Jeder Schritt ist eine Qual. Doch ich muss weiter. Jetzt wo mir die Magie den Weg gezeigt hat. Der Tunnel scheint heller zu sein. Ich kann schon die frische Luft spüren. Nicht mehr lange.
Ich laufe schneller, obwohl jeder Schritt ein Feuer freisetzt. Immer schneller.
Meine Beine knicken ein, ich falle. Doch ich ziehe mich mit den Armen. Die Luft wird immer frischer. Hinter dieser Abzweigung ist es. Ich kann es hören. Der Lärm wird lauter. Viel zu laut, wie können sie dort leben? Mühsam ziehe ich ein Stück weiter. Ich schließe meine Augen. Bilder tauchen auf. Grausame Bilder. Bilder voller Panik. Schlimmer als die Schmerzen. Plötzlich ist Wasser über mir, Wasser in meiner Lunge. Wasser überall. Wie damals. Ich muss hier weg!
Ich spüre etwas und halte mich daran fest. Lasse es nicht mehr los. Genau wie damals.
Anna! Wo ist sie? Bestimmt ist sie zurück gegangen. Alles verschwimmt, wird unwichtig.
Ich spüre Druck auf meiner Brust und muss husten, doch es kommt Wasser, keine Luft.
»Er wird wach. Was macht er hier?«
Wenn das wach ist. Ich kann nicht einmal meine Augen öffnen. Und wer sind die?
»Wir sollten ihn mitnehmen und gemeinsam entscheiden, was wir mit ihm machen«
»Gute Idee«, meint eine andere Stimme. »Da sein Bein. Was ist das? Das sollten sie sich mal ansehen«
Wieder die erste Stimme: »Passt auf die Beine auf. Auf drei. Eins. Zwei. Drei«
Ich spüre wie sich mit hochheben, doch ich bin zu weit weg. Ich schaukel hin und her, doch es ist mir egal.
Irgendwann werde ich abgelegt. Noch einige Zeit bewegen sie sich um mich herum und machen irgendwas mit meinen Beinen, bis sie nach einiger Zeit verschwinden und Ruhe herrscht.
Hier riecht es irgendwie anders als erwartet. Es riecht noch nach Höhle. Gar nicht so frisch. Ich öffne die Augen. Ich bin in einem dunklen Raum. Wie unter der Erde. Ich richte mich auf dem Bett auf, dem einzigen Möbelstück in diesem Raum. Meine Beine schmerzen noch immer, sind aber schon deutlich besser geworden. Sie haben meine Beine behandelt. Zum Glück.
Ich kann stehen, wenn auch wackelig. Immerhin keine Schmerzen.
Langsam gehe ich zur Tür und versuche sie zu öffnen, doch sie ist zu. Mist. Nicht mal richtig oben und schon gefangen. Fängt ja gut an. Aber was habe ich erwartet? Also setzte ich mich
Die Tür geht auf und zwei Wachen kommen rein.
»Mitkommen!«, bellen sie mir zu. Ich sollte machen was sie sagen. Wer weiß, was sie vorhaben.
Also stehe ich auf und folge den beiden.
Sie bringen mich in einen andern Raum. Irgendwie sieht hier alles aus wie unter der Erde.
Ich setzte mich auf den Stuhl, an der anderen Seite des Tisches sitzt bereits eine weitere Person.
Meine beiden Begleiter bleiben neben der Tür stehen, doch die Person vor mir bedeutet ihnen den Raum zu verlassen. Die Tür knallt zu und hinterlässt Ruhe. Alleine hätte ich keine Chance gegen ihn. Und hier raus würde ich nicht kommen. Wohin sollte ich dann gehen?
Ich brauche erst Informationen. Wenn er nicht anfangen will, dann mache ich es.
»Wo bin ich?«, frage ich ihn.
»Ich stelle hier die Fragen«, erklärt er mir, noch freundlich. Aber ich kann da etwas spüren.
»Warum stellst du dann keinen Fragen? Worauf wartest du? Das ich hier tot vom Stuhl falle? Ich habe nicht ewig Zeit. Ich habe zu tun. Also«, ich stehe und auf und will zur Tür gehen.
»Du kommst hier nicht raus. Also kannst du dich wieder setzten«, meint er nur, bleibt ansonsten aber unbewegt.
Trotzdem versuche ich die Tür zu öffnen, aber wie erwartet. Abgeschlossen.
Ich setzte mich wieder in. »Schade. Einen Versuch war es wert. Worauf warten wir noch?«
Doch er bleibt ruhig, still wie ein Stein. Jetzt hat er gezwinkert. Warum starrt er mich so an?
»Du hast Zeit. Du kommst hier auch nicht mehr raus. Je eiliger du es hast, desto schneller wirst du sterben«
Ich schüttel den Kopf. »Abwarten«
Sein Mund bewegt sich, er grinst. »Ich würde ja mit dir Wetten, aber wenn du tot bist, kannst du deine Schulden nicht mehr bezahlen. Wäre also sinnlos«
»Was passiert, wenn ich überlebe?«, frage ich ihn.
Er beginnt zu lachen, bleibt aber still. Nach einiger Zeit meint er: »Wenn du es tatsächlich schaffst zu überleben, dann hast du einen Wunsch bei mir frei«
»Um dich daran zu erinnern, sozusagen als geheimes Zeichen, bringe ich dir eine Ratte. Sobald also eine Ratte auf diesem Tisch liegt, hast du einen Wunsch zu erfüllen. Ich denke das klingt fair«
»Von mir aus. Dazu wirst nicht nicht kommen. Du wirst sterben und das wird vergessen. Ich denke mit dem Tod bist du genug bestraft«.
