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Verdammter Mist!
Aber wie sagt man noch so schön? Hochmut kommt vor dem Fall.
Vor lauter Euphorie über meinen neuen Diener und Roswitha war ich nachlässig. Sonst hätte ich gleich bemerkt, dass der Mann mental zu stark ist, um mir die Kontrolle zu überlassen.
Sicher, ich könnte als „Daniel“ zu ihm rübergehen und bitten, mit mir nach draußen zu kommen.
Aber dann?
Ich glaube kaum, dass ich ihn einfach so überreden kann, mit mir Erics verlassenen Laden zu betreten. Ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, freiwillig ein Kostüm anzuziehen, das einem so seltsamen Kauz gehört. Und ob die Verwandlung funktioniert, wenn man ihn dazu zwingt, weiß ich leider nicht.
Auf der anderen Seite bin ich ziemlich sicher, wäre ich nur ein wenig in seinem Kopf, würde es mir gelingen, ihn zu „überreden“. Schließlich hat Bruno ein Faible für diese Kreaturen.
Angesichts seiner psychischen Stärke passt es auch. Wenn ich Erik richtig verstanden habe, ist das Kostüm ein besonders mächtiges. Möglicherweise ein Alphamännchen. Mit Bruno als Träger würde der Einfluss der Werwölfe vermutlich steigen.
Dies erfüllt mich mit gemischten Gefühlen. Die oft geschilderte Feindschaft zwischen Vampiren und Werwölfen besteht nicht; es gibt sogar Verbrüderung und Paare. Insofern freut es mich für Bruno.
Andererseits stehen wir in direkter Konkurrenz zueinander. Wir können sie in ihrer Menschengestalt auch beißen und von ihnen trinken.
Leider sind Werwölfe in der Lage, uns notfalls erfolgreich abwehren. Dazu kommt, wir können die Bestandteile aus ihrem Blut nicht verwerten. Es dient daher höchstens als Teil des Spiels verliebter gemischter Paare, mehr nicht.
Mir kommt die Idee, es vielleicht mit der Frau zu versuchen. Eine Planänderung, die ein offensiveres Handeln verlangt.
Dann muss „Daniel“ eben direkt vom Kostüm erzählen und die Frau das Vorhaben unterstützen. Ich könnte sie von Werwölfen schwärmen lassen. Ihr zuliebe würde er dann auch eine etwas eigenartige Verkleidung anziehen und sein Schicksal nimmt seinen Lauf.
Das ist zwar jetzt nicht besonders kreativ, aber was Besseres fällt mir nicht ein.
Mit einem leichten Seufzen sammle ich mich mental und konzentriere mich erneut. Diesmal sollte es funktionieren.
Dachte ich!
Wieder komme ich nicht durch!
Was ist das?! Kann ich jetzt gar keinen mehr manipulieren? War etwas mit Roswithas Blut nicht in Ordnung, so dass ich diese Fähigkeit verloren habe?
Genaue Zahlen gibt es nicht. Manche schreiben von zwei Prozent, andere gehen von bis zu 5% Immunität unter denn Menschen aus. Allesamt Schätzungen – aber ihnen ist alle gemein, dass es sich um eine geringe Zahl handelt.
Und nun sollen ausgerechnet die beiden zu dieser kleinen Minderheit gehören? Eigentlich zu viel des Zufalls.
Nein, das passt mir ganz und gar nicht.
Ich muss ein ziemlich grimmiges Gesicht machen. Zumindest nach dem Blick, der mir eine vorübergehende Frau zuwirft.
Aber mein Zorn ist durchaus berichtigt. Ein Vampir, der die Menschen nicht mehr lenken kann, hat ein ernstes Problem. Er muss wirklich verführen und hat nur noch die Wahl, sein Opfer entweder komplett leer zu trinken oder nur wenige Tropfen zu nehmen. Alles andere scheidet aus, da die Sterblichen nachfragen und uns auf die Schliche kommen würden.
Es gibt in der Tat einzelne von uns mit diesem Manko und das sind arme Teufel. Sie ernähren sich von Blutkonserven – sündhaft teuer – oder brauchen einen Begleitvampir, der ihnen die Beute „vorbereitet“.
Diese Exemplare sind eine große Belastung für ihre Familie, quasi Blutsauger mit Behinderung. Gnade mit Gott, wenn ich jetzt selbst zu einem solchen geworden bin.
Ob das mit Rosies verführerischen Duft zusammenhängt?
Andererseits habe ich noch nie gehört, dass einer von uns diese angeborene Fähigkeit verloren hat.
Von Wandlungen durch verfluchte Kostüme allerdings auch nicht. Vielleicht bin ich ja kein Vampir mehr, sondern ein Mischwesen?
Ich knirsche wütend mit den Zähnen und beobachte die Turteltäubchen weiter.
Bevor ich mir fortwährend den Kopf zerbreche, sollte ich lieber testen, wen ich von den Menschen hier steuern kann und wen nicht.
Dass beide, Bruno und diese Frau, zu den wenigen Sterblichen gehören, die einen Untoten abwehren können, erscheint mit nun doch zu viel des Zufalls zu sein.
Da muss etwas anderes dahinterstecken.