Es riecht hier irgendwie so merkwürdig. So leicht. Der Boden fühlt sich merkwürdig an. Zu weich. Ich öffne meine Augen und werde von dem grellen Licht geblendet. Wo bin ich? Ich sollte Tod sein.
Doch das hier ist alles so weiß und grell. Ich bin nicht mehr in den Tunneln. Doch ich bin auch nicht oben. Es ist zu friedlich hier.
Langsam schwebe ich über den hellen Boden. Meine Füße sinken in den Boden, doch es fühlt sich angenehm an. Ich atme die frische Luft ein und schwebe immer weiter durch diese einsame Ebene. Mit geschlossenen Augen gehe ich weiter, fühle mich so leicht. So frei.
Aus weiter ferne klingen Töne an mein Ohr, seltsam und doch so vertraut. Fast wie das Pfeifen des Windes, nur viel schöner.
Ich lasse mich von diesen Tönen über die weite Ebene tragen, nichts ist mehr wichtig. Es ist doch alles friedlich. Immer weiter, die Töne werden immer lauter und schöner.
Rauschen von Wasser mischt sich unter die Töne. Wie kann es so schöne Orte geben und warum habe ich sie bisher nicht gesehen?
Erinnerungen tauchen auf und vermischen sich mit der Realität. Bilder, wie Max und ich uns Geschichten erzählt haben, wie wir immer in anderen Welten unterwegs waren. Die alten Geschichten gelesen haben.
Doch wo ist Max? Ist das hier der Himmel? Es würde auf die Beschreibungen passen und solange Max nicht hier ist, ist er dann wohl noch am Leben...aber das waren doch alles nur Geschichten. Oder etwa nicht?
Langsam nähere ich mit den Tönen. Ich kann die Magie spüren. Sind die Geschichten doch wahr? Aber warum hat die Magie dann versagt?
In einer Entfernung sehe ich eine Person. Sie hält etwas merkwürdiges in der Hand und pustet die ganze Zeit hinein. Vorsichtig gehe ich näher heran. Die Frau scheint zu leuchten. Wie sie dort mit geschlossen Augen steht, wie sie im Takt der Musik hin und her wippt. Woher weiß ich plötzlich, dass es Musik ist? Bei uns gibt es keine Musik.
Ich lausche ihrer Musik und vergesse alles um mich herum.
Als der letzte Ton verhallt, schaut sie in meine Richtung.
»Ich habe auf dich gewartet«, hallt ihre Stimme über die Ebene, genauso magisch wie ihre Musik.
»Wer bist du und wo bin ich?«
Sie gleitet mir entgegen. »Komm doch näher«
Vorsichtig nähere ich mir ihr. Jetzt erst sehe ich ihre wahre Schönheit. Ein weißes Kleid, so weiß wie der Boden. Ihr Gesicht sieht nicht perfekt aus, aber gerade dadurch wirkt es noch schöner. Durch die winzigen Falten, durch die lebendigen Augen.
»Lass uns ein bisschen umgehen, dann erkläre ich dir alles wichtige. Du hast bestimmt viele Fragen, aber nicht alle kann ich beantworten«
Ich nicke und wir spazieren durch die Gegend.
Gespannt lausche ich ihren Worten: »Wo du hier bist, kannst du dir wohl denken«
Ich nicke. »Ich bin wohl im Himmel«
»Genau. Du wirst dich nun bestimmt fragen, was du hier machst«
Wir gehen weiter. »Stimmt. Aber wer bist du überhaupt? Und müsste nicht Gott im Himmel sein? Wir haben es so gelesen. Max und ich«
»Die Menschen glauben tatsächlich daran. Aber es ist kompliziert. Für alle die an Gott glauben, ist hier tatsächlich ein Gott. Doch du bist anders. Du glaubst nicht an Gott. Doch du glaubst an den Himmel. Der Grund warum du hier bist«
Das klingt merkwürdig. »Heißt das, wenn ich an Gott glauben würde, wäre Gott hier? Aber ich glaube auch nicht an dich?«
Sie zwinkert mir zu. »So in der Art. Mit dem Glauben ist es sehr kompliziert. Aber der Glauben kann deine Realität verändern. Nicht immer aber manchmal. Und ich bin die weibliche Form von Gott. Für die meisten ist Gott immer männlich. Doch du bist eine Ausnahme«
Verwirrend. »Bist du also Gott?«
»Nicht direkt. Ich bin nicht Gott, aber irgendwie schon. Für dich bin ich Gott, für andere nicht«
»Ich verstehe es nicht wirklich«
Wir gehen weiter. »Das ist nicht so schlimm«, erklärt sie mir. »Ich würde es auch nicht verstehen. Dabei ist das erst der Anfang. Es gäbe noch so viel. Doch das alles kannst du nicht verstehen.
Ich sehe mich um. Noch immer ist es hier ruhig und ich bin noch niemanden begegnet.
»Warum ist hier niemand?«, frage ich nach.
