Fight Fire with Fire:
Der Enthinderer fuhr kurzzeitig nur auf einem Reifen, als Blaze um die Kurve schoss. Max wappnete sich innerlich, als Milo dem Rollstuhl in die wahnwitzige Schräglage folgte.
Der Boden kam ihnen auf einer Seite bedenklich nah. Max spürte Hitze im Rücken, als der Feuerdrache eine gewaltige Flammenwolke durch die Gasse hinter ihnen jagte. Die Hitze drang auch durch den Metallschild, den Max sich geformt hatte.
Es war knapp gewesen. Trotzdem fühlte er nichts: Keine Angst, keine Panik … vielleicht eine milde Beunruhigung, während er sich überlegte, ob sie noch rechtzeitig zu dem Gebäude kamen, das sich als brauner, wimmelnder Klotz vor ihnen erhob.
Ratten … insgeheim musste er Metschta zu dem Einfall gratulieren. Ratten waren nicht nur höchst intelligent, sondern besaßen auch kräftige Zähne, die so gut wie jedes Material durchtrennen konnten. In der Masse waren sie eine beeindruckende Gefahr, und da sie so viele, kleine Tiere waren, waren sie schwerer zu töten als die Drachen. Jede Wunde, die man dem Schwarm beibrachte, wurde sofort geschlossen.
Hinter ihnen krachte es, als der Drache die Kurve nicht schnell genug nachvollzog und seitlich gegen ein Gebäude prallte, das mehr oder weniger in sich zusammen fiel. Eine Staubwolke wallte auf, aus der der Drache herausgeschossen kam. Max starrte in das gewaltige, aufgerissene Maul. Der Drache hatte schon einige Verletzungen davongetragen und schien langsam aus der Puste zu kommen. Die Flammenstöße wurden immer seltener, gleichzeitig aber kraftvoller. Offenbar bereitete der Drache das Feuer vor – indem er einatmete oder was auch immer – bis er eine Möglichkeit sah, zu treffen. Dann spie er so viel Feuer, wie er angesammelt hatte.
Max hatte eine Idee: „Milo! Fahr in Schlangenlinien!“
Er selbst streckte den Arm aus und ließ ein feines Spinnennetz aus Glas in der Luft erscheinen, noch eines und noch eines – langsam zehrte die Magie an seinen Kräften. Er spürte auch, wie der andere Arm müde wurde, mit dem er sich an Milo festklammerte und versuchte, auf dem bockenden Rad nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Doch er musste den Drachen verwirren und den nächsten Flammenstoß so lange wie möglich zurückhalten.
„Mo!“, kreischte Blaze über das Headset. „Ihr müsst da weg!“
Max gönnte sich einen Blick nach vorne, um die Lage einzuschätzen. Er entdeckte den Rest ihrer Gruppe, der auf mehreren dünnen Seilen vor und über dem Gebäude hockte, wie Wäsche, die man zum Trocken aufgehängt hatte. Mortimer war bereits dabei, sie in Sicherheit zu bringen, indem er immer den untersten Seilwerfer löste und nach oben brachte, während die anderen kletterten, was das Zeug hielt. Mos Treppe wurde immer steiler und steiler, bis die Gruppe geradewegs nach oben kletterte.
„Wir müssen den Drachen tiefer bringen!“, fluchte Blaze.
Max rollte mit den Augen. Ihnen blieben noch wenige Meter, vielleicht fünfzig oder hundert, um den Drachen irgendwie zu manipulieren. Er ließ eine Kette aus Metall in seine Hände gleiten, Glied um Glied, während er fühlte, wie irgendein innerer Kern dagegen protestierte: Er nutzte zu viel Macht, das war ihm selbst klar. Trotzdem warf er die Kette, als wäre es ein Lasso. Das Metall schlang sich, von ihm manipuliert, um einen Zahn des Drachen. Ein kräftiger Zug – nicht nur verhinderte Max damit einen Flammenstrahl in letzter Sekunde, der Drache sackte auch mit einem Knurren nach unten.
„Ausscheren. Ausscheren, Leute, jetzt!“, bellte Liam über das Funkgerät.
Blaze schoss zur einen Seite, Milo riss das Motorrad zur anderen. Der Drache, blind vor Wut, öffnete das Maul und spie Flammen. Die Rauchwolke seines Odems machte ihn für einige Sekunden blind. Wertvolle Sekunden, während der das Biest unter den Seilwerfern hindurch schoss und in das von Ratten übersäte Gebäude krachte.
Ein Brüllen und ein vielstimmiges Quieken erhob sich. Das Gebäude brannte vom Drachenatem, Ratten und Trümmerteile regneten auf den Boden. Die kleinen Nagetiere stürzten sich auf den neuen Feind, der Drache wurde unter Schutt und bisswütigen Ratten begraben.
