Ich springe auf. Es ist noch dunkel, man kann nur sehen, was direkt neben einem ist. Leise atme ich die frische Luft ein. Unten war es nie so dunkel.
Ganz leise werden ihre Stimmen über die Ebene getragen. Langsam beuge ich mich herunter und flüstere Annas Namen, während ich an ihrer Schulter rüttele. Sie sind zu weit weg, um etwas zu erkennen.
Ich bedeute Anna ruhig zu bleiben und deute in die Richtung, aus der wir gestern kamen.
Fragend sieht sie mich an: »Wald«, flüstert sie mir zu und ist schon dabei sich lautlos den Rucksack zu schnappen.
»Was macht ihr da?«, brüllt eine laute Stimme entgegen, plötzlich kommt Licht uns entgegen.
»Wald!«, bestätige ich und wir sprinten los. Das Licht beginnt uns zu verfolgen, ist immer eine Schritt hinter uns. Sie haben es geschafft, das Licht zu bändigen.
Endlich sind wir im Wald, das Licht wird von den Bäumen abgelenkt. Immerhin das. Doch es scheint uns zu suchen. Wir springen über Äste, laufen immer tiefer in den Wald hinein.
Ich höre Annas Atem, das Knacken der Äste, die zerbrechen. Einige der Äste reißen mir die Haut auf, doch wir laufen weiter. Das Licht kommt immer näher.
Ich habe Seitenstiche, jeder Atemzug ist eine Qual. Sie wissen wo wir sind, denn unser Atem ist zu laut. Wir können ihnen nicht entwischen.
Auf einmal zieht Anna von der Seite an meinem Arm und reißt mich zu Boden. Nebeneinander liegen wir auf dem Boden, überall Äste. Anna kriecht vorsichtig hinter einen großen Baum, ich versuche ihr leise zu folgen, doch das ist unmöglich. Zu viele Äste die Knacken, Blätter die rascheln.
Doch das Licht scheint uns verloren zu haben. Wild leuchtet es in der Gegend herum. Es kommt auf uns zu, immer näher. Ich schiebe mich immer weiter Richtung Baum. Das Licht kommt immer näher. Endlich hinter dem Baum. Das Licht bewegt sich weiter, wieder weg.
»Wir haben es geschafft«, flüstert Anna mir zu.
Ich lehne mich mit dem Rücken an den Baum. Das Licht ist verschwunden und es ist wieder ruhig. Keine Stimmen mehr zu hören.
Ich flüstere ihr zu: »Abwarten. Ich habe ein merkwürdiges Gefühl. Wir haben es noch nicht geschafft, glaube ich«
Still warten wir. Mein Herz hämmert gegen die Brust. Ich bin bereit, jeden Moment aufzuspringen und doch bewege ich mich gar nicht. Anna scheint es ähnlich zu gehen, wie ich mit einem Blick zur Seite feststelle. Langsam greife ich ihre Hand.
»Wir schaffen das«, meint sie zuversichtlich. Ich weiß, dass wir es schaffen«
»Da sind sie«, bellt die Stimme. Ich wusste es. Aus dem Nichts tauchen von allen Seiten Menschen auf. Sie sind heller als wir. Größer.
Alle haben merkwürdige Sachen in der Hand. Fast wie Stäbe. Ein Knall zerreißt die Luft und hinterlässt ein Loch in dem Boden vor uns. Waffen. Es sind Waffen. Aber sie sehen anders aus, als in den Geschichten beschrieben. Viel aufwändiger. Außerdem haben sie Stäbe, aus denen Licht kommt. Davon stand aber nichts in den Büchern. Die sind neu.
Ich merke, dass ich noch immer Annas Hand halte. Ohne sie loszulassen, stehen wir auf, mit dem Rücken an den Baum.
»Anna. Du weißt was zu tun ist«, meine ich und schaue die Soldaten an. Hoffentlich versteht sie es.
»Die Monstermade wird kommen und euch alle vernichten«, berichte ich den Menschen. So unterschiedliche Menschen. Doch sie sehen nicht freundlich aus. Schade. Vorsichtig beuge ich mich ein bisschen weiter nach vorne. »Das wäre irgendwie schade oder nicht?«
Anna pfeift. Doch nicht passiert. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Das macht sie echt gut.
»Wenn ihr eure Gesichter sehen könntet«
Langsam drehe ich mich zu Anna um. »Die glauben doch tatsächlich daran, dass die Monstermade reagieren würde. Wie sich panisch umgedreht haben«, ich beginne zu lachen. »Das ist so lustig«
»Du hast recht«, meint sie, doch ihr Blick meint was anderes. In etwa: Was machst du jetzt schon wieder für einen Mist. Aber das weiß ich doch selbst nichts. Irgendwas um die Menschen abzulenken. Scheint ja irgendwie zu funktionieren.
