Flucht zum Tor:
Karo rannte, was ihre Beine hergaben, doch Kassie, Mo und Blaze waren schneller. Karos Finger glitten von dem Griff des fremdartigen Rollstuhls und sie fiel zurück. Kassie streckte eine Hand aus und umklammerte Karos Handgelenk.
„Bleib nicht stehen!“, brüllte die Rothaarige ihr zu.
Karo antwortete nicht. Ihre Rippen schmerzten und sie sparte sich die Luft zum Rennen.
Plötzlich bremste Blaze so abrupt, dass Karo in den Rollstuhl hinein lief. Alle Luft wurde aus ihren Lungen gequetscht, sie ächzte laut.
„Was?“, fragte Mortimer.
„Ich sehe was auf dem Bildschirm“, erklärte Blaze und deutete auf einen Bildschirm, den er wie einen Handydisplay in der Hand hielt. „Vor uns ist etwas. Etwas Großes. Und es bewegt sich.“
„Na super“, brummte Mortimer und beugte sich mit Blaze über den Bildschirm. „Scheiße, das ist wirklich groß!“
„Sag ich doch“, meinte Blaze. „Es versperrt uns den Ausweg.“
Blaze, Mo und Kassie tauschten schweigende Blicke. Karo hatte wie schon früher das Gefühl, von einer Unterhaltung zwischen den dreien ausgeschlossen worden zu sein.
„Ich kann es vielleicht ablenken“, sagte Blaze dann. „Ihr könntet vorbei rennen und -“
„Auf keinen Fall. Was, wenn es dich erwischt?“, fragte Kassie. „Wir gehen doch wohl davon aus, dass es dieses Monster aus dem Park ist – dann ist es schnell.“
Blaze tätschelte den Enthinderer. „Ich bin schneller.“
„Nein“, sagte jetzt auch Mo. „Wenn, dann bringen wir es um. Aber Blaze kann den Köder spielen, das stimmt schon.“
„Du ermutigst ihn auch noch?“, fuhr Kassie ihn an. „Blaze ist doch noch ein Kind!“
„Hey, ich kann euch hören!“, Blaze verschränkte die Arme vor der Brust.
Karo drehte sich um, denn hinter ihr im Nebel erklang ein langer, klagender Ruf.
„Was auch immer ihr vor habt, könnten wir uns bitte damit beeilen?“
Kassie, Mo und Blaze sahen auf, verdutzt, als hätten sie Karo oder die Geister bereits vergessen.
„Hast du denn einen Plan?“, wandte sich Karo an Mo.
Der zog aus seiner Tasche ein Metallding in Fledermausform, das etwas an einen dicken Bumerang erinnerte. „Ich habe den Seilwerfer.“
„Und ich habe noch eine Pistole“, meinte Kassie mit spöttischem Unterton. „Wie hilft uns das?“
„Ich habe sieben Alptraum-Hunde“, meldete sich Blaze, „und den Enthinderer.“
„Angeber“, sagten Kassie und Mo unisono.
Blaze ließ den Motor knurren. „Ich spiele den Köder. Wohin soll ich das Ding denn locken?“
„Wir bräuchten einen Gang zwischen Häusern“, meinte Mo, der seinen Seilwerfer in der Hand wog. „Ich kann ihm hiermit den Weg abschneiden. Wenn Kassie schießt, sollten die Hunde gleichzeitig angreifen.“
Karo schluckte. „Ihr wollt das wirklich durchziehen? Bei dem Nebel und allem?“
Die drei anderen grinsten. „Natürlich.“
Karo schüttelte den Kopf und fuhr dann zusammen, als sie etwas am Bein spürte, doch es war nur eine verirrte Plastiktüte.
„Und … und wenn euch etwas passiert?“
„Dann haben wir Pech gehabt“, Mortimer zuckte mit den Schultern. „Blaze, siehst du auf deinem Super-Computer 'ne gute Stelle?“
„Hier führen einige Wege zum Torplatz, aber der Gang hier ist am längsten“, erklärte Blaze. „Ich … kann nur die Hausdächer sehen, das heißt, ich weiß nicht, ob wir in der Gasse nicht Besuch haben.“
„Ich kann vorgehen und die Gasse leer räumen“, bot Kassie an.
Mo nickte. „Ich komme mit, wir müssen die Falle vorbereiten.“
„Dann hole ich unseren großen Freund ab“, meinte Blaze. „Ich gebe euch … zehn Minuten?“
„Fünfzehn“, meinte Kassie, dann sah sie Karo an. „Und du?“
Karo schluckte. Sie hatte die Wahl zwischen einer schrecklichen Verfolgungsjagd mit einem riesigen Monster oder dem Betreten einer Gasse, über die sie nichts wusste, außer, dass es gefährlich sein könnte und besagtes großes Monster dort auftauchen würde.
„Ich bin raus“, sagte sie mit dünner Stimme. Ihre Finger zitterten. „Ich schaffe das nicht.“
Die anderen tauschten einen Blick.
„Ich weiß nicht, wie ihr so mutig sein könnt!“, platzte Karo heraus. „Ich will nur noch nach Hause!“
„Schon gut“, meinte Kassie. „Du bleibst bei uns und hältst dich bedeckt.“
„Wir würden ja sagen, dass wir dich in einem Bunker abwarten lassen, bis alles vorbei ist“, fügte Mo hinzu, „aber es gibt hier leider keinen Bunker. Du musst einfach mitkommen und die Ruhe bewahren.“
Karo nickte und versuchte, irgendwie tapfer zu sein. Mit weichen Knien folgte sie Mo und Kassie in den Nebel, während Blaze hinter ihnen zurück blieb.
Sie fühlte sich so elend, dass sie weinen könnte.
Nach einer Weile wurden sie langsamer.
„Hier müsste es sein“, murmelte Mo.
Kassie nickte. „Hört ihr es? Die Gasse ist nicht verlassen.“