Schwarze Wölfe:
Das wilde Knurren zeigte den Wächtern, wer hier wirklich überlegen war. Max konnte die Wut der pechschwarzen Wolfshunde mitfühlen; die Wächter hatten in der Tour nichts verloren. Asmodais Bedingungen hatten ganz klar festgelegt, dass die Schüler diese Runde alleine durchstehen mussten – eine Unverschämtheit, dass Anna van Helsing es trotzdem wagte, hier aufzutauchen. Doch es bedeutete auch, dass sich Asmodai und Ifrit nicht länger an ihre eigenen Regeln zu halten brauchten. Es wurde Zeit, die Wächter und ihre Schüler mit allem zu bekämpfen, was die Nox-Geschwister zu bieten hatten!
Die riesigen Wölfe wuchsen schnell auf doppelte und dreifache Größe an. Doch sie wandten den Blick nicht von Asmodai ab. Max stutze und spürte dann, wie sein Herz wilder schlug.
Er wollte nicht glauben, was er zu realisieren begann: Die Wölfe knurrten nicht etwa die Wächter an, sondern Asmodai. Sie gehorchten Ifrits düsterem Bruder nicht länger, sondern kesselten ihn ein.
"Asmodai!", rief Ifrit alarmiert, als auch sie verstand.
Er warf ihr einen Blick zu. Max sah, wie in den Augen des dämonischen Werwolfs eine seltsame Trauer lag. Asmodais Blick war ruhig, schicksalsergeben – doch auf welche Angst reagierten die Wölfe dann?
"Asmodai!", brüllte Ifrit. Sie stürmte vor: "Reiß dich zusammen, du darfst keine Angst haben!"
Ein Wolf sprang ihr in den Weg und stieß ihr den Kopf gegen den Bauch. Ifrit wurde zurückgeworfen und landete zwischen den beiden Kaltblütern der Wächter, die schnaubend zur Seite wichen.
Ifrit kümmerte sich nicht um die nahen Feinde. Ihr Blick blieb auf Asmodai gerichtet.
"Bran!", schrie sie jammervoll.
Die Wölfe japsten und stürzten sich auf Asmodai. Ein lauter Schrei hallte in den engen Straßen wider, gefolgt von dem Geräusch von Reißen und dem Brechen von Knochen.
Einen Moment standen alle wie erstarrt. Blut spritze zwischen den schwarzen Wölfen hindurch und hoch in die Luft.
"ASMODAI!", schrie Ifrit. Dann stieß sie einen wortlosen Schrei aus und die Hände nach vorne. Im nächsten Moment fegte eine Feuerwand durch die Straße, tosende, blutrote Flammen rauschten direkt auf die Meute zu. Max stand weit außerhalb der Bahn des Feuers, trotzdem spürte er, wie die Hitze seine Augenbrauen versengte und ihm den Atem nahm.
Als die dunkelroten Flammen auf die Wölfe trafen, erloschen die schwarzen Wesen mit lautem Zischen. Nur einer konnte noch ein kurzes, schmerzerfülltes Jaulen ausstoßen.
Das Feuer rollte weiter und spülte um die vier Pferde am Ende der Straße herum - die Reiterin auf dem schwarzen Pferd hatte einen Schutzwall gegen das Feuer erschaffen.
Die Straße war geschwärzt, Bordsteine hatten begonnen, sich aufzulösen, der Asphalt warf Blasen und die Gebäude am Rand waren eingedrückt worden. Die ganze Straße knisterte und blubberte von den Nachwirkungen des Feuers.
Ifrit rannte durch die Zerstörung, ohne von der Hitze berührt zu werden. Sie ging neben einem dunklen Haufen auf die Knie, den man erst auf den zweiten Blick als Asmodai erkannte.
Ifrits Bruder war zerfetzt worden, doch trotz der schwer blutenden Wunden hob er den Kopf, als Ifrit sich über ihn beugte. Zu Max' Entsetzen schluchzte die rothaarige Dämonin, als sie den Kopf ihres Bruders in den Schoß hob.
"Du sagtest doch, du hast vor nichts Angst", klagte sie ihn mit leiser Stimme an.
"Ich fürchte mich auch vor nichts", ächzte Asmodai mühsam. Er streckte einen blutigen Arm nach oben und berührte Ifrits Gesicht. "Ich fürchte um etwas ... Schwesterchen."
Ifrit legte die Hand auf Asmodais und zog schniefend die Nase hoch. "Halbschwester."
Dann kippte Asmodais Kopf zur Seite und seine Augen starrten blind auf Max. Der ausgestreckte Arm fiel mit einem platschenden Geräusch auf den Boden.
Es folgte Stille. Ifrit und Asmodai wirkten wie erstarrt, wie ein Standbild. Max wagte nicht, zu atmen. Es war falsch, einfach falsch. Wie konnte einer dieser mächtigen Halbdämonen sterben?
Die Wächter, die das ganze Drama fast regungslos beobachtet hatten, begannen, sich wieder zu rühren. Kassandra und Mortimer wichen weiter nach hinten.
Da richtete Ifrit sich auf den Knien auf und warf den Kopf weit nach hinten, bis ihr Körper zu einem Bogen gespannt war, und stieß einen kehligen, rauen Schrei aus, der zuerst nichts als Verzweiflung und Trauer in sich trug. Doch dann änderte sich der Tonfall, wurde wütend und wild, voller Hass über die Ungerechtigkeit, die eigene Hilflosigkeit und die tatenlosen Zuschauer. Der Schrei, zuerst ein klagendes Heulen wie ein Wolf, endete in dem grollenden Knurren eines Tigers und Max spürte, dass er jetzt, nach dem Moment größter Schwäche, wahre Macht erleben würde.
Ifrit van Nox war wütend.