Vorbereitung:
Während Tobias, Amy und Luca – Blaze, Kassandra und Mortimer, wie sie jetzt hießen – auf ihre jeweiligen Meister warteten, hörten sie die gedämpften Stimmen von Sam und Elizabeth durch die geschlossene weiße Tür. Trotzdem konnten die drei Schüler in der gewaltigen, klinisch weißen Turnhalle fast jedes Wort verstehen.
„Wir können sie dort nicht alleine hinschicken! Ifrit und Asmodai werden sie zerreißen!“
„Sam, wir sind nicht eingeladen. Die Nox-Geschwister wollen spielen. Wenn wir ihre Regeln brechen, machen wir alles nur noch schlimmer“, widersprach Lizzy.
Natürlich ging es darum, dass Tobias und die beiden anderen zurück in die Hell-Hopping-Tour mussten. Tobi gefiel der Gedanke kein bisschen. Amy und Luca waren beide blass, denn seit ihrem Alptraum hatten sie kein Auge mehr zugemacht. Es begann schon wieder!
Und diesmal wäre Sam nicht bei ihnen.
Der Streit brach ab und eine neue Stimme erklang. Tobias konnte nichts von den Worten verstehen, erkannte aber, dass es die Stimme eines Mannes war.
Wenig später öffnete sich die Tür und herein kamen sechs junge Erwachsene.
Sam, Elaine und Elizabeth kannte Tobias bereits. Auch der blonde Mann und die beiden Frauen waren ihm vertraut, denn die drei hatten bei ihrer Rettung mitgewirkt. Die eine war recht unscheinbar, mit hellbraunen Locken und einer großen Brille, nicht hübsch und nicht hässlich. Die zweite war wie ein Pfau, trug die Haare bunt gefärbt, und war als einzige nicht in eine Variation der grau-schwarzen Uniform gekleidet, sondern immer noch in ein ärmelloses, weißes Oberteil und eine zerrissene Jeans – allerdings nicht dieselben wie bei der Rettungsaktion. Dazu trug sie eine Menge an Armbändern und Ketten, die bei jedem Schritt klimperten.
„Piek Mauskat“, stellte Sam sie vor, dann deutete er auf das unscheinbare Mädchen, „und ihre Schwester Xeri. Das hier ist Andy Hill. Ihr kennt euch zu mindestens flüchtig.“
Andy Hill schließlich hatte eine blonde Surferfrisur und unter dem grauen Hemd zeichnete sich ein muskulöser Körper ab. Er war gebräunt und hatte ein strahlend weißes Lächeln.
Außerdem schob er etwas, das auf den ersten Blick wie ein Folterwerkzeug aussah: Es rollte, war schwarz und rot bemalt und besaß unzählige Spitzen und Metallteile, die zu allen Seiten hin abstanden. In der Mitte des Apparates befand sich ein Sitz aus schwarzem Leder.
„Blaze, richtig?“, fragte Andy, ließ den Apparat stehen und reichte Tobias eine Hand.
„J-ja“, sagte er etwas zögerlich. Die ganze Sache mit den neuen Namen war mehr als gewöhnungsbedürftig.
Andy Hill lächelte ein strahlendes Lächeln: „Ich habe ein Geschenk für dich. Wenn du dich kurz los schnallen könntest.“
Verwirrt löste Tobias die Gurte seines Leihrollstuhls. Andy hob ihn so mühelos auf, als würde Tobias nicht mehr als ein Hund wiegen, und trug ihn zu der Mordmaschine. Vor lauter Entsetzen klammerte Tobias sich an Andy, als dieser ihn auf den Ledersitz setzte.
„Du kannst loslassen, kleiner Mann!“, lachte Andy und nahm Tobias damit die Angst. Erstaunt stellte Tobi fest, dass das Leder ungemein bequem war, obwohl der Sitz für jemanden konzipiert schien, der erwachsen war. Tobias fühlte sich winzig, umgeben von dem ganzen Metall.
„So, schnallen wir dich mal an“, murmelte Andy und befestigte erst einen Hüftgurt, dann zwei Schultergurte, die sich wie ein Rucksack um die Arme legten und schließlich noch zwei Gurte an den Füßen.
„Deine Beine funktionieren überhaupt nicht, ist das richtig?“
Tobias nickte und merkte, wie der Rest der Gruppe ihnen gespannt zusah. Inmitten der Aufmerksamkeit fühlte er sich wieder wie ein Freak. Er hasste es.
Andy drückte ein paar Hebel. Der Sitz unter Tobias verschob sich, dann strafften sich die Gurte. Tobias schluckte.
Als letztes hob sich eine Art Plattform mit Pedalen, die zuvor bei seinen Füßen gewesen war, unter den Rollstuhl. Ein Widerstand zwischen Tobias Knien, der ihm mehr Sicherheit bieten sollte, öffnete überraschend eine Klappe, in der sich eine Art Joystick verborgen hatte. Zwei ähnliche Griffe schoben sich plötzlich zu beiden Seiten der Armlehnen nach oben.
