Sie schläft. Endlich Ruhe. Wie konnte sie sich so sehr verändern. Warum ist es mir niemals aufgefallen? Ich verstehe sie nicht mehr. Sie folgt mir, glaubt aber nicht daran, dass es ein Ziel gibt. Sie glaubt nicht Magie, doch dabei steckt sie selbst voller Magie. Steckte.
Ihre Veränderung hätte mir früher auffallen müssen.
Ich stelle eine Rattenfalle auf. Sollte ich vielleicht alleine weiter gehen? Tatsächlich gab es in der Vergangenheit genug Anzeichen, für die Veränderung. Doch sie ist meine Schwester.
Mein Blick schweift zu ihr, wie sie in dem einzig dunklen Teil der Höhle vor der Felswand schläft.
Dort müssen wir morgen hoch. Der Weg wir hart. Ohne sie wäre ich schneller. Zwei Ratten. Eine wird gefangen. Wenn sie nicht daran glaubt an ein Ziel anzukommen, wie soll sie es dann schaffen?
Zu gefährlich. Ich stelle die zweite Rattenfalle auf. Sie will es doch gar nicht.
Ich schnappe mir eine Decke aus dem Rucksack und lege mich zu mir. Ich kann sie nicht alleine lassen. Was auch immer es bedeutet. Aber sie ist noch immer meine Schwester.
Ich blicke nach oben. Es wäre schon deutlich leichter. Könnte einfach hochklettern. Einfach so.
Wenn ich ihr den Rucksack dalasse und mich beeile. Einfach schnell hin und zurück. Mit einem Medikament. Es würde funktionieren. Vielleicht.
Ein Rascheln ist zu hören. Ich springe auf und sehe einen kleinen Schatten weghuschen. Aber da ist noch was. Da in der Rattenfalle. Als ich da hin gehe sehe ich es. Eine Ratte in der Falle. Sehr gut. Die zweite ist entwischt. Schon wieder. Ich hole sie aus der Falle.
Die Falle nehme ich mit. Schnelle stille ich meine Hunger an der Ratte. Schließlich nehme ich noch einen Schluck aus meiner Flasche. Doch das Wasser will wieder raus, also verschwinde ich um die Ecke. Unnötiger Ballast.
Ich nehme die Falle und ein Seil aus meinem Rücksack. Die Monstermade schien weiter oben mehr geklettert zu sein, als sie durch die Erde gefressen hat. Schlecht für mich, aber hoffentlich wird die Magie auf meiner Seite sein. Ich binde die Falle an das Seil und hänge es mir um die Schulter.
Ein letzter Blick zu Anna und ich versuche mit den Händen halt zu finde. Hochziehen, meine Füße rutschen an der Wand ab, ich finde keinen Halt. Ich kann es mir nicht leisten jetzt zu versagen.
Weiter nach Rechts. Dort finden meine Füße halt. Endlich ein Stück höher, doch schon jetzt tropft der Schweiß an mir runter. Nicht hinterherschauen. Warum mache ich das hier eigentlich nochmal?
Weiter! Da oben greifen, den Fuß hinterher. Dann weiter nach Links, auf den Vorsprung. Nicht nach unten sehen. Plötzlich rutscht mein Fuß ab, ich kralle mich in die Wand. Ich höre einen Aufprall. Mist. Meine Arme brennen, aber ich ziehe mich weiter hoch. Wieso kann diese Wand so schnell ihre Höhe verändern? Eben war sie nur halb so gut.
Stück für Stück ziehe ich mich weiter hoch. Das meine nassen Hände an der Wand überhaupt noch Halt finden ist ein Wunder.
Wie gut, dass ich Anna nicht mitgenommen habe. Ich habe schon alleine Probleme mit dieser Wand.
Wie soll das den bitte zu zweit funktionieren?
Noch ein Stück. Nicht mehr weit. Mit letzter Kraft ziehe ich mich rauf. Nur noch das kleine Stück. Ich rolle über die Kante. Endlich.
