Eine klebrige neue Welt:
Wieder einmal durchquerten die Wächter ein Tor, die stoischen Kaltblüter von Anna zuerst, Sam auf Samsung als Schlusslicht, um sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wurde.
Auf der anderen Seite stellte Samsung die Ohren auf und trabte ein wenig, bis Sam ihn zügelte. Ein Blick auf die Umgebung zeigte eine bunte Landschaft im Sonnenschein. Alle Pferde hatten die Nüstern erwartungsvoll geweitet und eine kurze Analyse der Süßigkeiten-Pflanzen sagte Sam auch, warum: Die Tiere witterten sicherlich Unmengen kleiner Zuckerwürfel. Es erstaunte ihn, dass sogar Rea Silvia und Pandora die Köpfe gehoben hatten. Anna van Helsing wirkte nicht wie eine Person, die ihren Pferden heimlich kleine Leckerli zusteckte.
"Wow", sagte Piek beeindruckt. "Da hat sich Ifrit aber mal alle Mühe gegeben."
"Oh nein, diese Welt ist von Asmodai", sagte Anna in weniger fröhlichem Tonfall. "Er hatte schon immer einen süßen Zahn. Ifrit mochte dagegen schon als Kind lieber Saures."
Piek, Xeri und Andy starrten die Jägerin verwundert an. Das Team Kittehz of Doom dagegen - Sam, Lizzy und Elaine - hatten Anna schon bei früheren Einsätzen unterstützt und hatten dabei zwei der vielen Geheimnisse ihrer Anführerin gelüftet.
"Woher willst du das wissen?", fragte Andy jedoch.
Anna seufzte, warf Lizzy einen Blick zu und gab ihr zum allgemeinen großen Erstaunen mit einem Kopfnicken die Erlaubnis, die Wahrheit zu erzählen.
"Anna hat Asmodai und Ifrit großgezogen", sagte Elizabeth also. Piek, Xeri und Andy rissen die Augen auf.
"Damals hat sie Xananthe gejagt, eine mächtige Dämonin, die aus einem unfertigen Computerspiel entkommen ist."
Anna schnaubte warnend, worauf Lizzy ihren Bericht abkürzte. "Sie hat die Dämonin erwischt, doch die Jäger trafen auf zwei Kinder, die Xananthe beschützen wollte. Ifrit war da noch ein Säugling, Asmodai fünf Jahre alt."
"Ich hätte sie auf der Stelle getötet", sagte Anna mit einem Blick auf die drei staunenden Zuhörer. "Ich hätte nicht gezögert. Aber es gab zwei Jäger in meiner Gruppe ... Mann und Frau, sie konnten keine eigenen Kinder bekommen. Sie überzeugten mich, die beiden aufzunehmen und als Jäger auszubilden." Für den Bruchteil einer Sekunde huschte ein Schatten des Bedauerns über Annas sonst so hartes Gesicht. "Sie haben ihre Weichheit inzwischen teuer bezahlt, denn natürlich haben die Kinder die Wahrheit erfahren und Rache genommen. Jetzt streifen sie frei durch Phantasma und Realitas und ich jage sie. Aber wir kennen einander. Ich kann die beiden nicht töten und sie können mich nicht töten. Blut und Seelenschuld binden uns aneinander, und deshalb brauche ich Kämpfer wie euch, um die Geschwister zu besiegen."
Team Game of Life nickte ernst. Annas Erzählung bedeutete einen großen Akt des Vertrauens, denn unter Wächtern blieb man besser für sich und bewahrte seine Geheimnisse wie das eigene Leben. Man konnte nie wissen, wer diese Geheimnis gegen einen verwanden wollte. Doch nun verstanden die drei den wahrend Grund, warum sie diese Reise hatten antreten dürfen.
"Amy geht nicht an ihren Sender", sagte Elaine in die Stille hinein. Wie so oft hatte Sams blonde Teamkollegin sich ein Bild der Lage gemacht, während die anderen redeten.
"Sie sind vermutlich beschäftigt", meinte Elizabeth hoffnungsvoll.
"Wir werden sehen." Elaine konnte ihre Sorge nicht völlig verbergen. Sie trieb ihr Pferd zu einem Trab und die anderen folgten ihr den grünen Hügel hinab.
Die ganze Welt wirkte zu bunt auf Sam, die Farben waren ihm zu intensiv und zu grell. Er bekam schon vom Zusehen Bauchweh, obwohl er die Süßigkeiten nicht gegessen hatte.
"Wir bekommen Besuch!", warnte Xeri Mauskat mit einem lauten Ruf. "Es sind viele."
Elaine ließ Nachtwind halten und beschattete die Augen mit einer Hand.
"Das sind ... laufende Karten. Mit Speeren."
"In dem Fall sollten wir keine Probleme bekommen", grinste Lizzy. Elaine nickte und hob eine Hand, worauf Flammen zwischen ihren Fingern empor züngelten und bald ihren Arm ab dem Handgelenk in eine Fackel verwandelten. Sam griff in seine Satteltaschen und holte seine eigenen Waffen hervor. Es sah ganz so aus, als wäre der friedliche Teil der Verfolgungsjagd vorbei.
Zum Vorschein kamen drei Gegenstände, die wie rote Regenschirme aussahen. Einer war lang, mit einem gebogenen, schwarzen Griff, die anderen beiden entsprachen eher den kleinen, zusammenklappbaren Taschenschirmen. Sam schnallte die Kleinen an seine Hüfte und hängte sich den Großen auf den Rücken. In Wahrheit waren es Schusswaffen: Zwei Schrotpistolen und ein Snipergewehr. Das vertraute Gewicht erinnerte ihn an vergangene Abenteuer und Rettungsmissionen - manche ein Erfolg, manche eine traurige Niederlage. Er hoffte, dass sie diesmal rechtzeitig kommen würden.