„Tadaa!“, sagte Andy und trat zurück.
Samstag grinste. „Cool!“
„Was ist das?“, fragte Luca spitz.
Andy grinste Tobias an. „Greif mal die Steuerknüppel. Nein, nicht den in der Mitte. Den darfst du nur im Notfall drücken!“
Tobias umschloss die beiden Joysticks an den Armlehnen. Andy trat nochmal zu ihm und klappte den Mittelhebel weg. „Der startet die Schleudersitz- oder die Selbstzerstörungsfunktion, je nachdem, welchen roten Knopf du drückst.“
„Selbstzerstörungsfunktion?“, piepste Tobias.
Andy nickte. Er trat wieder zurück. „Du startest mit dem rechten Knüppel.“
Tobias drückte einen großen Knopf auf dem Kopf des Joysticks. Mit einem Knurren erwachte ein Motor an der Maschinerie zum Leben. Der ganze Apparat ruckelte und vibrierte. Von hinter Tobias klappte eine Plexiglasscheibe nach vorne.
„Ach, ganz vergessen!“, Andy sprang erneut nach vorne und drückte Tobias einen Lederhelm auf den Kopf, der unter dem Kinn geschlossen wurde, und schob ihm dann eine Schutzbrille über die Augen. „Sorry. Kann losgehen. Du steuerst die Bewegung mit dem rechten Knüppel.“
Ganz sachte drückte Tobias gegen besagten Joystick und das ganze Gefährt setzte sich in Bewegung. Luca und Amy sprangen hastig zur Seite.
Tobias beschrieb einen kleinen Kreis.
„Sehr gut. Mit dem linken Knüppel steuerst du nur die Fahrerkabine.“
Auf Andys Anweisung drehte sich Tobias einmal um die eigene Achse, während die Räder unter der Maschine still standen. Dann zeigte ihm Andy, wie man mithilfe einer kleinen Schalttafel zwischen verschiedenen Modi umschaltete. Einmal klappten mehrere Gewehrrohre unter Tobias aus dem Inneren des Apparats, bei einem anderen Modus schoben sich Metallteile von allen Seiten über ihn und kesselten ihn ein. Das Ding konnte sich auch in einen schlanken Roboter verwandeln. Dann streifte Tobias Fahrerkabine beinahe die Decke, und er konnte mit den langen Metallarmen greifen, die Füße allerdings nicht bewegen. Am liebsten war ihm aber die Funktion, bei der der Sitz nach hinten rutschte, ein anderer zwischen seinen Beinen erschien und er sich nach vorne lehnte, während sich der Apparat schnaufend und surrend in ein Motorrad verwandelte.
„Der Kampfmodus, der Schutzmodus, der Arbeitsmodus und der Jagd- oder Fluchtmodus“, erklärte Andy stolz.
„Du hast an alles gedacht“, meinte Elaine bewundernd.
„Drück mal den Knopf mit dem Kreuz drauf!“, rief Andy.
Tobias tat wie geheißen. Mit lauten Knacken sprangen zwei Metallrohre vor jedes Licht, das an dem seltsamen Gefährt angebracht war. Die unterschiedlichen Scheinwerfer strahlten in jede Richtung und malten Schattenkreuze auf die Wände und den Boden.
„Geschützt gegen Vampire und Dämonen“, grinste Andy.
„Da wird man gleich neidisch“, brummte Elizabeth. „Mein Schüler hat bessere Ausrüstung als ich!“
Andy trat vor und deutete auf Tobias in seinem Wagen.
„Das, liebe Freunde, ist der EnthindererTM! So genannt, weil er all die Hindernisse überwindet, die einen Rollstuhlfahrer im Alltag – und im Kampf – behindern.“ Andy klang ein wenig wie der Sprecher einer Dauerwerbesendung, doch Tobias sah, dass die Begeisterung ehrlich war. „Er kann Treppen steigen, hochgelegene Orte erreichen und Geschwindigkeiten aufbauen, von denen die normalen Menschen nur träumen. Außerdem hat er eine eingebaute Toilette. In diesem Gerät ist niemand mehr behindert!“
Die Erwachsenen und schließlich auch Amy und Luca spendeten Beifall. Tobias schaffte es, sein neues Gefährt so zu neigen, dass es einer Verbeugung ähnelte. Während der Motor unter ihm röhrte und bebte, fühlte er sich plötzlich kein bisschen unwohl mehr. Er grinste und rückte seine Schutzbrille zurecht. Zum allerersten Mal fühlte er sich wie jemand, der Blaze hieß.
Im Stillstand ließ er den Motor aufbrüllen.
„Er will mit dem Training beginnen“, grinste Elizabeth.