Alle meine Sachen sind nass geschwitzt, doch ich habe keine anderen Sachen dabei.
Müde setze ich mich auf den Boden und blicke mich um. Kein Tunnel. Nur eine Wand. Das kann nicht sein. Ich stehe wieder auf und gehe bis zur Wand. Hier geht es nicht weiter. Eine massive Wand.
Mist. Ich trete gegen die Wand. Zu hart, denn nun tut mein Fuß weh.
Wie konnte das passieren? Ich war mir so sicher, dass er hier weiter geht. Langsam rutsche ich an der Wand runter. Hatte Anna recht? Sind es wirklich bloß Geschichten?
Ich bin am Ende, bin irgendwo im nichts.
Was habe ich denn geglaubt, was mich erwartet? Dachte ich wirklich, die Magie wird mir den richtigen Weg zeigen? Wie soll es funktionieren? Gar nicht!
Anna hatte recht. Ich gehe jetzt runter, dann gehen wir zurück. Ich war so blöd, daran zu glauben. Die ganze Zeit hat Anna es mir gesagt, doch ich wollte nicht darauf hören. Ich wollte es nicht sehen.
Zum Glück habe ich das Seil. Ich habe es geahnt, doch habe ich habe mich selbst angelogen. Und es auch selbst geglaubt. Ich wusste es, aber wollte es nicht wissen.
Tränen laufen über mein Gesicht. Ich habe Anna unnötig in Gefahr gebracht. Zwar ist bisher nichts passiert, aber...ich könnt es mir niemals verzeihen.
Ich binde das Zeit an ein Stück Fels und das andere Ende um meinen Bauch.
Vorsichtig setzte ich mich an den Rand greife das Seil und lasse mich fallen. Das Seil rutscht durch meine nasse Hand, sie wird immer heißer. Es fühlt sich an, als würde sie brennen, trotzdem greife ich immer fester zu. Endlich stoppt die Bewegung, langsam lasse ich mich immer weiter herunter.
Doch plötzlich ein Ruck; ich falle.
Ich spüre die Schmerzen in meinem Bein, als ich auf dem Boden aufkomme, das Seil noch immer fest in meiner Hand.
Der Schmerz in meinen Beinen ist unerträglich. Tränen lassen meine Sicht verschwimmen. Wo bin ich?
Plötzlich höre ich Geräusch. Fast wie ein Kratzen, doch ein solches Geräusch hatte ich bisher noch nie gehört. Was ist das?
Ich versuche mir meine Augen zu reiben, um besser sehen zu können, doch jede Bewegung war wie ein Schlag. Ich beiße mir auf die Zunge.
Verschwommen nehme ich eine große Gestalt war. Groß und lang. Verdammt lang. Wie passt dieses Wesen überhaupt durch die Tunnel? Knacken dringt an an mein Ohr. Viele kleine leise Schläge? Sind das Tritte? Was ist das?
Ich spüre wie das Wesen neben mir ist, aber immer weiter geht. Wie viele Beinen hat das Wesen?
Wieder dieses Knacken und dann verebben die Schritte.
Stille. Doch die Schmerzen bleiben.
»Max«, etwas rüttelt an meiner Schulter.
»Ahhhhhhhhhhh«, höre ich mich selbst vor Schmerzen schreien. Selbst die Wände stimmen ein; ein Konzert der Schreie. Meine Ohren schmerzen nun, aber es lenkt zum Glück von den restlichen Schmerzen ab.
Ich beiße meine Zähne zusammen; die Schreie verebben. Auf dem Bauch liegend versuche ich mich umzudrehen, um Anna zu sehen, doch ich gebe den Versuch sofort wieder auf. Keine gute Idee.
»Was ist passiert?«, fragt mich Anna, doch ich antworte ihr nicht. Ich starre nur auf das Loch in der Wand. Auf den Tunnel in der Wand. In der gleichen Wand, die ich gestern hoch geklettert bin. Woher kommt dieser Tunnel?
