Babysitter:
Die anderen drei trödelten herum und fielen auf das Angebot an Süßigkeiten herein wie alberne Kinder. Max sah zu, dass er fort kam. Mit schnellen, wütenden Schritten ließ er Karo und die beiden Gäste - welche Namen auch immer sie nun tragen mochten, ihm war es egal - weit hinter sich.
Dass selbst Ifrit, die für ihn doch schon eine Privatlehrerin war, ihn nicht vorgewarnt hatten, hatte ihn verunsichert. Warum musste er jetzt genau wie die Tourgäste um sein Überleben bangen? Klar, er hatte seine neuen Fähigkeiten, doch diese hatte er noch nie im Kampf erprobt. Was dachten sich die Geschwister dabei, ihn so unvorbereitet ins kalte Wasser zu werfen?
Angst nagte an Max' Eingeweiden. Wenn Ifrit nun seiner überdrüssig geworden war, sich langweilte, und ihn loswerden wollte? Er konnte nicht darauf vertrauen, dass sie ihn schonen würde.
Nun näherte er sich dem Rand eines comichaften Wäldchen aus übergroßen Süßigkeiten. Diese ganze Welt war überaus albern.
Max erstarrte, als er im Wald vor sich eine Bewegung bemerkte: Etwas Großes schob sich zwischen den vielfarbigen Stämmen hindurch - nein, nicht etwas Großes, sondern eine lange Schlange von etwa menschensgroßen, flachen Wesen.
Max blieb stehen und vernahm ein Geräusch wie von marschierenden Soldaten, vermischt mit einem lauten Geraschel, das nicht nur aus den Baumkronen zu kommen schien.
Er machte einen Schritt nach hinten. Unter seinem Fuß zerbrach ein herabgefallener Riesenlutscher.
"Wer ist da?", kreischte eine hohe Frauenstimme. "Eindringlinge! Fangt sie! Tötet sie! Hackt ihnen den Kopf ab!"
Die ganze Kolonne der schmalen Wesen - Max erkannte nun, dass es Spielkarten waren, mit Armen und Beinen und Helmen, wo die Köpfe sein könnten - wendete und marschierte mit beängstigender Schnelligkeit auf ihn zu.
Max machte auf dem Absatz Kehrt und floh. Mit einer Armee absurder Riesenkarten wollte er sich nun wirklich nicht anlegen.
Während er auf die Wiesen rannte, registrierte er, dass es hier keine Deckung für ihn gab. Er sammelte seine Kräfte und ballte Energie in seiner Hand, um sie dann nach hinten zu werfen. Eine Glaswand wuchs hinter ihm aus dem Gras. Einige der Spielkarten rannten in vollem Lauf in das unsichtbare Hindernis, doch weitere strömten einfach um die schmale Wand herum. Max hatte nicht die Zeit gehabt, eine wirklich große Wand zu erschaffen.
Er sah, wie hunderte und tausende der seltsamen Wesen aus dem Wald strömten, ein Meer aus Weiß und Rot. Die Karten brüllten einstimmig einen wortlosen Schlachtruf, der den Boden erzittern ließ.
Max richtete den Blick wieder nach vorne und erkannte, dass er direkt auf die drei anderen zulief. Während Karo vor Angst wie versteinert aussah, rannten Amy und Luca ihm auch noch entgegen. Amy hatte zwei Pistolen in der Hand.
"Noch eine Scheibe!", schrie Luca im Rennen und gestikulierte auf eine Stelle, die neben der ersten Scheibe stand, allerdings ein Stück weiter weg.
Max wurde langsamer - nicht viel, denn die ersten Karten waren nah bei ihm - und ließ eine weitere Glasscheibe in den Himmel wachsen.
Luca - oder Mortimer, die Namen gingen Max immer noch am Hinterteil vorbei - warf einen länglichen, silbrigen Gegenstand. Noch im Flug schossen zwei dünne, schwarze Seile aus dem Ding und verankerten sich in den Glassäulen auf Kopfhöhe.
Die Karten, die unbeirrt weiter vorwärts rannten, verloren ihren Helm an dem Seil und fielen dahinter leblos auf den Boden.
Amy/Kassie feuerte die Pistolen ab, und soweit Max sehen konnte, traf beinahe jeder Schuss einen Helm und fällte eine Karte. Nun hatten die beiden ihn erreicht und blieben zu beiden Seiten von ihm stehen, völlig auf ihre Aufgabe konzentriert. Max fühlte den Dolch, der hinten in seinem Hosenbund steckte. Es wäre so leicht, er könnte es hier und jetzt beenden - für Luca und Amy war er schon fast unsichtbar.
Doch er brauchte sie, um die Kartenwesen zu erledigen. Und außerdem glaubte er langsam, dass seine Anwesenheit in dieser Welt ein Test war, den er nicht dadurch bestand, dass er Asmodai und Ifrit den Spaß verdarb.
Er ließ den Dolch also, wo er war und wich stattdessen mit Kassie und Mo Schritt für Schritt vor dem Ansturm zurück, bis sie Karo erreicht hatten. Hier riss Max die Arme hoch und der Boden unter ihren Füßen begann zu beben.
Es kostete ihn viel Kraft. Es fühlte sich an, als wolle er den Himmel ein Stück anheben, doch in Wahrheit erschuf er eine Glassäule, die das Stückchen Erde (oder wohl eher Nougat), auf dem sie standen, in den Himmel hob.
Trotzdem schienen seine Schultern zerbersten zu wollen. Er ächzte vor Anstrengung, aber dann standen sie auf einer Glassäule von etwa zehn Metern Höhe, um deren Fuß ein Meer von Kartenkriegern spülte.
Vorerst waren sie in Sicherheit.