Die Ardinger, bleich und Kleinwüchsig, verhielten sich, obwohl ausgewachsen, wie unbegabte Kinder. Obgleich von robuster kräftiger Natur ihrer Abstammung, unterlagen sie bedingt der ersten Zucht, als zu verängstigt und unzuverlässig. Nur wenige von ihnen griffen zu ihren zweischneidigen Dolchen, die sie in Lederscheiden an ihren Hüften trugen.
»Formiert euch! Ardinger, greift an!«, grölte ein hochgewachsener Gouwor, ein hoch wie breiter Berserker.
Auf dem gellenden Befehl hin, reihten sich die hinteren der Brut aneinander und ordneten sich zu einer standhaften Wehr. Viele der verängstigten Ardinger sahen sich Hilfe suchend um und nicht minder wenige rannten hinüber zu den sich formierenden Gouwors oder krabbelten mit weit aufgerissenen Augen vor den Anrückenden zurück. Die mutigeren zogen Dolche und hielten diese ungelenk vor sich ausgestreckt. Sie waren nichts weiter als Klingenfutter der rachsüchtigen Angreifer. Kreischend gingen viele von ihnen zu Boden, ohne sich auch nur ansatzweise zur Wehr gesetzt zu haben. Niemand scherrte sich um die Art und Weise, wie sie töteten. Die Farbe der Bodenflächen und Mauerreste färbten sich von schmutzig Graubraun in Rot und giftgrün. Austretendes Gedärm Erschlagener wie deren Blut sorgten mancherorts für gefährlichen Stand.
»Wehrt sie ab, sie dürfen die Schmieden nicht bekommen!«, wies der Berserker seine Rotte zurecht. Er spreizte wutschnaubend Arme wie Beine und brachte sein Blut zum Kochen. Seine artgleichen Unterstellten taten es ihm gleich. Klingenknochen wurden aus den Unterarmen gepresst und dort wo sie die dünne Hautschicht durchstießen, tropfte grünlich dunkles Blut zu Boden.
»Erste Rotte zum Tor. Wehrt diese ...« Der Berserker deutete mit ausgepressten Klingenknochen zu den Schützen der Pferdeherren. »... Pfeilkämpfern ab und schickt die nutzlosen Bleichen um Unterstützung zu holen.«
Der Führer der ersten Rotte sah mit menschlicher Gebärde – Runzeln der Stirn – zu seinem Anführer, grunzte guttural und winkte seine kampffähigen, zwei Zehnen, um den Auftrag zu erfüllen.
Ungetrübt und nahezu perfekt trainiert stürmten die Pferdemenschen mit ihren Schwertern behänden schwingend über die Ebene. Die Naïns sprangen wie Gebirgsböcke mit ihren doppelt geschwungenen Äxten über die Mauerreste der Schmiederuinen hinweg und metzelten Ardinger.
»Nehmt welche von diesen Bleichen gefangen«, brüllte einer der Pferdemenschen. Mit einem prächtigen Schwert in der Hand, muskelbepackt und mit stämmigen Schultern, schien dieser ihr Anführer zu sein. Sein Helm zierte ein detaillierter Pferdekopf und ein breiter Wangen- und Nasenschutz. Die Rotte des Berserkers rückte ebenfalls vor und versuchte dem Feind schräg in die Flanke zu geraten. Sie kannten keine Gnade, nur den erhaltenen Befehl – die alten Schmieden zu halten und wieder aufzubauen. Die geflohenen Ardinger wurden aus mittlerweile drei Richtungen bedrängt. Pfeile und Speere spickten deren Leiber, wie grässlich tiefe Schnitt- und Hiebwunden, geführt von scharfen Schwertern und Äxten. Die dritte Flanke stammte von ihren vermeidlich Verbündeten, den Gouwors, ihren Meistern höchstselbst.
»Sie rücken vor«, brüllte Goram mit schwingender Doppelaxt. »Wir nehmen die rechte Flanke!«
Ben riss sein Schwert hoch, um so anzuzeigen, dass er verstand und Gleichzeit, um seine Klinge freizubekommen. Diese steckte tief in der Schulter eines jener bleichen Wesen, welches er lediglich unschädlich machen wollte. Schnell musste er einsehen, dass es in diesem Kampf keine Gefangenen geben würde.
»Jarik, zur linke Flanke und halte die Biester von den Schützen fern«, rief Ben seinem Freund entgegen, der keine zwei Längen von ihm entfern vorausstürmte und einem duckenden Gouwor seitwärts die Talje aufschlitzte. Dieser ging brüllend zu Boden und hielt sich mit den Klauen, das austretende Gedärm. Dunkelgrünes Blut sudelte hervor, ein Letztes geräuschloses Aufbrüllen entwich seinem Maul, als Jarik erneut sein Schwert niedersausen ließ.
»Aye!«, erwiderte er. »Männer zu den Schützen«, brüllte er über seine Schulter hinweg und führte seine Scharen zur Linken, um dort die Flanke zu sichern und den auf Ditanz gehaltenen Gegner mit einem letzten Aufgebaren den Lebensfaden zu durchschneiden.
