Im Krankenhaus, blieben Tomoe, Naru und Kanako vor der Scheibe stehen. Die ganze Nacht konnten die Mädels vom Ryokan kein Auge zu machen und Tomoe, schien davon am meisten betroffen zu sein. In ihrer Hand hielt sie eine Wasserflasche, die sie bis auf den letzten Schluck geleert hatte. Sie zuckte kurz und zerdrückte die Flasche, als das zittrige Abbild eines alten Freundes, sich aus dem Bett quälte.
„Was meint ihr, wie lange wird er noch hier bleiben müssen?“, fragte Naru.
„Ich weiß es nicht.“, hauchte Tomoe angespannt, “Ich kann selber nicht sagen, warum mir das auf einmal so nahe geht! Ich meine......überlegt doch mal! Gestern noch waren wir noch unterwegs, um uns die Gegend etwas anzusehen und jetzt......ich......ich kann einfach nicht....“
Sie lies sich schwer atmend, mit den Rücken gegen die Scheibe fallen und raufte sich die Haare. Gleich drauf kamen Keitaro und die anderen vom Ryokan und versammelten sich dort.
„Ah gut, er ist wieder aufgewacht.“, sagte Keitaro.
Der Patient, saß auf seinem Bett und nahm seine Pillen und drehte sich zu ihnen um.
„Habt ihr schon seine Mutter benachrichtigt?“, fragte Naru und versuchte Tomoe zu beruhigen.
Die beiden ließen noch einmal die letzten Tage revue passieren, um herauszufinden, was der Auslöser für all das war.
„Seht nur, er kommt zu uns!“, rief Kitsune.
Alle wandten sich um und Tomoe legte beide Hände auf die Scheibe. Der Patient schlich langsam mit dem Zugang am Arm auf sie zu, legte seine Stirn gegen die Scheibe und blickte sie alle der Reihe nach an, bis er bei Tomoe stoppte und seine Hand auf ihre ablegte. Sie betrachtete seine lange, schwarze Mähne und das dicke Pflaster an seiner rechten Schläfe. Sie wollte weinen, schluckte ihre Traurigkeit aber hinunter und seufzte schwer.
„Rayo.........“, sagte sie Kopf schüttelnd, “Du großer, dummer Holzkopf. Was mach ich nur mit dir?“
Sie sah niedergeschlagen und erschöpft aus. Ich wollte ihr mit meinem Blick sagen, das alles wieder gut wird, doch ich war genauso hilflos und wollte sie nur noch in meine Arme schließen. Denn ich wollte und musste sie doch beschützen.
Jemand räusperte sich und alle außer Tomoe, schreckten auf, als sie den grimmig dreinschauenden Mann mit Gehstock, Sako, Sportschuhen und dem Jo-Jo in der Hand erblickten. Er war unrasiert, schien auf etwas herum zu kauen. Nur Tomoe und hatte ihn bisher etwas näher kennengelernt, wenn auch unfreiwillig. Er sollte mich behandeln, aber nur weil Mutter sich gut mit ihm verstand und dabei kannten sich die beiden kaum. Auf den ersten Blick, wirkte er auf mich unsympathisch, schroff und unfreundlich. Doch bald, sollte ich feststellen, wie viele Gemeinsamkeiten er und ich hatten. Er war kein unbeschriebenes Blatt, sondern nach den Worten der Krankenschwestern und der Assistenzärzte die hier arbeiteten, eine Legende.
„Sind sie etwa, der behandelnde Arzt, für unseren Freund?“, fragte Naru mit zitternder Stimme.
Der Mann nickte kurz und steckte sein Jo-Jo wieder weg.
„Was fehlt uns denn?“, fragte er knapp.
Ein paar Tage zuvor.........
Die Nacht dauerte entsetzlich lange. Ich hatte einen merkwürdigen Traum. Tomoe war in meinem Zimmer und hat, wie verrückt die Fenster verrammelt, jegliches Licht von Mond und Sterne somit daran gehindert in den Raum zu scheinen. Und ständig hat sie dabei was gemurmelt. Es klang unverständlich aber ich glaube, es hatte etwas mit mir zu tun.
Glücklicher Weise hatte sie jedoch nur die Rollladen runter gelassen.
