Inhalt: Die Hauptfigur Dora zieht von der Stadt aufs Land und wird neben eigenen Problemen mit Figuren konfrontiert, die sie in ihren Denkweisen (und damit auch den Leser) herausfordern.
Eindruck/Gedanken:
Das Buch, das zeitlich in der Anfangscoronazeit spielt, behandelt verschiedene aktuelle Krisen, vor denen Dora zu flüchten versucht, die eine starke Lebensfremdheit fühlt, die mir persönlich eine Identifizierung möglich machte. Während viele Krisen eher am Rande eine Rolle spielen, wird das Thema Stadt-Land-Differenzen ausführlicher behandelt, vor allem aber Denkunterschiede der verschiedenen Figuren, die das Buch, das weniger Handlung als Thema zu haben scheint, so lesenswert macht. Die Figuren und Beschreibungen sind originell und authentisch, die Figuren haben Widersprüche, die sich auflösen, wenn man das Schwarz-Weiß-Denken aufgibt und stattdessen die Vielschichtigkeit von Menschen sieht. Klischees werden bestätigt gleichzeitig aber auch Vorurteile abgebaut: Durch das zu-Wort-kommen-lassen anderer Sichtweisen zeigt sich, dass nicht alles Schwarz oder Weiß ist. Kernbotschaft des Buches ist, dass Menschsein Verständnis bedeutet, nicht verstehen, sondern Widersprüche aushalten, weil alle letztlich Menschen sind – auch Nazis. Juli Zeh zeigt keine Scham oder Scheu vor „political incorrectness“ ihrer Figuren, sorgt aber auch immer wieder unerwartete Auflockerung mit ihrem Humor (v.a. dem sehr unterhaltsamen Hund), die das Buch zwischen Schock und Lachen gelegentlich treiben lassen. Die ganze Story ist nicht klischeehaft, entwickelt sich ganz unerwartet und sehr realitätsnah. Und ist dabei gut geschrieben mit einem lebendigen, bildhaften Schreibstil (z.B. bei Gefühlen) mit anschaulichen, nicht abstrakten Schilderungen und einer originellen Darstellungsweise durch eingebundene Werbeszenen, was auf den Beruf der Hauptfigur zurückzuführen ist.