»Sie wissen ja gar nicht, dass die Monstermade erst kommt, wenn Blut fließt. Erst kommt, wenn einer aus unsrem Volk in Gefahr ist. Viel wichtiger wäre doch für sie eine andere Info«
Sie nickt. »Tatsächlich. Das wäre viel wichtiger für sie. Aber wenn sie es wüssten wäre es doch langweilig oder nicht?«
Sie spielt perfekt mit. Mein Grinsen wird immer größer. Wie sie dort stehen und nicht wissen, wie sie reagieren sollen. So lustig. Wie leicht sie sich von solchen Geschichten außer Konzept bringen lassen. Vielleicht haben wir dann ja doch noch eine Chance.
»Warum dürfen sie den nicht wissen, dass wir die Zukunft kennen?«, frage ich Anna. Schau dir doch mal die Angst in ihren Augen an. Die Verunsicherung.
»Aber das ist doch gar nicht das wichtigste. Das hast du vergessen«
Ich nicke. »Das sollen sie selbst spüren. Wir wollen auch ein wenig lachen«
Die Waffen sind noch immer auf uns gerichtet.
»Jetzt«, meine ich zu Anna. »Jetzt wäre der Zeitpunkt für die erste Überraschung.
»Jetzt«, stimmt Anna mir zu.
Ich starre den größten und stärksten Mann an. Er scheint wohl der Anführer zu sein. Langsam gehe ich auf ihn zu, Anna einen Schritt hinter mir.
»Stehen bleiben!«, bellt er uns hinter seiner Waffe entgegen.
»Was wenn nicht? Sollte ich Angst haben?«, entgegne ich gelassen und gehe einen Schritt weiter.
Schon etwas ängstlicher brüllt er uns entgegen: »Stehen bleiben! Ich sage es zum letzten Mal«
Ich mache noch einen Schritt weiter in seine Richtung. Er will gerade den anderen zunicken, als ich ganz laut »Buh« rufe.
Er springt nach hinten und stolpert, doch er rappelt sich wieder auf und sprintet davon, einige der Soldaten folgen ihm.
»Jetzt« rufe ich Anna zu und wir laufen in die andere Richtung.
Auf einmal werde ich zur Seite geschubst und wir landen gemeinsam auf dem Boden.
»Ihr haltet euch wohl für besonders schlau. Denkt ihr, ich falle darauf rein? Ich?«
Mein Gesicht wird auf die Wiese gepresst, Anna scheint er ähnlich zu gehen. Ich höre einen kurzen Aufschrei, dann werde ich an den Haaren hochgerissen. Sie zerren an meinen Armen und binden sie auf dem Rücken fest. Verächtlich spuckt der Mann neben mir auf den Boden.
Wir werden hochgehoben und weggetragen, doch ich kann Anna nicht sehen. Ich versuche den Kopf zu drehen, doch es funktioniert nicht.
Irgendwann erreichen wir ein Haus und sie legen uns gemeinsam in einen dunkeln Raum. Die Hände noch immer auf dem Rücken gefesselt liegen wir auf dem harten Boden.
»Irgendwie fand ich das jetzt lustig. Hast du den Typen gesehen? Wie der gerannt ist, als ich Buh gesagt habe? Das war so lustig«
»Wie kannst du dir darüber Gedanken machen?«, fragt Anna mich.
Ich versuche näher an Anna heran zu rutschen. »Aber du musst doch nicht immer alles negativ sehen. Genieß den Moment. Der ist besonders. So etwas wirst du nie wieder sehen«
Anna schüttelt nur den Kopf. Doch es ist mir egal. »Ich meine wie sie reagiert haben, als ich von der Monstermade erzählt habe. So viel Angst in ihren Blicken«
Anna stöhnt auf. »Angst? Das einzige was sie sich gedacht haben ist, dass du völlig verrückt bist. Das war doch keine Angst« Sie verdreht ihre Augen. »Angst. Sie haben nur überlegt, wie verrückt du wirklich bist«
»Du musst aber zugeben, dass es fast funktioniert hat«, erkläre ich ihr. Sie versteht es nicht. Das muss es man genießen.
»Aber nur fast. Was bringt es uns, wenn wir nun hier gefangen sind?«
»Spaß?«, fragend sehe ich sie an und muss lachen. »Vielleicht hast du recht. Aber nur ein klein wenig. Der Spaß ist wichtiger«