»Weil du nicht daran glaubst. Und die wirklich toten sind an einem anderen Ort. Stell es dir als Zwischenstation vor. Zwischen tot und leben«
So langsam werde ich wirklich verwirrt. »Bin ich also noch gar nicht wirklich tot?«
Noch immer ändert sich nicht an der Umgebung, obwohl wir schon einige Zeit laufen.
»Nein«, antwortet sie mir. »Du bist tatsächlich noch nicht komplett tot. Eigentlich schon. Aber du bist noch nicht tot. Warum, das kann ich dir momentan nicht erklären. Vielleicht bei deinem nächsten Besuch. Aber da wird es wohl ein bisschen anders sein«
»Was«, nun bin ich völlig verwirrt. »Ich werde nochmal hier hin kommen?«
»Genau deshalb rede ich doch gerade mit dir. Du bist zwar bereit gewesen zu sterben, aber es ist noch nicht Zeit dafür. Das war wirklich faszinierend. Wie dort im Wasser standest. Wie du völlig bereit warst du sterben, weil du für etwas schuldig gefühlt hast, woran du nicht schuldig bist«
Sie schaut mich von der Seite an und wir gehen noch immer weiter ins nichts. »Ich sehe du bist jetzt schon verwirrt, deshalb nur die kurze Version: Die Magie unterliegt gewissen Schwankungen. Und du hast damals einen schlechten Tag erwischt. Doch du hast dich schuldig gefühlt. Ich fand es bisher ziemlich interessant. Wenn du jetzt deshalb sterben würdest...das geht nicht, ich könnte es nicht verantworten«
»Woher weißt du das alles?«
»Wärst du ein Charakter in einem Buch, wäre ich der Autor. Das bedeutet nicht, dass ich dich steuern könnte, aber ich kenne deine Geschichte. Ich kenne deine Vergangenheit und zum Teil deine Zukunft. Ich kenne dich, kann dich aber nicht wirklich beeinflussen«
»Eine merkwürdige Vorstellung«, stelle ich fest.
»Deshalb wissen die meisten auch nichts davon oder glauben nicht daran. Jedenfalls müssen wir langsam zum Punkt kommen. Du hast nicht ewig Zeit«
Doch sie schweigt. »Worauf warten wir dann noch?«, frage ich nach einiger Zeit nach.
»Auf dich. Ich hätte gedacht, dass er er eher erscheint. Aber du glaubst wohl tatsächlich noch der Magie. Mehr als ich gedacht hätte. Obwohl ich dich kenne, schaffst du es immer wieder mich zu überraschen. Ich meine als du Max gefolgt bist. Das war wirklich einzigartig«
»Max. Wenn du alles weißt, weißt du dann auch wo er ist?«
»Endlich«, ich höre sie aufatmen. Wir sollten bald am Ziel sein«
Verwirrt sehe ich sie an. »Jetzt hast du mich völlig verwirrt. Wo ist er denn nun?«
»Geh weiter, dann siehst du ihn«
Still gehen wir weiter. Immer weiter. Wo ist Max? Diese Frage lässt mich nicht los.
Nach einiger Zeit sehe ich ein der ferne einen Schatten.
Langsam näheren wir uns dem Schatten, als wir uns nähern erkenne ich, dass es eine Person ist, die auf dem Boden liegt.
»Ist das Max?«, frage ich nach.
»Er wurde erwischt. Und von deinem Volk umgebracht. Du solltest was gegen die Angst tun. Die Angst vor dem Feind ist schlimmer, als der Feind selbst«
»Wie konnte das passieren? Er hat doch immer davon gesprochen, dass niemals beide Ratten gefangen werden. Oder war das wieder so ein »schlechter Zeitpunkt«?«
»Dazu kann ich dir leider nichts sagen. Aber wo wir gerade von Ratten reden. Ratten können mitunter die Lösung sein. Denk daran, wenn du unten bist. Ich kann und darf dich nicht beeinflussen, aber ich kann dir den Tipp geben. Vielleicht wird es die Max noch erklären, wenn er dazu kommt. Ansonsten noch ein gutes Gelingen. Und versuch nicht zu sterben. Das jetzt ist eine Ausnahme und wird eine Ausnahme. Schließlich sind wir erst am Ende vom Anfang und noch nicht am Anfang vom Ende. Ich könnte deine Geschichte nicht für die Nachwelt niederschreiben, wenn noch nichts passiert ist«
»Was? Ich verstehe nichts mehr«, ich blicke zu Max, doch er liegt am Boden und rührt sich noch nicht.
»Sie haben ihm tolles Zeug gegeben. Das wirkt echt gut. Keine Sorge, im wird es bald besser gehen. Bist du bereit?«
Ich schüttele den Kopf: »Ja«
»Selbst wenn nicht, es wäre jetzt Zeit. Auf Wiedersehen. Kann aber von mir aus noch lange Dauern. Und denk daran: Das hier ist wirklich nur eine Ausnahme. Normalerweise kehrt keiner wieder«
Auf einmal ist sie weg, plötzlich wird es dunkel. Ich spüre nichts mehr um mich herum.
Ich spüre wie etwas an mir zerrt und lasse mich mitziehen, den wehren kann ich mich dagegen nicht.