Diabetes, Teil 1:
Asmodais riesiger Schoßhund ließ sich auf die vier kräftigen vorderen Gliedmaßen fallen. Kassie klammerte sich mit der einen Hand an Mo, mit der anderen an Karo fest und wappnete sich für den unvermeidlichen Aufprall der Welle. Trotzdem wurde sie von den Füßen gerissen, ihre drei Begleiter ebenso. Das Monster, das Max Diabetes genannt hatte, klappte das breite und runde Maul auf und brüllte.
Der seltsame, hüpfburgartige Untergrund bebte und machte es ihnen fast unmöglich, wieder auf die Beine zu kommen. Als Kassie einmal stand, fiel sie beinahe wieder um. Mit ausgebreiteten Armen hielt sie so gerade das Gleichgewicht. Doch einen Fuß zu heben, um einen Schritt zu tun, war unmöglich. Sofort würde sie sich auf dem Boden wieder finden. Sie brauchte eine andere Idee, und zwar schnell, denn Diabetes kam mit großen Sprüngen auf sie zu. Endlich war das Monster in seiner Gänze zu betrachten: Ein massiges, schwabbeliges Etwas, bedeckt mit purpurnen Schuppen, die auf der Bauchunterseite, der Kehle und innen an den acht stämmigen, kurz wirkenden Beinen gelb wurden, bedeckt mit gezackten, grünen Stacheln und unzähligen Hörnern auf dem runden Kopf.
"Mo!", schrie Kassie über den Lärm hinweg - der Boden knallte und knarzte, Max schrie vor Angst und Diabetes' Grollen wurde immer lauter - "Hast du noch so einen Seilwerfer?"
Mo warf ihr einen länglichen Gegenstand zu, den Kassie um ein Haar fallen ließ. Doch sie fing das schmale Ding und fand den wie eine Fledermaus geformten Auslöser. Sie wandte sich dem näherkommenden Diabetes zu und wog Mos Waffe prüfend in der Hand. Max versuchte, fort zu robben, da er nicht auf die Beine kommen konnte. Karo klammerte sich an Kassies Bein.
Diabetes ragte vor ihnen auf. Nur noch wenige Meter trennten sie, da drückte Kassie auf den Knopf und warf die Seilrolle. Das silbrige Kleinod blitzte kurz auf und war dann nicht mehr zu sehen. Diabetes donnerte weiter heran, den vielfachgehörnten Kopf gesenkt.
Da strauchelte das Monster und stürzte mit lautem Getöse auf die Seite. Wellen schlugen hoch und rissen Kassie von den Beinen. Sie flog durch die Luft und knallte schmerzhaft mit dem oberen Rücken und Nacken weiter hinten auf. Stöhnend kämpfte sie sich auf alle Viere, in ihrem Kopf drehte sich alles. Als sie den Blick hob, lag Diabetes auf der Seite und versuchte ungeschickt, mit dem breiten Maul zwischen zwei seiner vorderen Gliedmaßen zu kommen. Der Seilwerfer hatte sich in beiden Füßen verhakt und zog sie zusammen.
"Jetzt!", rief Kassie und zog Karo hoch, die sofort erleichtert in einen Sprint verfiel. Max folgte und überholte Karo noch, Mo war Kassie dicht auf den Fersen. Er zog im Laufen seinen letzten Seilwerfer heraus, als auch schon ein Knall hinter ihnen ertönte. Kassie riskierte einen Blick nach hinten und sah, wie Diabetes wieder auf die Füße kam. Das Seil war durchgebissen.
Neue Wellen schlugen in die Höhe, während die vier Tourgäste panisch in Richtung Ausgang rannten. Kassie konnte bereits einen Torbogen erkennen, doch er war viel zu weit weg.
Eine Welle schleuderte sie hoch. Alle vier strampelten in der Luft und versuchten, mit den Füßen auf der nächsten Welle zu landen, die sich von hinten unter sie schob. Max strauchelte, Mo fiel. Kassie zerrte Mo wieder auf die Füße und er warf seine letzte Seilrolle nach hinten.
Frustriertes Brüllen ertönte.
"Volltreffer!", freute sich Mo.
"Es wird ihn nicht lange aufhalten", Kassies Rippen schmerzten, ihr Nacken schmerzte und ihre Beine schmerzten von dem vielen Springen und Aufprallen. Trotzdem rannte sie weiter über den schwankenden Untergrund. So ähnlich mochte es sich anfühlen, bei einem Sturm auf hoher See über Wasser zu laufen.
Sie warf einen Blick zurück. Diabetes lag erneut auf der Seite, ruderte mit den Hinterbeinen und schnappte nach dem dünnen Seil. Mo hatte das Monster näher am Brustkorb getroffen, sodass Diabetes den kurzen Hals noch weiter verbiegen musste. Doch er würde es schaffen, und dann hatten sie nichts mehr, um das Monstrum aufzuhalten. Kassie wünschte sich, Blaze wäre noch bei ihnen. Sie waren auf seinen Enthinderer angewiesen wie andere Menschen vielleicht auf einen normalen Rollstuhl.
Ohne Blaze konnten sie es nicht zum Ausgang schaffen.