Tiefer ins Kaninchenloch:
Monotones Brummen begleitete ihre Fahrt über den Highway to Hell, die triste, detaillose Autobahn, die die einzelnen Stationen der Tour miteinander verband. Von ihrer Flucht aus dem Wunderland wusste Kassie nur noch wenig. Ihre Erinnerungen fühlten sich an, als würden sie durch trübes Wasser gleiten.
Sie wusste noch, dass sie gerannt waren. Immer auf das Tor zu. Von den Spielkartenkriegern hatte sie nur wenig mitbekommen. Oder eher: Sie hatte sie nicht beachtet. Es war ein knappes Rennen gewesen, die Spielkarten direkt hinter ihnen, während das Tor einfach nicht näher kommen wollte, obwohl sie liefen und liefen und liefen. Kassie hatte trotzdem keine Angst verspürt. Es war ihr alles egal gewesen.
Sie hatten es in letzter Sekunde durch das Tor geschafft und die Karten hatten ihnen nicht folgen können. Stattdessen hatten Asmodai und Ifrit sie erwartet. Die Nox-Halbgeschwister hatten von Max die Botschaft erhalten, dass Karo gestorben war. Kassie wusste noch, wie die beiden Dämonen in einen Streit ausgebrochen waren, doch dann riss ihre Erinnerung ab.
Sie kam im Wagen zu sich, auf der Seite liegend. Das gleichbleibende Brummen des Motors im Ohr.
Vorsichtig richtete sie sich auf und erkannte, dass ihr Kopf auf zwei Beinen geruht hatte. Sie blickte auch und stellte fest, dass die Beine zu Mo gehörten, der ihr einen stummen, mitfühlenden Blick zuwarf.
Kassie strich sich ein paar Locken aus der Stirn, die auf der anderen Seite sofort wieder über ihr Auge fielen. Sie streckte den Rücken und richtete sich ganz auf, um aus dem Fenster zu sehen. Nicht, dass es viel zu sehen gab: Die Landschaft war so trostlos wie eh und je, sie wirkte roh und unfertig und nackt. Hier hatte sich niemand die Mühe gegeben, der Umwelt einen Anschein von Realismus zu geben. Asmodai und Ifrit wussten, dass Kassie und Mo von den Wächtern in das Geheimnis der Tour eingeweiht worden waren - dass die ganze Hell-Hopping-Tour nur eine Art realistische Simulation war, die sie unbemerkt betreten hatten. Also gaben sich die Halbgeschwister keine Mühe mehr, diesen Umstand zu verbergen. Es gab nichts mehr, keine Lesungen von Horrorromanen, keine anderen Teilnehmer, keine Angestellten. Nur den nackten Überlebenskampf, und Kassie fühlte, dass sie den Kampf verloren. Blaze war fort. Karo, die sie hatten retten wollen, war ebenfalls fort.
Sie rechnete im Kopf nach. Vier Welten waren geschafft, drei lagen noch vor ihnen, eine schwerer als die andere.
Sie seufzte.
"Was ist?", Mo legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter.
"Ach", Kassie wollte abwinken, doch sie bemerkte, dass Max nicht bei ihnen im Sitzraum der Limousine war. Sie ließ die Schultern hängen. "Es ist nur ... wir sind zurückgekommen, weil wir Karo retten wollten. Und jetzt ... wir haben sie im Stich gelassen. Und Blaze auch. Wir haben nur noch Max, den wir retten könnten, aber er will offenbar nicht gerettet werden. Dafür sind wir vollkommen allein."
Statt etwas tröstliches zu sagen, nickte Mo nur düster. "Es läuft alles schief."
"Ich glaube nicht, dass wir überleben werden."
Mo nickte wieder und legte den Arm um ihre Schultern. Kassie ließ den Kopf auf seine Schulter sinken. Sie verstand seine Geste. Er fühlte sich genauso hoffnungslos wie sie und wusste, dass jede Hoffnung auf Rettung reines Wunschdenken war. Aber wenigstens war er bei ihr und sie würden dem Tod gemeinsam entgegen treten.
"Auf sie mit Gebrüll", flüsterte sie.
"Was?", fragte Mo.
"Unser Teamspruch", rief Kassie ihm in Erinnerung. "Auf sie mit Gebrüll."
Mo schnaubte belustigt. "Auf sie mit Gebrüll!"