Wir waren schon lange vor Naru und den anderen Mädels wach, was heißen sollte, das Tomoe mich wieder einmal dazu verdonnert hatte, mit ihr zu kämpfen, oder wie ich es seid heute Morgen nennen sollte, „trainieren“. Wie auch schon damals in Shinjuku, wollte Tomoe es immer noch erzwingen, dass ich mich wehre. Aber „Abwehren“, das konnte ich schon ganz gut. Trotzdem verstand ich bis heute nicht, warum ich gegen Katsubou und Lucy immer so gut bestehen konnte, während Tomoe mich mit den leichtesten Schlag und Trittmustern, ungespitzt in den Boden rammte.
„Können wir das beim nächsten mal wenigstens nach dem Mittagessen machen?“, meckerte ich, “Warum immer direkt so früh?!“
„In Shinjuku könnten wir das ja machen.“, erwiderte Tomoe,“Aber hier müssen wir aufpassen, das wir nicht auffliegen. Ich hoffe das hast du nicht vergessen.“
„Nein, natürlich nicht. Aber warum machen wir das überhaupt noch? Ich dachte das hätten wir hinter uns!“
„Weil du immer noch nicht gelernt hast, dich gegen mich zu wehren! Ich habe dir schon oft genug gesagt, das du zuschlagen darfst!“
„Wird das hier ein Selbstverteidigungskurs oder verarschst du mich nur?!“
„Ein wenig von beidem.“, sagte sie Achsel zuckend, “Du darfst diese Schläge nur nicht immer so über dich ergehen lassen. Was würdest du machen, wenn dir das passiert und du alleine unterwegs bist? Würdest du auch einfach den Dreck runter schlucken, den man dir vor die Füße schmeißt, oder wehrst du dich?“
Ich seufzte und wand den Kopf zur Seite.
„Ich wehre mich natürlich.“
„Na also. Dann legen wir mal los!“
Sie rannte auf mich zu, die Faust geballt und den Arm ausgeholt. Ich fing ihren Schlag ab, hob meinen Arm an um ihren Tritt abzuwehren, der mich ins taumeln brachte. Links und rechts, zog sie ihre Fäuste nach und riss mich herum. Einmal täuschte sie mit der linken an und versenkte ihre rechte dann in meinem Gesicht und warf mich zu Boden.
„Musst du immer sofort aufs Gesicht zielen?!“, fluchte ich.
„Glaub mir, ein anderer hätte nicht noch gezögert, bei dem Treffer. Er hätte noch nachgetreten und dich gar nicht verschnaufen lassen. Sei froh das wir beide uns so gut verstehen.“
Ich wischte mir das Blut vom Mundwinkel und wartete ihren nächsten Schlag ab. Dann packte ich ihr Handgelenk, schob ihren Fuß mit meinen nach hinten und warf sie wenige Sekunden später über die Schultern. Sie aber bäumte sich auf, umschlang meinen Hals mit ihren Beinen und schickte mich danach ebenso in den Dreck.
Währenddessen hatten sich Shinobu, Muzumi und Su auf der Veranda versammelt und beobachteten uns.
„Aber was ist denn auf einmal mit den beiden los? Warum prügeln die sich?!“, fragte Shinobu verängstigt und zuckte zusammen als Tomoes nächster Schlag, mich keuchend einknicken lies.
„Wer weiß, vielleicht hat Rayo sie ja beim duschen bespannt.“, warf Su ein.
Tomoe presste mich mit ihren Fuß ins Gras und blieb auf meinen Rücken stehen.
„Ah, guten Morgen Leute!“, rief sie gelassen, “Ich hoffe wie haben euch nicht geweckt!“
„Kannst du uns denn verraten, warum ihr euch zusammenschlagt? Was ist denn nur vorgefallen?“, fragte Shinobu weiter.
„Ach das.“, ergriff ich das Wort, “Simples Training, nichts weiter. Alles halb so wild.“
„Es sieht schlimmer aus, als es eigentlich ist.“, erwiderte Tomoe,“Ich bringe Rayo nur bei, sich gegen mich zu wehren. Er muss noch einiges nachholen!“
Sie lies mich wieder aufstehen, schubste mich dann aber wieder zu Boden und stieg über mich drüber.
„Was steht heute so an?“, fragte ich und gesellte mich zu ihnen.
