Hypnerotomachia Poliphili (Francesco Colonna), August 2021
Inhalt: Buch 1 behandelt Poliphilos Suche nach Polias Liebe in einem fantastischen Setting, das in sehr ausführlichen Beschreibungen geschildert wird. Buch 2 ist wiederum aus Polias Sicht geschrieben und erzählt ihren Weg zur Liebe.
Eindruck/Gedanken:
Das ganze Buch ist sehr ansprechend gestaltet und mit vielen Illustrationen versehen. Die Größe und Dicke des Buches kann auf den ersten Blick entmutigend wirken, doch die Überschriften der Kapitel erleichtern das Lesen, weil sie zusammenfassen, worum es geht. Man könnte also nur die Überschriften lesen und wüsste die gesamte Handlung. Jedoch ist es weniger die Handlung, die den Zauber dieses Buches ausmachen, es sind viel mehr die detaillierten Beschreibungen, die fantasiereiche Gebäude darstellen oder sehr stimmungsvolle Eindrücke von der Natur schildern, sowie das Spiel mit der Sprache. Die sprachliche Herausforderung, die träumerische Gestaltung und Poliphilos verzweifelte Liebe, die Polia zu einem Symbol wahrer Liebe erhebt, bilden zusammen eine ungewöhnliche Leseerfahrung. Schwierigkeiten bereiten bisweilen die zahlreichen Verweise auf antike Mythen, die dem heutigen Leser nicht mehr zwangsläufig geläufig sind. Desweiteren finden sich viele Aphorismen in dem Buch, die mir bekannt waren und es überraschte mich teilweise, wie alt manche von ihnen sind bzw. wie sie sich bis in unsere Zeit erhalten haben, wie dauerhaft Sprache und Gedanken sein können, wie sie die Menschen über Jahrhunderte miteinander verbinden, wie alt auch manche Metaphern sind und wie heutige und damalige Menschen durch ähnliche Inspirationsfunken verbunden sind – eine faszinierende Erfahrung.
Immer wieder wird im Buch betont, dass es sich um einen Traum handle, was sich aber trotz des fantastischen Settings schnell mal vergessen lässt, denn wie schon im Vorwort betont wird: „That is the way of dreams: while they are happening, we believe in them absolutely.“ (S. xiii)
Eine Auswahl von Sätzen, die mich inspiriert haben:
- „three gardens, one of glass, one of silk and one a labyrinth, which is human life.“ (S. 5) -> Mir gefällt das Bild des gläsernen Gartens, aus dem man noch mehr machen könnte, und das Labyrinth als Metapher für das menschliche Leben.
- „figures of men and damsels dancing, each having two faces: the one in front was smiling, the back are weeping“ (S. 33) -> Irgendwie erscheinen mir diese beiden Gesichter ein Sinnbild für jeden Menschen zu sein, weil wir alle ein sichtbares und ein verborgenes Gesicht haben und weil wir alle Fröhlichkeit und Traurigkeit teilen.
- „saying to myself: ‚If the fragments of holy antiquity, the ruins and debris and even the shavings, fill us with stupefied admiration and give us such delight in viewing them, what would they do if they were whole?“ (S. 59) -> Wäre dann nicht der Zauber verloren – weil der Hauch der Vergangenheit schwindet, weil unsere Fantasie nicht mehr notwendig ist?
- „the path is not known until the end is reached“ (S. 196) -> Eine schöne Metapher für das ganze Leben.
- „better to perish instantly than to die daily“ (S. 369)
- Und zu guter Letzt: „Behold a useful and profitable book. If you think otherwise, / Do not lay the blame on the book, but on yourself.“ (S. 5) :D
https://www.deviantart.com/lukida-atlas/art/Hypnerotomachia-Poliphili-892275121