Es gibt für alles eine vernünftige Erklärung. Wieso kletterte er hoch? Wollte es mich etwa alleine lassen? Doch jetzt kommt er alleine nicht mehr voran. Jetzt braucht er meine Hilfe. Ich kann ihn nicht alleine lassen. Ich bin schuld. Doch dieses Mal werde ich es besser machen. Dieses Mal werde ich ihn retten.
Er humpelt vor mir in den neuen Tunnel. Es gibt bestimmt eine logische Erklärung für diesen Tunnel. Manchmal bewundere ich seinen Willen. Seinen Glauben. Selbst diese Verletzung kann ihn nicht aufhalten.
»Ist das der Dank?«, rufe ich ihm hinterher. Aber ich habe es verdient. Schließlich bin ich selbst schuld. Schnell packe ich alle Sachen ein und nehme seinen Rucksack auf meinen Rücken. Meiner bleibt hier – ist seinem sind viel mehr nützliche Dinge.
Da er nur langsam voran kommt, hole ich Max in dem Tunnel ziemlich schnell wieder ein.
Doch dafür, dass er so verletzt ist, ist er trotzdem ziemlich schnell. Ich will seinen Arm stützen, doch er zieht ihn wortlos weg und humpelt einfach weiter. Das muss doch wehtun! Wie kann damit überhaupt laufen? Ich habe versucht, die Beine zu schienen, aber nicht sonderlich gut. Doch er lässt sich nichts anmerken, geht einfach immer weiter durch diesen Tunnel. Hier sind die Wände noch ziemlich glatt, weisen aber leichte Kratzspuren auf.
Wortlos quälen wir uns weiter durch diesen Tunnel. Die letzten Tage bin ich so weit gelaufen, meine Beine schmerzen. Doch solange Max weiterlaufen kann, werde ich nicht nach einer Pause fragen. Ich will hier so schnell wie möglich wieder weg. Es fühlt sich merkwürdig an, hier unterwegs zu sein.
Ein leises Rauschen ist zu hören. Mit jedem Schritt wird das Rauschen etwas lauter.
»Hörst du das?«, frage ich Max.
»Ja«, ich höre wie er sich anstrengen muss. Seine Atem ist schwer, angestrengt. Aber solange er weitergeht und wir hier weg kommen; irgendwas ist hier. Ich fühle mich hier unwohl, bedroht, weiß aber nicht wieso.
»Hoffentlich ist das Wasser«, keucht Max. Das Rauschen wird immer lauter. Und es klingt wirklich nach Wasser. Das ist nicht gut. Wasser ist nicht gut. Wasser könnte das alles zerstören.
Doch wir gehen weiter. Nichts zu sehen, doch doch das Rauschen wird immer ohrenbetäubender.
Ich spüre die erhöhte Luftfeuchtigkeit. Obwohl ich schon vorher am schwitzen war, wird es nun immer schlimmer. Es scheint schon am mir herunter zu laufen.
Nur noch um die Ecke. Der Boden ist so glatt wie Eis. Eis ist selten, nur manchmal friert Wasser ein.
Wasser spritzt an meine Füße. Ein Wasserfall. Mist. Wir müssten hindurch gehen, um weiter zu kommen. Doch Max würde das nie tun. Ich bin Schuld.
Warum hat sich Max eigentlich noch nicht beschwert? Ich drehe mich zu ihm um, doch da ist niemand. Das Tosen des Wassers durchdringt meinen Kopf, der Sprühnebel verschlechtert die Sicht.
Max ist weg. Er würde doch niemals so weit in Richtung des Wassers gehen. Das würde er nie tun! Ich renne zurück, falle, doch stehe sofort wieder auf.
Das Rauschen des Wassers wird leiser, ist fast nicht mehr zu hören. Doch ich sehe Max nicht. Wo ist er hin? So weit zurück kann er doch gar gelaufen sein?
Ich renne zurück, doch hier ist er nicht. Schon wieder stehe ich vor dem Wasserfall. Max und Wasser. Düstere Bilder tauchen in meinen Gedanken auf. Wasser vermischt sich mit Tränen. Damals. Ich habe der Magie vertraut. Ich habe ihm gesagt, dass er der Magie vertrauen soll. Doch die Magie hat versagt. Ich hätte es Wissen müssen. Langsam gehe ich einem Schritt weiter. Das Wasser schlägt auf meine Schulter und meinen Kopf. Ich atme Wasser ein, muss husten. Doch ich bleibe stehen. So also hat sich Max damals gefühlt. Er muss die selbe Panik empfunden haben. Der Druck in meiner Lunge steigt, die Schläge des Wassers werden immer härter. Doch ich habe es verdient. Max ist weg. Ich huste, doch dadurch atme ich nur noch mehr Wasser ein. Meine Lungen sind dem zerplatzen nahe, die Schläge auf dem Kopf werden schmerzhafter. Aber es ist in Gegensatz zu dem, was ich verdient hätte. Langsam sinke ich ich immer tiefer, bis ich irgendwann auf dem Boden liege. Es wird dunkler, das Bild einer Ratte in einer Falle ist das letzte, dass ich sehe. Vielleicht hatte er doch recht.
Stille. Völlige Stille macht sich breit.