»Wen hast du jetzt schon wieder mitgebracht?«, fragt der Mann Emma.
»Du klingst so, als würde ich jeden Tag jemanden mitbringen«, stellt Emma fest.
Langsam kommt der Mann auf uns zu. »Hallo ich bin Daniel«
»Lass sie sich doch zuerst einmal frisch machen. Sie sind völlig durchnässt und brauchen mal eine kurze Pause«, ruft Emma ihm von hinten zu und erscheint plötzlich mit Handtüchern wieder.
»Ich sehe es doch«, erwidert Daniel.
»Dort hinten ist das Bad«, Emma deutet auf eine Tür. »Macht euch frisch und dann gibt es genug zu Besprechen«
»Ich verstehe immer noch, warum ihr uns helft«, erkläre ich ihnen.
»Du muss nicht immer alles verstehen«, meldet sich Max zu Wort. »Bestimmt haben sie einen Grund. Obwohl es schon merkwürdig ist. Aber das werden sie es uns sicher gleich erklären. Jetzt würde ich jedoch gerne...«, er deutet auf die Tür und ich nicke. Also verschwindet er hinter der Tür und ich bin mit den beiden alleine.
Ich versuche mich mit dem Handtuch abzutrocknen, doch wirklich funktionieren will es nicht.
Einige Zeit stehe ich mitten im Raum und fühle mich fehl am Platz. Langsam bildet sich an meinen Füßen eine Pfütze auf dem Teppich. Warum haben die Teppich? Das ist sehr unpraktisch.
Was soll ich hier machen?
»Du kommst klar?«, fragt Emma mich. »Wir müssen kurz was vorbereiten«
Ich nicke und die beiden verschwinden in einem anderen Raum. Trotzdem bleibe ich auf der Stelle stehen. Ich will nicht den Rest des Raumes nass machen. Alles ist voll gestellt. Ein ganzes Regal voll mit Büchern. Voller bunter Bücher. Ich habe noch nie so viele Bücher auf einmal gesehen.
Bücher erinnern mich immer an damals. Irgendwie sind wir damals an Bücher gestoßen. Ich weiß gar nicht mehr genau wie. Bücher bei uns sind wirklich selten. Das waren die einzigen Bücher, die ich jemals gesehen habe. Sie sahen so alt aus, waren gar nicht bunt.
Wie wir uns immer heimlich weggeschlichen haben, um in diesen Büchern zu lesen. Keiner sollte das wissen. Doch ich hätte niemals gedacht, dass diese Welt wirklich interessiert. Ich habe mir immer vorgestellt, wie es hier wohl sein würde, wie es sich anfühlen würde hier zu sein. Wie ich hier die Umgebung erkunden würde. Und jetzt bin ich hier. Viel zu beschäftigt, viel zu kaputt, um diese Welt wirklich wahrnehmen zu können. Viel zu viel passiert. So vieles ist schon passiert, ich kann s gar nicht alles verstehen. Es ist fast wie ein Traum.
»Du kannst nun«, unterbricht mich Max aus meinen Gedanken. Er hat andere Kleidung an, sieht viel frischer aus. Fast wie einer von denen.
»Ähm, ja klar«
Langsam bewege ich mich in Richtung des Raumes, ohne dabei Max aus den Augen zu lassen. Er sieht so anders aus. So fremd und doch irgendwie vertraut. Wie kann er sich in der Zeit so sehr verändern? »Du siehst besser aus«, murmele ich ihm zu und schließe vorsichtig die Tür.
Alle Wände sind weiß, dort ist eine Dusche und daneben ein großes Ding. Sieht ein bisschen aus, als könnte man sich reinlegen.
Mein Gesicht lächelt mich an. Ich sehe wirklich kaputt aus. Dreckig kaputt, am Ende. Daneben liegt Kleidung.
Zuerst gehe ich auf das Klo, dann ziehe ich mich aus und stelle mich in die Dusche. Das Wasser läuft an mir herunter und nimmt den Dreck mit. Ein tolles Gefühl. An meinem Füßen sammelt sich dunkles Wasser; es fühlt sich an, als würde mit dem Schmutz auch der Druck von mir ablösen.
Doch jetzt merke ich auch, wie lange wir schon nichts mehr gegessen haben und wie müde ich eigentlich bin. Es ist immer etwas passiert, sodass ich es völlig verdrängt habe.
Am liebsten würde ich für immer unter diesem Wasser stehen.
Doch ich trockne mich ab und ziehe mir die Sachen an, die dort stehen. Wann haben sie die Sachen dort hingelegt? Sie passen mir, also mache ich mir darüber keine Gedanken.