»Was? Was ist das?« Liegend versuche ich in die Richtung zu zeigen, doch ich stöhne nur auf.
Anna schaut mich fragend an. »Genau das wollte ich von dir wissen!«
Sie reißt an meinem Bein herum. »Lass das! Du siehst doch, dass ich Schmerzen habe!«. Doch es klingt nicht halb so bedrohlich, wie erwartetet. Auch wehren kann ich mich dagegen nicht.
Doch sie hört nicht auf und macht einfach weiter. Ich versuche meinen Kopf höher zu heben, um das Loch besser zu sehen. »Was machst du da?«, stöhne ich, als Anna plötzlich mit einem Ruck an meinem Bein zieht.
»Ich habe es aufgegeben. Aufgegeben die Logik zu suchen. Gestern willst du da noch unbedingt hoch, sagt wir müssen heute fit sein. Am nächsten Morgen liegst du hier verletzt auf dem Boden, mit einem Seil in der Hand. Bist wohl alleine hochgeklettert. Oder hast es versucht. Hatte das etwas mit deinen Ratten zu tun? Du erzählst die ganze Zeit alte Geschichten aus der Kindheit und scheinst die Märchen zu glauben. Und dann fragst du mich, wie das Loch in der Wand entstanden ist?«
Ich sehe sie vor mir, wie sie mit dem Kopf schüttelt. Kann es sein...in mir entsteht ein Verdacht, wie dieser Tunnel entstanden sein könnte.
»Und zu deiner Frage: Ich habe doch schon einmal fast sterben lassen. Tut mir Leid. Nochmal werde ich es nicht zulassen. Aufhalten kann ich dich nicht, aber ich kann dafür sorgen, dass du wenigstens nicht stirbst. Das bin ich dir schuld!«
»Wovon redest du? Und kann dir sagen was passiert ist: Es war die Monstermade. Ich habe sie gesehen!«, nun bin ich mir sicher. Das war ein Zeichen. Ich muss auf die Magie vertrauen.
»Das gleiche könnte ich dich auch fragen!«
Dieser Tunnel ist der richtige Weg. Wieder spüre ich Anna an meinen Füßen. Was macht sie da nur?
»Wir müssen durch diesen Tunnel«, da bin ich mir sicher.
»Kannst ja froh sein, dass deine Schwester dich gerade zusammenflickt«. Warum klang das jetzt so beleidigt? Habe ich was falsches gesagt? Ich verstehe sie echt nicht mehr.
»Umdrehen«, befehlt sie mir nun.
Ich fange an zu lachen. »Auf welchem Finger soll ich den Handstand machen? Kleiner Finger oder Ringfinger?«
»Ich kann dich auch hier liegen lassen! Das ist nicht lustig«
Das wird sie eh nicht. Ich konnte es nicht. Die Magie will uns beide. Warum auch immer. »Du hast angefangen«
Mit einem Ruck dreht sie mich auf den Rücken und ich stöhne auf. Erstaunlicherweise sind die Schmerzen in meinem Fuß schon deutlich besser geworden. Unerträglich, aber besser.
Jetzt sehe ich auch was sie macht: Sie hat ein paar lange Steine genommen und mit dem Seil um meine Füße gewickelt.
»Steh auf, ich muss wissen ob es funktioniert. Und aufhalten könnte ich dich wohl nicht. Aber die eine Ratte war in der Falle, doch die zweite hat sie gerettet. Nur um bei den Ratten zu bleiben«
Was hat sie jetzt auf einmal mit den Ratten.
Doch ich kann stehen. Es tut weh, jeder Schritt ist eine Qual, aber es geht. Wenn auch langsam. Schritt für Schritt quäle ich mich weiter auf den Tunnel zu.
»Muss ich jetzt alle deine Sachen tragen? Ist das der Dank?«, höre ich sie genervt von hinten. Ich muss weiter. Sie ist schneller. Sie ist noch gesund und fit.