Einzige Zeit herrscht Stille, bis er irgendwann meint: »Ich mag deine Art. Dein Auftreten. Irgendwie tut es mir leid, dass du sterben wirst«
»Warum hilfst du mir dann nicht? Ich will meine Welt retten«
»Deine Welt«, er lacht. »Es ist auch meine Welt. Und wie willst du hier die Welt retten?«
Er hat doch keine Ahnung. »Nein! Das hier ist deine Welt, nicht meine«
»Und genau das ist der Grund warum du sterben willst«
So langsam wird es wirklich aussichtslos. Aber ich lasse mir meine Verzweiflung nicht anmerken.
»Also warum bin ich hier?«
Schon wieder lacht er. »Genau das gleiche wollte ich dich fragen. Warum bist du hier?«
Er versteht es nicht. »Ich suche nach einem Medikament gegen eine Krankheit, die unten ausgebrochen ist«, erkläre ich ihm.
»Von der Krankheit habe ich tatsächlich schon gehört. Aber was suchst du hier?«
»Ich weiß nicht einmal wo hier ist, wie soll ich diese Frage beantworten«
Er schüttelt ganz kurz den Kopf, verfällt dann wieder in seine Starre. »Du bist hier und weißt nicht, wo du bist? Was ist dein Ziel?«
»Ich bin doch schon längst am Ziel«, ich schaue ihm die Augen und lehne mich nach vorne. »Ich wollte nach oben. Ein Medikament besorgen. Sobald ich es habe, bin ich weg«. Ich lehne mich wieder nach hinten. Tatsächlich ist in seinem Gesicht ein kurzer Schock zu sehen, doch sofort verfällt es wieder in die alte Starre.
»Interessant. Du glaubst also daran. Das hätte ich von dir nicht erwartet. Fast eine Enttäuschung«, fast unmerklich bewegt er seinen Kopf nach unten und wieder zurück »Leider kann ich dir dabei nicht helfen. Und da du keine Berechtigung hast hier zu sein, bin ich dazu verpflichtet meinen Pflichten nachzukommen«
»Was sind das für Pflichten?«, frage ich nach. Vielleicht gelange ich an Informationen. Solange wir reden, gewinne ich Zeit. Auch wenn ich nicht weiß wofür.
»Diese Pflichten«, er bewegt sich nach vorne, »Diese Pflichten besagten, dass ich jeden Unbefugten, zu denen zu gehörst, abhalten muss nach oben zu gelangen und mit dem Tod bestrafen muss. Da du nach oben willst, kann ich hier keine Ausnahme machen und das würde ich auch nicht tun. Auch wenn ich dich mittlerweile fast sogar mag. Aber nur fast«
»Was? Ich bin gar nicht ganz oben?«, verwirrt blicke ich mich um.
»Süß«, er lehnt sich wieder nach hinten, »Was hättest du denn gedacht? Ich würde sagen das Gespräch geht nicht mehr lange«
Bevor ich etwas sagen kann, geht die Tür auf und die beiden Wachen kommen rein.
»Wenn du ruhig bleibst, dann wird dir nichts passieren. Du wirst sterben, klar. Aber wenn du durchdrehst, wird es deutlich schmerzhafter. Und das wäre schade. Kann auch alles ruhig ablaufen«
Er sitzt noch immer auf seinem Stuhl. Eine winzige Bewegung seines Kopfes und ich spüre die beiden Wachen auf mich zu kommen. Hier komme ich nicht weg. Ich sitze in der Falle. Falle. Das bedeutet Anna wird es schaffen. Schließlich wurden niemals beide Ratten gefangen.
»Zum Glück nur eine Ratte in der Falle«, erkläre ich ihm mit einem Grinsen und stehe auf.
Solange Anna am leben ist. Sie ist bestimmt nicht umgedreht, sondern weiter vor gelaufen. Sonst hätte sie ja an mir vorbei laufen müssen. Sie wird es schaffen, das spüre ich.
Lustig sein verwirrter Blick. Rückwärts laufe ich Richtung Tür. »Die zweite Ratte erwischt ihr nicht. Egal was ihr tut. Was bringt euch eine Ratte in der Falle, wenn die andere alleine viel mehr Schaden anrichten kann?«
»Ratten interessieren mich nicht«
»Auch in Ordnung«, ich verschwinde durch die Tür.
Die Wachen packen mich an den Schultern und ziehen mich durch die Tunnel. Ich kannte das Risiko. Doch ich habe mich dazu entschieden. Ich wusste was mich erwartet. Doch ich wollte es versuchen, selbst wenn ich sterben sollte. Das habe ich mir geschworen. Und jetzt ist es wohl so weit. Ich habe mein bestes gegeben.
Die Soldaten bringen mich wieder in meine Zelle und befehlen mir mich aus Bett zu setzten. Die Tür schlägt hinter ihnen zu. Ich bin zu erschöpft, um ernsthaft Widerstand leisten zu können.
Aus dem Nichts zaubert der eine einen Becher hervor.
»Das musst du trinken. Freiwillig oder sollen wir dich zwingen?«
»Gibt es keine andern Weg?«
»Nein!, meint der andere bestimmt.
Dann gibt es her. Ich stehe auf und spüre wieder einmal meine Beine. Schlimmer als diese Schmerzen kann es nicht sein, denke ich mir und schnappe mir den Becher. Ich habe keine Wahl. Also kippe ich ihn in einem Schluck runter.
Langsam werden meine Augen immer schwerer, ich werde müde. Der Schmerz verschwindet. Ich sinke auf den Boden. Die Dunkelheit ruft mich. Langsam gleite ich in ihre Arme, die mich mit einer wohligen Wärme empfangen.