Namen:
Luca kauerte auf einem kleinen Hocker im weißen Gang. Das einzige Licht stammte von flackernden Neonröhren, denn das ganze Gebäude lag unter der Erde. Ab und zu kamen Menschen vorbei, die fast ausnahmslos weiße, graue oder schwarze Kleidung trugen. Sie starrte Luca, Amy und Tobias, der inzwischen einen Leihrollstuhl hatte, neugierig an, sprachen aber nicht mit ihnen. Elaine und Elizabeth hatten ihnen gesagt, dass es klüger wäre, nicht mit diesen Leuten zu sprechen.
Als sich die Tür öffnete, sprang Luca sofort auf.
„Ist er wach?“
„Ja“, sagte Elizabeth zu seiner Überraschung und winkte ihn, Amy und Tobias in das Krankenzimmer. Hier stand nur ein einziges Bett, neben dem die blonde Elaine stand. Lizzy setzte sich neben Sam, der mithilfe mehrere Kissen aufrecht saß.
Lucas Meister hatte graue Ringe unter den Augen und eine fahle Gesichtsfarbe. Trotzdem lächelte er wie ein kleiner Junge, als die drei eintraten.
„Ihr seht gut aus!“
Luca sagte nichts. Sie trugen weiße Einheitskleidung mit einem grau-schwarzen Wappen auf der Brust, das er nicht kannte. Amys Hand war in einen Verband gewickelt, der dennoch nicht verbergen konnte, dass ihr ein Finger fehlten. Luca humpelte noch, obwohl die Wunde von der Bärenfalle erstaunlich schnell verheilte. Nur Tobias trug keine Spuren ihres Kampfes mehr.
„Hab gehört, ihr seid jetzt offiziell unsere Schüler“, sagte Sam zur Begrüßung.
„Echt?“, fragte Luca.
„Du solltest dich nicht zu sehr freuen“, warnte Elizabeth. „Sam bleibt nämlich dein Meister, und deswegen kann er auch deinen Namen auswählen.“
Luca war verwirrt. „Meinen … meinen Namen?“
„Alle Wächter tragen Decknamen“, erklärte Elaine jetzt. „Schon allein, um unsere Familien zu schützen. Aber auch, weil die wahren Namen anderen Wächtern Macht über dich verleihen – und man weiß nie, wann das jemand ausnutzen will.“
„Ihr werdet wenigstens eine Weile hier leben“, fuhr Elizabeth fort. „Ich weiß nicht, wann ihr nach Hause zurück könnt. Deswegen ist es besser, wenn ihr Decknamen tragt.“
Luca tauschte einen Blick mit Amy und Tobias.
„Okay“, sagte er. Wenn er ehrlich zu sich war, hatte er fast gehofft, noch mehr von Sams Welt zu sehen. Nur vielleicht nicht den Teil mit den mordlustigen Dämonen.
„Gut, und wie nennen wir sie?“, fragte Sam grinsend.
„Nun, es ist offensichtlich, dass die drei später ein Team bilden werden“, grinste Elizabeth. „Wie wäre es mit Harry, Ron und Hermine?“
„Was?“, schnappte Amy. „Auf keinen Fall!“
„Oder vielleicht Tick, Trick und Track?“, fragte Sam.
Elaine versetzte beiden einen leichten Klaps. „Seid nicht so fies!“
„Okay. Amy ist deine Schülerin. Welche Idee hast du denn für sie?“, fragte Elizabeth herausfordernd.
Luca hörte, wie Amy schluckte.
Elaine sah Amy an. „Gefällt dir Kassandra?“
„Ähh“, brachte Amy hervor. „Ist okay. Denke ich.“
„Du wirst den Namen von jetzt an offiziell tragen“, erklärte Elaine ihr. „Manche Wächter haben mehrere Decknamen, aber den, den du von deinem Meister erhältst, wirst du nie wieder los.“
„Genau wie `Samstag´“, knurrte Sam in diesem Moment.
