Hoher Einsatz:
Sie waren wieder im Restaurant, offenbar eine Zwischenstation an jeder Etappe. Erneut war der Tisch mit allerlei abenteuerlichen Abscheulichkeiten gedeckt worden, doch die Stimmung war, wenn möglich, noch angespannter als beim letzten Mal.
Max schob die peinliche Stille auf Karo, die es fertig brachte, ihm und den Nox-Geschwistern die ganze Stimmung zu verderben. Mit bleichem Gesicht und zitternd wie Espenlaub saß sie neben Asmodai. Der dunkelhäutige Halbwolf strich ihr wieder und wieder über das Haar. Offenbar erfreute er sich an Karos nervösem Zurückzucken.
Ifrit saß neben Max und pickte gelangweilt in ihrem Essen herum – eine Salatschüssel, die gut und gerne von Timon und Pumbaa aus „König der Löwen“ hätte angerichtet werden können, frei nach dem Motto: Schleimig, aber vitaminreich. Maden, Rauben und Tausenfüßler tummelten sich in der Schüssel neben Schmetterlingen und bunten Käfern. Alle Insekten lebten noch. Max selbst hatte keinen Appetit mehr, seit ein Grashüpfer in einem vergeblichen Fluchtversuch auf seinem Steak gelandet war.
„Nun gut“, seufzte Ifrit schließlich und schob die halb gegessene Portion von sich weg. „Assi, was hältst du davon, wenn wir mit richtigen Einsätzen beginnen?“
„Nenn mich nicht so“, knurrte Asmodai.
Ifrit verdrehte die Augen und wandte sich Max zu: „Bist du bereit, um deine ersten Seelen zu wetten?“
„Ähh“, stammelte Max. „Ich weiß nicht?“
„Du kriegst natürlich ein Startkapital von mir. Sagen wir … zehn Seelen? Du wirst sehen, jede Seele, die du zusätzlich bekommst, vergrößert deine Macht. Aber, ich muss dich warnen: Du kannst sie schnell wieder verlieren.“
„Okay, ich mach's“, sagte Max und musste trotz der düsteren Stimmung grinsen. Ifrit reichte ihm die Hand, wie damals, als er sich ihnen angeschlossen hatte. Auf ihrer Handfläche – und auf der von Max – prangte ein schwarzer Drudenfuß. Die Linien auf Ifrits Handfläche schimmerten plötzlich rot, kurz, bevor sie Max' Hand ergriff.
Eine prickelnde Welle von warmer Energie kroch Max' Arm hinauf und erfüllte ihn mit einem rauschähnlichen Gefühl, warm und aufregend. Er malte sich aus, wie sein ganzer Körper von goldenem Licht zu schimmern begann, obwohl kein Licht zu sehen war. Es war ein wundervolles Gefühl, fast so gut wie Sex.
Viel zu schnell zog Ifrit ihre Hand zurück und ihr düsterer Gesichtsausdruck sagte Max, dass es für sie kaum genauso gut gewesen war. Immerhin hatte sie die Seelen abgeben müssen.
Er starrte auf seine Hand, wo die Linien des Drudenfußes bereits wieder verblassten. Das Zeichen war nicht immer zu sehen, eigentlich nur, wenn Max seine Fähigkeiten nutzte oder wenn sich in der Nähe aktive Magie befand – wenn die Geschwister ihre Macht nutzten oder es in der Nähe Schutzsymbole gab, beispielsweise.
„So, was denkst du?“, fragte Ifrit. „Wer kommt durch?“
„Ich denke, sie kommen alle drei durch“, sagte Max. „Ich weiß, dass sie eine Menge Gegner gegen sich haben, aber sie kennen sie alle. Wahrscheinlich schaffen sie es noch, die einzelnen Monster gegeneinander auszuspielen.“
„Da wäre ich mir nicht so sicher“, murmelte Asmodai. Er hatte einen Arm um Karo gelegt und sie zu sich gezogen. „Wir haben das Asylum so geplant, dass die Monster, die sich gegenseitig schaden könnten, nicht beieinander sind. Wahrscheinlich sterben ein oder zwei.“
Gedankenverloren streichelte Asmodai Karos Rücken. Das Mädchen versteifte sich, war aber viel zu verängstigt, um Widerstand zu leisten. Ihre großen Augen starrten Max an … vorwurfsvoll? Flehentlich?
„Ich sage, sie sterben alle“, sagte Ifrit dagegen. „Ihr beide vergesst etwas. Die schwarzen Wölfe.“
„Oh, Mist!“, fluchte Asmodai so heftig, dass Karo vor Schreck fast von der Bank rutschte.
„Zu spät!“, triumphierte Ifrit. „Du hast deinen Einsatz gemacht.“
„Das ist nicht fair!“, knurrte Asmodai. „Wir haben noch nicht -“
Ifrit grinste und Asmodai unterbrach sich. „Bitte! Wie du willst.“
Beide streckten ihre Hände nach vorne und legten sie aufeinander. Dann sahen sie Max an, der es ihnen schnell nachmachte.
„Eine Seele als Einsatz“, brummte Asmodai.
„Eine Seele“, sagte Max auch.
„Fünfzig“, sagte Ifrit. „Und ich halte gegen euch beide!“
„Was … bedeutet das?“, fragte Max nervös Asmodai.
Der stöhnte. „Gut. Gut, okay. Alte Gierziege. Ich stelle 45 Seelen, der Junge fünf.“
Max versuchte, dem schnellen Austausch zu folgen. Dann nickte er einfach.
Sie lösten ihre Hände und Ifrit lehnte sich breit grinsend zurück, während Max rätselte, was da eben geschehen war.
Karo stellte schließlich die Frage, die er selbst nicht zu stellen wagte, um sich keine Blöße zu geben.
„Was … was ist mit den schwarzen Hunden?“
Unter dem Blick der beiden Geschwister sackte sie noch weiter in sich zusammen. Asmodai zog Karo auf seinen Schoß wie ein Kind.
„Sie sind der Grund, warum ich gerade eine hohe Wette verloren habe. Du solltest keine Fragen stellen, sondern mich besser aufheitern!“
„Bah, sucht euch ein Zimmer!“, Ifrit warf ihre Serviette nach Asmodai, der sie ohne Hinzusehen aus der Luft fing und sich mit einem Zwinkern zwischen die Zähne steckte.
„Komm, Babydoll“, sagte er zu Karo, während er sie spielerisch leicht auf seine Arme lud.
Karos verzweifelter Blick heftete sich auf Max, während der Dämon sie fort trug.