Tiron bemerkte das Vorrücken Jariks und befahl den seinen die Schussrichtung abzuändern, um niemanden im Eifer zu verletzen. Durch den Richtungswechsel der Geschosse wurde die verbleibende Menge der Brut, von gerade mal einer Zehn, mutiger und rannte ungeachtet ihrer Flanke voran. Schneller als angenommen waren sie heran. Tiron hatte die Schnelligkeit ihrer gekrümmten Beine unterschätzt und war nunmehr selbst in Bedrängnis. Dank der Naïns und ihren Speerkämpfern, blieben viele Bogenschützen verschont und konnten sich aus dem Zugriff der klauenbewehrten Pranken, wie auch den Klingenknochen entziehen. Gouwors streckten ihre Arme kraft- und schwungvoll voraus, wobei diese wie ein Schwert geführt nicht nur Fleisch und Sehnen durchtrennten. Bei rückwärts geführten Angriffen, benutzten sie ihre abseitsstehende Knochen wie Dolche und stießen diese ihren Gegnern in die Leiber – vorzugsweise durch die Schulter hinab.
Jarik und seine Scharen waren schnell herbei und teilten wuchtige Hiebe aus, sie stießen und hackten auf die restlich verbliebenen Gouwors ein, bis auch der Letzte von ihnen zuckend am Boden lag. Ausgerechnet dieser riss einen der Speerkämpfer Gorams mit sich, da jener mit dem linken Auge aufgespießt an seinem Klingenknochen steckte und mit vergehenden Muskelzuckungen an diesem hängen blieb.
Der Kampf an der Stellung, nahe dem Portal, weilte nur einen Augenblick, dennoch unterlagen sieben Schwertmänner und drei Naïns dem unerwarteten Zugriff.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte Jarik sich bei Tiron und legte ihm schwer atmend die Rechte auf dessen Schulter. Dunkles grünes Blut tropfte seinem Arm herab.
»Ich hab‘ sie unterschätzt«, schnaufte dieser und sah mit glasigem Blick auf die gefällten. Richtete sich schließlich mit geklärtem Ausdruck auf und schob seinen obersten Schwertmann von sich. »Wir sind wieder dabei. Kümmert euch um die übrigen Bestien.« Das letzte Wort spuckte er verächtlich aus.
Jarik blieb nicht weiter als ein flaches Kopfnicken. Er zog seine Männer zurück und rannte mit ihnen erneut ins Getümmel. Die Speerkämpfer der Naïns lösten sich von den Bogenschützen Tirons und eilten hinterher. Behänden sprangen sie über Leiber erschlagener, hetzten über Mauerreste und fielen dem Feind in selben Moment von hinten in die Flanke, als diese mit Ben und seinen Männern aufeinanderprallten. Goram und seine tapferen Axtschläger stießen keine zwei Herzschläge später dazu und so spalteten sie von drei Seiten die feindliche Front. Wutentbrannte Ausrufe und wilde Minen säumten die Reihen beider verbündeten Völker. Äxte wie Schwerter mähten sich durch die Brut. Die Kämpfenden standen dermaßen eng beieinander, dass die bedrängten Gouwors ihren Vorteil der Behändigkeit nicht ausüben konnten. Um ihre vollkommene Kampfkraft zu entfalten, benötigten sie entsprechend Platz, den ihnen die drei Flanken nicht boten. Schmatzende Geräusche und schmerzerfülltes Aufheulen zeugten von geschlagenen Wunden, wo Schwert und Axt ihr Ziel fanden. Auch peinvolle Schreie hallten, wo ein Naïn oder Pferdeherr seinen letzten Atem aushauchte, bis nur noch schwere Atemzüge und kondensierender Dampf aus dem Knäuel der Kampfmeute auszumachen war. Körper sackten schlaff zu Boden und klirrende Klänge ertönten, wo Äxte kraftlos aus den Händen glitten.
Vielerorts sah man sich unsicher um, kein Feind wart mehr zu sehen. »Wir haben es geschafft«, hauchte Aguschal ungläubig.
Sein Vater nickte lediglich und stützte sich mit beiden Händen am Boden.
Einer der Schwertmänner wollte sich soeben schwermütig erheben. Seine auf dem vermeidliche festen Boden gepresste Hand suchte vergeblich Halt und glitt der Länge nach an dem austretenden Gedärm eines gefallenem Kameraden aus. Sein Blick richtete sich verunsichert nach der Ursache seines Dilemmas und erbrach sich sodann.
Jarik drängte an dessen Seite und hob ihn sanft aber bestimmt beiseite. »Ganz ruhig. Es ist vollbracht«, sprach er in Tröstendem tonal. »Scharführer, führ ihn zu der Mauer dort vorn«, befahl er einem Nebenstehenden und übergab den Geschwächten in dessen Obhut.
Jarik musterte das Schlachtfeld und hielt Ausschau. Er wurde immer Hektischer bei seinen Drehungen und sprang auf einen Mauerrest, um mehr überblicken zu können.
»Was suchst du?«
Er achtete nicht auf den Fragenden, stattdessen wurde er bedeutend unruhiger. »Benjamin! Verdammt, wo steckst du?«, rief er lauthals.
»Schrei doch nicht so«, meinte selbige Stimme schnaufende neben ihm und fasste nach dessen Bein.
Jarik schrie erschrocken auf und hob sein Schwert zum ausholenden Schlag. »Was, verre...«, fluchte er dabei, hielt jedoch inne, als er Ben erkannte. »Wo warst du verdammt?«
»Was meinst du? Ich stand hier, als du mich fast umgerannt hast, um auf die Mauer zu springen«, erklärte Ben mit runzelnder Stirn, griff hinter sich und zog einen sauberen Lappen aus dem Gürtelbund. Seine Klinge im Sonnenschein betrachtend, verzog er die Mundwinkel und wischte zweimal daran entlang.
»Ich bin wohl etwas durcheinander.«