Die Krawallerie ist da!:
"Halt!"
Der Motor der Limousine erstarb, während Kassie, Mo und Max sich zum Ursprung der Stimme umdrehten. Aus einer schmalen Seitengasse der zerstörten Stadt, etwa zwanzig Meter vor der noch parkenden Limousine, erklang Hufgetrappel und Staub wallte auf. Aus der grauen Wolke schälten sich, Seite an Seite, zwei große Kaltblüter, der eine schneeweiß, der andere grau gesprenkelt mit schwarzer Mähne.
Auf dem Rücken des grauen Tieres saß die schwarz gelockte Anna van Helsing. Sie war es auch gewesen, die den Ruf ausgestoßen hatte. In den Armen hielt sie eine gespannte Armbrust.
Auf dem weißen Pferd an ihrer Seite ritt Andy Hill, der die hellbraune Matilde an einem Strick mit sich führte. Kassie hätte vor Erleichterung weinen können: Die Wächter waren angekommen!
Asmodai und Ifrit stiegen mit langsamen Bewegungen aus dem schwarzen Wagen. Die Augen der beiden Dämonen glitzerten gelb und lösten sich nicht von der Spitze des Bolzens in der gespannten Armbrust. Trotzdem wirkten die Halbgeschwister noch selbstsicher, als wäre selbst Annas Auftritt Teil ihrer Show.
"Was willst du hier?", fragte Asmodai herablassend. Die schwarzen Wölfe, die ihm nun auf's Wort gehorchten, waren wie aus dem Nichts neben ihm erschienen. Sie traten aus dem Schatten des Wagens hervor, obwohl Kassie wusste, dass der Platz dort bis vor Kurzem noch leer gewesen war.
"Euer Spiel ist aus", warnte Anna die beiden Dämonen. "Lasst die Schüler und Zivilisten gehen."
Ifrit grinste teuflisch. "Es gibt keine Zivilisten mehr zu retten, Anna. Tut mir leid."
Die kalten Augen der schwarzhaarigen Kriegerin zeigten keine Reaktion. Kassie rückte vorsichtig näher zu Mo.
"Wenn du uns nun bitte aus dem Weg gehen würdest?" Asmodais ungehaltener Tonfall ging nahtlos in ein tiefes, unmenschliches Grollen über, das die sieben schrecklichen Wölfe sofort aufnahmen. Feuer züngelte plötzlich um die Gestalten von Ifrit und Asmodai, doch die Halbgeschwister wurden nicht verbrannt. Es war ihre eigene Magie, die in den Flammen Form annahm.
"Hört auf, Widerstand zu leisten, dann lassen wir euch laufen", sagte Anna.
Asmodai lachte. Seine Stimme hallte widernatürlich laut von den Gebäuden wieder. "Was sonst?"
"Ergebt euch", verlangte Anna. "Dann könnt ihr zurück in eure Heimatwelt kriechen. Oder wir greifen an und töten euch."
Jetzt lachten beide Geschwister schallend. Kassie und Mo tauschten einen beunruhigten Blick, Max feixte siegessicher.
"Du kannst uns nichts tun!", japste Ifrit schließlich. "Der Bund des Blutes, schon vergessen?"
"Und dein Techniker-Schoßhündchen ist nun wirklich keine Herausforderung!" Asmodai zwinkerte Andy Hill zu, bevor er ernst wurde. "Geh uns aus dem Weg, Anna. Du hast hier nichts verloren. Geh, und wir vergessen deine Unverschämtheit, in unsere Tour einzudringen."
"Ihr vergesst da etwas", meldete sich eine neue Stimme, die hinter ihnen erklang. "Forderungen stellt immer die Partei, die an Stärke überlegen ist."
Alle fünf, Kassie, Mo, Max, Asmodai und Ifrit, wirbelten herum.
Sie hatten sie nicht kommen hören, vielleicht hatte auch Annas Stimme das Hufgeräusch übertönt. Kassie und Mo jubelten, denn sie hatten Sams Stimme schon erkannt. Ihr Freund saß in Samsungs Sattel mitten auf der Straße, mit seinem üblichen Kotzender-Smiley-T-Shirt und gleich drei Regenschirmen, die ihn wie einen Aquaphoben aussehen ließen. Zu seiner Seite saßen einmal Elizabeth und Elaine in den Sätteln ihrer Pferde, auf der anderen Seite Xeri und Piek auf dem Vollblut Luzifer. Sie alle hielten Waffen in den Händen. Elaine deutete mit einem langen Stock auf die beiden Dämonen, dessen Spitze in hellen Flammen stand. Elizabeth hatte eine Pistole erhoben. Xeri deutete mit einem kurzen Stöckchen auf Ifrits Brust und Piek vor ihr im Sattel hielt eine Sammlung bunter Kreisel im Schoß.
Kassie war noch nie zuvor so froh gewesen, einem derartig bunten Haufen zu sehen. Jetzt, sagte sie sich, war die Tour vorbei und sie könnte nach Hause - beziehungsweise, zurück in die Wächterschule.
"Gebt auf", verlangte Anna van Helsing wieder. "Oder meine Freunde vernichten euch."
Asmodais Blick huschte zu Ifrit. Plötzlich veränderten sich die schwarzen Wölfe, wuchsen an und knurrten so bedrohlich, dass der Boden zitterte. Kassie griff nach Mortimers Arm und gemeinsam wichen sie zurück.