Milo fuhr weiter, denn um sie herum regnete es brennende Trümmerteile. Max riss den Metallschild hoch. Er spürte, wie seine Kräfte ihn verließen. Das war unangenehm, wie konnte er an neue Macht kommen?
Milo verlor die Kontrolle, als der Reifen auf irgendeinen Widerstand traf. Max umschlang den Körper des anderen und warf sich nach oben, direkt in die Schale ihres Feuerschutzschildes hinein.
Sie schlitterten auf dem Schild über die Straße und kamen zum Halten. Das Motorrad bockte, überschlug sich und schlug in die Mauer eines Gebäudes ein.
Max stand auf und klopfte sich Staub von der Hose. Dann streckte er eine Hand aus, um Milo auf die Beine zu helfen.
Der andere Junge zitterte unkontrolliert und sah ihn nur verständnislos an. Max seufzte und sah sich um.
Der Drache war von dem Gebäude begraben worden, der Rattenschwarm im Feuer verbrannt, die Überlebenden verschwanden in dunklen Winkeln. Mortimer erschuf eine Rutsche aus den Seilwerfern, die er mit dem Skateboard nach unten rauschte, gefolgt von Liam, Eve und Karo. Kassie hatte den schnelleren Weg gewählt und glitt mit den Flügeln nach unten. Kaum, dass sie auf dem Boden angekommen war, verschwanden die Schwingen. Auch der Schutzschild löste sich auf: Max‘ Kräfte waren endgültig versiegt. Er hoffte, dass sie sich wiederherstellen würden. Sonst hätte er einen wirklich schlechten Deal gemacht.
Auch Blaze trudelte erschöpft ein. Die meisten wirkten zittrig und erschöpft. Vielleicht war der Deal mit Ifrit doch nicht ganz so schlecht, wenn er dafür sorgte, dass Max von den emotionalen Strapazen verschont blieb.
Liam ließ den Blick über die Versammelten streifen: „Ist es vorbei?“
Alle sahen sich um.
„Irgendwie noch nicht“, seufzte Kassie.
„Irgendwas ist da draußen!“, sagte Blaze überzeugt, der in die leeren, von Trümmern und Staubwolken bewohnten Straßen sah. Der Regen war irgendwann während des Kampfes verschwunden. Spurlos: Nicht einmal Pfützen waren geblieben.
„Wie sieht es mit unseren Waffen aus?“, fragte Blaze.
Max hob die leeren Hände. „Ich bin ausgebrannt.“
„Und das Motorrad ist Schrott“, murmelte Milo matt. Eve kniete inzwischen an seiner Seite und hob ihre Pois. „Noch da. Aber das Feuer ist aus.“
„Ich habe nicht mehr viel Munition“, stellte Kassie fest.
„Ich auch nicht“, meldete sich Blaze.
„Ich hab noch die Seilwerfer und Schlagringe.“ Mo reichte besagte Ringe an Max und Milo weiter.
Karo seufzte. „Ich habe nur eine Rakete retten können.“
Max vernahm ein feines, silbriges Klimpern, das aus den Gassen um sie her kommen musste. Wie ein Windspiel. Er sah sich um. Dichter, grauer Nebel hatte sie eingeschlossen.
„Gut.“ Liam nickte, als hätte er sich ihre möglichen Wege zur Freiheit bereits ausgerechnet. „Blaze und Kassie – ihr geht nach vorne und bildet einen Schutzring. Mo, kannst du mich mit auf einen Seilwerfer nehmen?“
„Klar!“ Mortimer warf einen Draht in die Höhe, packte Liam und ließ sich von der Kurbel zum Seil ziehen.
Milo stützte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf Eve. Er war ungewöhnlich blass im Gesicht. Max befürchtete, dass er das Bewusstsein verlieren könnte. Dann musste er bereit sein, Milo den zweiten Schlagring abzunehmen. Jede Waffe war kostbar in diesem Kampf.
Eve ließ einen Poi gemächlich kreisen. Die zweite Waffe wurde von Milo blockiert. Karo kniete sich hin, um die Panzerfaust neu zu laden.
Graue Schemen zeichneten sich im Nebel um sie herum ab. Max konnte schon fast riechen, wie die anderen Angst bekamen. Sie wichen vor den neuen Gegnern zurück. Als er die erste Gestalt genau erkennen konnte, verstand er es nur zu gut.
„Dieser Mistkerl Metschta!“, fluchte er leise. Diesmal hatte der Autor sichergestellt, dass sie nicht gewinnen konnten.