Elaine nickte. „Später bekommst du einen Nachnamen, wenn du als volle Wächterin giltst.“
„Hey, mir ist ein Name eingefallen!“, grinste Sam plötzlich und sah Luca an. „Du bist ab jetzt Mortimer.“
„Mortimer?“, fragte Luca entgeistert. „Was ist das denn für ein Name?“
„Spitzname Mo“, grinste Samstag schadenfroh. „Das kann man leicht brüllen, wenn du in Gefahr bist.“
Elizabeth schenkte Luca einen mitleidigen Blick. „Das tut er allen seinen Schülern an. Nur bei den fünf Mädchen hatte er keine Chance, weil er sie von einem anderen Team übernommen hatte.“
Luca versuchte, sich den Namen Mortimer für sich vorzustellen. Es wollte irgendwie nicht klappen. Aber immerhin hieß er nicht Freitag oder so.
Jetzt blieb nur noch Tobias. Der schrumpfte unter Elizabeths nachdenklichem Blick in sich zusammen.
„Wir haben also Kassandra und Mortimer. Dann fehlt noch was kurzes, knackiges“, überlegte sie. „Kassandra, Mortimer und Bämz!“
„Bämz?!“, wiederholte Tobias.
„Naja, was Kurzes eben.“
„Oder man nimmt Kassie, Mo und Bämz. Funktioniert auch super“, warf Sam ein.
Tobias krallte die Hände in die Lehne seines Rollstuhls.
„Rick? Max? Buck?“, überlegte Lizzy. Tobias schüttelte wild den Kopf.
„Per! John! Sten!“, schlug Sam vor.
„Oder Newt“, meinte Elaine.
„Blaze!“, rief Elizabeth und Tobias hob den Kopf wie eine Katze, die den Dosenöffner hört.
„Ja, Blaze!“, lachte Samstag.
Tobias wirkte nicht allzu unglücklich.
„Kassandra, Mortimer und Blaze. Klingt doch nach einem eindrucksvollen Team“, meinte Elaine.
Luca hob vorsichtig die Hand. „Ähm. Was genau ist ein Team?“
„Na, eine Gruppe von Leuten“, sagte Elizabeth. „Sam, Lay und ich, – und Nirfy, die ist gerade auf einem Auftrag – wir sind Team „Kittehz of Doom“. Wir arbeiten gemeinsam, fast wie eine Familie.“
„Eine Familie mit einem lächerlichen Namen“, murmelte Elaine halblaut.
„Und die anderen, die am 13ten mit uns gekommen sind, das war das Team „Game of Life“. Piek Mauskat, Xeri Mauskat und Andy Hill. Teams bestehen meistens aus drei bis fünf Personen“, erläuterte Elizabeth, ohne Elaines Einwand zu beachten.
„Müssen wir uns etwa auch so einen Namen überlegen?“, fragte Amy.
„Das hat Zeit, bis ihr eure Ausbildung abgeschlossen habt. Falls ihr wirklich für so lange Zeit hier bleiben wollt. Aber ja, dann braucht ihr einen Namen, und zwar einen, der noch niemals vergeben war“, teilte Sam ihnen mit.
„Na prima. Und wie lange dauert so eine Ausbildung?“
Die Kittehz of Doom bekamen mit einem Mal recht ausdruckslose Gesichter.
„Och, so zehn Jährchen“, meinte Elizabeth schulterzuckend.
„Zehn Jahre?!“, entfuhr es Luca, Amy und Tobias gleichzeitig.
„Drei Jahre in der Grundausbildung, fünf Jahre gemeinsam mit dem Meister in der speziellen Ausbildung, die eure Stärken und Schwächen erprobt, ein Jahr voller Abschlussprüfungen und ein Jahr Praktika, um euren späteren Beruf zu finden“, zählte Elaine auf.
Luca schluckte. „Ich werd nicht mehr. Zehn Jahre?“
„Solange ihr alle Prüfungen besteht“, sagte Elizabeth. „Und die sind verteufelt schwer.“