schon alles zusammengetragen hat.«
Bevor Ben die Hütte verließ, bemerkte er wie Eric mit den Ellenbogen Jarik anstupste und ins Ohr raunte, er möge mit der Sprache endlich rausrücken und es ihm erzählen. Erstaunt drehte sich Ben auf dem Absatz herum. »Was sollst du mir sagen?«
Dieser schien für seine Art nun vollkommen eingeschüchtert, so als wisse er nicht, wie er beginnen solle. »Also, du erinnerst dich als wir di...«
»Verflucht Jarik, komm zum Punkt. Benjamin ist doch kein kleines Kind und du ebenso wenig«, schalte ihn Eric.
»Du machst mich echt neugierig, was ist los?«
»Mhm, also kurz und bündig. Du bist der Einzige, der auf diesem Vieh reiten kann. Mehr noch, du hast sie dir einfach geschnappt und bist auf ihr geritten!«
Verständnislos und ohne zu wissen, was eigentlich gespielt wurde, schaute Ben auffordernd drein. »Worauf willst du hinaus?«
»Ich möchte, dass du die Stute behältst. Ich will sie dir schenken. Ich glaube sogar, dass sie von Anfang an nur dir bestimmt war. Wir konnten sie immer nur als Lastentier nutzen, da sie grundsätzlich alle Reiter abgeworfen hat.«
Nun war es an Yaeko, der sich nicht mehr zurückhalten konnte. Prustend und herzhaft lachend hieb er seine rechte Faust in die offene linke Hand. »Er hat ihr einen Namen gegeben. Artemis hat er sie genannt, stellt euch das einmal vor.« Grölend hielt er seinen krampfenden Bauch, sodass auch die übrigen Anwesenden freudig grinsten. Beleidigt zog Ben einen Schmollmund »Hey, ja. Es ist ein schöner Name«, meckerte er verdrießlich.
»Vergiss den Blödmann am Ende nicht«, prustete Yaeko daraufhin und konnte sich vor Lachen kaum auf den Beinen halten.
»Ich danke dir Jarik. Es ist ein wunderbares Pferd und ich weiß deine Geste zu schätzen. Ich werde auf sie achtgeben.« Um seinen Dank zu bekräftigen, drückt er ihm kräftig die rechte Schulter und begab sich in die Hütte, die einzig für ihn bestimmt war.
»Keine Ursache. Ich geh und teile die Gruppen ein. Eric, Yaeko kommt ihr?«