Inhalt: Eine ehemalige Sklavin, die jetzt in einem Baobab-Baum lebt, erzählt von ihrem Leben.
Eindruck/Gedanken:
Stockenström, die als eine der bedeutendsten Autoren, die auf Afrikaans schreiben, gilt, präsentiert in diesem Buch einen recht verträumten Stil. Die Protagonistin in ihrem Baum verliert den Sinn für die Bedeutung der Zeit, Träumen und Wachen verschwimmen ineinander, während sie aus ihrer Zeit als Sklavin berichtet – Erinnerungen, die nicht chronologisch erzählt werden, sondern sich spiralförmig um ihren jetzigen Ort und ihre jetzige Zeit zu winden scheinen. Sie nennt keine Namen, sie sind ebenfalls bedeutungslos, ihre Besitzer nummeriert sie oder bezeichnet sie als „der Fremde“, „der älteste Sohn“ oder „mein Wohltäter“ – denn sie bewertet ihre Zeit als Sklavin nicht bzw. nicht nur negativ. Sie hatte eine gute Stellung, besonders zum Schluss, wobei schon der Gedanke ans Stockholm-Syndrom aufkommt. Dabei lässt die Autorin auch nicht außer Acht, wie grausam die Sklaverei ist: Die Protagonistin kommt immer wieder mit anderen Sklaven in Kontakt, auch wenn sie sich ihnen meist überlegen/entrückt fühlt. Und immer wieder gibt es auch Einblicke in ihre frühe Sklaven-Zeit, die durch ihre Bewertungslosigkeit besonders drastisch erscheinen. Der Baobab, in dem sie nun lebt, ist ein Symbol für ewiges Leben, doch vor allem wird der hohle Baum zum Ausgangspunkt einer Reise ins Innere der Protagonistin – nicht einfach so trägt der Baobab ihre Narben, die sie ihm mit einem Stachelschweinstachel in die Rinde geritzt hat. Der Baum ist mehr als bloß ein Wohnort: „Ich kenne das Innere meines Baums wie eine Blinde ihr Haus, ich kenne seine glatten Flächen, seine Höhlungen, Schwellungen und Kanten, seinen Geruch, seine Dunkelheiten, seine mächtige Lichtspalte, wie ich die Hütten und Räume nie gekannt habe, in denen ich schlafen musst; wie ich nur etwas kennen kann, das mir gehört, mir allein – mein Wohnort, in den niemals jemand anderes eindringt. Ich kann sagen: Das bin ich. Das sind meine Fußabdrücke. Das ist die Asche meiner Feuerstelle. Das sind meine Mahlsteine. Das sind meine Perlen. Meine Scherben. / Ein glorreiches Wesen bin ich in meiner grauen Baumhaut.“ Aber auch den Schlusssatz fand ich besonders beeindruckend: „Ich falte meine Flügel.“