Ich schaue in den Spiegel. Ich sehe müde aus. Frisch aber viel zu müde. Und tatsächlich muss ich jetzt auch gähnen. Aber noch viel dringender will ich etwas essen.
Ich öffne die Tür und sehe alle drei auf der Couch sitzen.
»Ich werde mal schauen, was ich dazu alles finden kann«, meint Daniel zu Max.
»Wozu?«, frage ich, doch keiner antwortet.
»Ich hole mal das Essen«, meint Daniel und verschwindet.
Emma bedeutet mir mich hin zu setzten.
Max steht auf und ruft Daniel hinter: »Warte ich helfe dir«. Schon ist auch Max verschwunden.
Unsicher, wie ich reagieren soll, setzte ich mich auf die Couch.
»Danke, dass ihr uns helft«, bedanke ich mich bei Emma.
»Ihr habt bestimmt eine harte Zeit hinter euch. Morgen werden wir euch alles erklären. Ich kann die anderen einfach nicht verstehen. Was haben sie gegen euch?«
Ich zucke mit den Schultern. »Sie mögen uns einfach nicht. So war es schon immer«
Emma beugt sich ein bisschen nach vorne: »Ihr seid schon irgendwie besonders. Anders als die meisten von uns. Mehr so ehrlich«
»Kannst ruhig verrückt sagen. Aber da sind wir eher eine Ausnahme. Der Rest ist eher so, ein bisschen verklemmt irgendwie«, erkläre ich hier.
Emma schaut mich verwundert an. »Aber die hier sind doch genauso. Warum dann diese ganzen Differenzen?«
Ich erinnere mich an einen Satz, den mir die Göttin erzählt hat: »Die Angst vor dem Feind ist schlimmer, als der Feind selbst«
»Stammt der Satz von mir«, fragt Max, der gerade mit mehreren Tellern herein kommt.
Doch Emma antwortet: »Ihr wart ziemlich lange weg«
»Nein, das Zitat stammt tatsächlich nicht von dir«, beantworte ich seine Frage.
»Schade, hätte ja sein können. Aber dann hätte ich mich daran sicher erinnert. Aber den Spruch habe ich tatsächlich noch nicht gehört«
Max reicht mir einen Teller; Daniel reicht Emma einen Teller.
»Wenn es immer so leicht gehen würde«, meint Emma lachend zu mir.
»Das wäre toll«, stimme ich ihr zu. »Was ist das auf meinem Teller?«
»Das«, meint Max, »Das ist diesmal keine Ratte. Diesmal ist es wirklich Monstermade«
»Was?«, Emma schaut entgeistert zu Max und ich fange an zu lachen.
»Das ist eine lange Geschichte«, beginnt er und schaufelt sich etwas Essen in den Mund.
Auch ich versuche mir diese langen gelben Dinger in den Mund zu schaufel, doch es funktioniert nicht direkt. Endlich gelangen sie in meinen Mund. Sie schmecken unbeschreiblich. So anders, als alles was ich bisher gegessen habe und sie sind so heiß, die kann man ja gar nicht richtig Essen. Aber sie sie sind so lecker.
»Ist leider nur was einfaches«, entschuldigt sich Daniel. »Für mehr war jetzt leider keine Zeit mehr«
»Aber es ist lecker«, antworte ich mit leerem Mund und stopfe mir noch mehr in den Mund.
Still essen wir weiter, jeder ist auf sein eigenes Essen konzentriert.
Lange Zeit sagt keiner ein Wort, nur das klappern der Teller ist zu hören. Ich fühle mich wohl, trotz dieser Stille. Vielleicht auch wegen dieser Stille. Die beiden sind schon fast wie eine Familie, obwohl ich sie gar nicht kenne. Fremd und trotzdem so vertraut. Wie Emma immer Daniel anschaut, wie sich Max und Daniel auch schon ohne Wort verstehen zu scheinen.
Ich stelle meinen leeren Teller auf den Tisch, die anderen ihre hinzu.
»Ich bin schon ziemlich müde und würde jetzt gerne schlafen«, teile ich den anderen mit.
»Ich ebenso«, meint Max.
Wir stehen auf. »Ich zeige euch noch euer Zimmer. Müsst euch nur leider ein Zimmer teilen«, erklärt Daniel uns.
»Nicht schlimm«, erwidert Max und wir folgen Daniel.
Schon lasse ich mich ins Bett fallen und sinke in der Matratze ein. In Sekundenschnelle bin in eingeschlafen.