Zurück in der Hölle:
Der Park blieb auch weiterhin stumm. Blaze rollte in seinem Enthinderer als erster über die leeren Wege. Er hatte darauf bestanden, die Vorhut zu übernehmen. In seinem neuen Rollstuhl fühlte er sich zuversichtlicher, mutiger. Als könnte ihn nichts aufhalten, oder wenigstens, als könnte er eine drohende Gefahr etwas länger überleben als die anderen, die nicht mit einem feuerkräftigen Panzer ausgerüstet waren.
Sie hatten die berühmte militärische Form der Traube gebildet, was bedeutete, dass Mortimer, Kassie und Karo sich beinahe auf die Füße traten, so dicht drängten sie sich hinter Blaze' Rolli zusammen.
Sie hatten beschlossen, es ähnlich zu machen wie bei ihrem ersten Besuch im Park, namentlich, dass sie eine Luftaufnahme machen würden, um eine Karte und damit eine Übersicht zu haben. Um nicht allzu berechenbar zu sein, schlugen sie nicht den Weg zum Riesenrad ein, sondern zu einer Achterbahn, deren größter Looping hoch über den Park hinaus führte.
„Es ist echt still“, murmelte Karo beunruhigt.
„Mir gefällt das auch nicht“, meinte Amy. „Ich rechne jeden Moment mit schreienden Psycho-Clowns.“
„Beschrei es nicht, bitte“, murmelte Mortimer. „Wir sind gleich da.“
Tatsächlich fanden sie schon hinter der nächsten Biegung den Eingang zur Achterbahn vor.
„Verdammt, die ist das!“, fluchte Mortimer plötzlich.
„Was?“, fragte Amy.
„Hier war ich bei der ersten Tour mit Samstag“, erklärte Mortimer. „War nicht lustig. Überhaupt nicht.“
„Das will ich dir glauben. Seid ihr etwa dafür verantwortlich, dass die Strecke da hinten einfach abgebrochen ist?“
„Ja“, sagte Luca. „Es war wirklich überhaupt nicht lustig.“
„Hmm“, machte Blaze nachdenklich. „Kassie, kannst du mir bitte mal die Bedienungsanleitung reichen?“
„Ähh, und wo ist -“
„Hinten, an der Rückenlehne.“
Kassie fand die Bedienungsanleitung für den Enthinderer und reichte sie ihm. Blaze blätterte durch das dicke Heft. „Hier, Bergsteigermodus. Für mich sollte die Strecke kein Problem sein. Nur … ich glaube, ihr müsst hier warten.“
„Kein Problem!“, beeilte sich Mo zu sagen. „Wir halten die Stellung.“
Er salutierte sogar lässig.
„Ja, ich habe auch keine Lust, fünfhundert Meter über dem Boden an deinem Rolli zu baumeln, nichts für ungut“, sagte Kassie.
Damit war es beschlossen. Die drei Gehenden bildeten Rücken an Rücken ein Dreieck und stellten sich auf die offene Grasfläche unter der Achterbahn. Blaze fuhr die Greifarme seines Enthinderers aus und das Gerät hangelte sich agil wie ein Affe nach oben.
Er erreichte den höchsten Looping und machte den Fehler, nach unten zu sehen. Sein Magen wollte sich umdrehen. Die Welt lag wirklich, wirklich tief unter ihm. Mit zitternden, schwitzigen Händen zog er seinen Sender heraus und warf einen letzten Blick in das Handbuch.
Der heulende Wind schlug die Seite um und Blaze sah erstaunt auf eine Anleitung, wie er eine Kamera anbringen könnte, die Live-Bilder an seinen Enthinderer übertrug.
„Was kann dieses Teil eigentlich nicht?“, fragte er halblaut und klammerte sich mit einer Hand an die Schienen der Achterbahn. So ganz vertraute er dem Klettermodus dann doch nicht. Sein Herz raste, während er die Kamera nach Anleitung an die Schienen schraubte und ausrichtete.
Die Schienen erzitterten. Alarmiert sah Blaze sich um, doch offenbar war es nur der Wind gewesen. Trotzdem war ihm vor Angst schwindelig und er fürchtete sich davor, dass er das Bewusstsein verlieren könnte. Er befestigte die letzte Schraube, wobei er mit dem Daumen schrauben musste.
Dann lenkte er den Enthinderer nach unten, trotz aller Angst übervorsichtig und langsam.
Kassie, Mo und Karo warteten noch genau dort, wo er sie zurückgelassen hatte.
„Was hat so lange gedauert?“, fragte Mo scherzhaft, wurde aber ernst, als er Blaze erblickte.
„Oh mein Gott, du bist ja totenbleich! Sind wir umzingelt?“, fragte Kassie und nahm sein Gesicht in ihre Hände wie es Blaze' Mutter früher öfter getan hatte.
Er schüttelte den Kopf. „Alles ist still. Das ist nur die Höhenangst.“
„Warum hast du denn nichts gesagt?“, fragte Kassie vorwurfsvoll. „Es hätte auch einer von uns hochklettern können.“
„Entweder hättet ihr es nicht geschafft, oder ich hätte ohne Enthinderer hier unten warten müssen“, sagte Blaze. „Das hätte uns leicht angreifbar gemacht, wir hätten nicht fliehen können.“
Kassia schüttelte trotzdem den Kopf. „Nur, weil du jetzt dieses Ding hast, musst du nicht die schlimmsten Aufgaben übernehmen. Du bist der Jüngste von uns, Blaze. Vergiss das nicht!“
„Ich verspreche, dass ich das nicht vergessen werde“, sagte Blaze widerwillig.
„Und, was hast du jetzt herausgefunden?“, drängte Mo neugierig.
Blaze grinste wieder und zeigte ihnen die Kamera, die von oben ihre Position zeigte.
„Was ist das für ein Nebel?“, fragte Kassie und deutete auf den Bildschirm.
„Tja … naja“, sagte Blaze und schaute hin. „Bis eben war der noch nicht da!“