Später sollte ich es bereuen, das ich nachgefragt hatte. Zu erst schleiften mich Naru und Kanako, mit Kitsune und Suu in dutzende Läden, kauften mir Unmengen an Klamotten, wie T-Shirts, Schuhe, ein bis zwei Jacken und sogar einen Besuch beim Friseur musste ich über mich ergehen lassen. Bei letzteren hingen wir ungewöhnlich lange fest und dabei war ich neben einer Mutter mit ihren Knirps, der einzige und sie hatten mir sogar den Vortritt gelassen. Aber warum nur saßen sie so verängstigt und zitternd auf ihren Stühlen und grinsten dann noch so dämlich?
„Verdammt noch mal, lasst mich los! Das ist ja lächerlich!“, knirschte ich und versuchte Naru und Tomoe abzuschütteln.
Sie hielten mir die Arme fest, als mir die Friseuse die Haare waschen wollte. Keitaro wieder rum hielt meine Beine fest.
„Unglaublich, das der so eine Kraft hat!“, zischte Naru, “Ich dachte der wäre noch so erschöpft von der Reise!“
„Da kennst du ihn leider noch nicht gut genug!“, erwiderte Tomoe.
Kitsune und die anderen saßen gelassen auf den Stühlen verteilt und lasen Zeitschriften.
„Der kann sich aber anstellen.“, sagte Kitsune.
„Und da dachte ich, das er bei der Jacke mit dem aufgestickten Spruch auf dem Rücken, schon seinen Senf dazu gegeben hat.“, sagte Kanako.
„Motoko hat er auch in den Wahnsinn getrieben.“, warf Suu ein, “Sie wollte mit ihm, Kimonos für Männer kaufen.“
„Wofür das denn?“, fragten die anderen.
„Na ja, seine Mutter hat doch gesagt, das er einiges nachholen muss was Tradition und Kultur angeht.“, antwortete Shinobu,“Und es musste einfach ein Kimono mit einem Drachen als Aufdruck sein. Sie sagte das haben alle Männer in der Familie seines Vater getragen.“
Ich riss mich vom Stuhl hoch und fletschte die Zähne.
„Kein Wort über meinen Vater, damit das klar ist!“, raunte ich, “Ich will nichts mehr über diesen Drecksack hören!“
„Ok, Schluss mit dem Geschreie!“, fauchte Tomoe, stützte sich mit beiden Armen auf den Lehnen ab und blitzte mich an.
Alle sahen auf und hielten die Luft an.
„Ganz ruhig bleiben ihr beiden.“, sagte Keitaro beschwichtigend und entfernte sich von uns.
„Hör zu, du kleiner Kotzbrocken.“, sagte Tomoe ruhig, “Mag sein, das du deinen Vater weder kennengelernt hast, noch gut leiden kannst, aber das heißt nicht, das du dich hier wie ein Berserker aufführen musst. Ich habe dir schon einmal gesagt, das wir hier nicht nur sind um Urlaub zu nehmen von dem ganzen Mist, den wir in den letzten Monaten durchmachen mussten. Wir beide sind hier, damit wir auf die Todai gehen können.“
„Und was ich davon halte wird natürlich komplett ignoriert.“, knurrte ich.
„Nein, das ist nicht wahr.“, sagte sie mit ernster Mine, “Aber manchmal müssen wir Dinge tun, die wir einfach nicht ausstehen können. Find dich bitte damit ab und beruhige dich!“
„Hör mal, wir wollen dir helfen, Rayo.“, sagte Keitaro,“Aber das geht nur, wenn du ein wenig mit spielst. Nachher musst du nur noch mit deiner Mutter zur Todai und das Vorstellungsgespräch hinter dich bringen. Wir wissen, das es nicht leicht für dich ist.“
Schon damals bei Kota hatte ich Schwierigkeiten damit, Hilfe anzunehmen, wenn ich nicht darum gebeten hatte. Und auch jetzt, wollte ich wieder meine Wut herausschreien und ich meinte wieder dieses, grässliche Fauchen in meinem Schädel zu hören. „Erst recht brauche ich keine Hilfe von Menschen! Also bitte tut mir einen Gefallen und lasst mich meine Probleme alleine regeln!“. Ich wollte es herausschreien, aber Tomoe, schüttelte nur mit den Kopf und strich mir die Haare aus dem Gesicht.
„Ruhig.“, sagte sie sanft, “Wir.......nein, ich geh mit dir gleich etwas zu essen besorgen. Was du auch willst, du bekommst es. Aber jetzt beruhige dich. Wir haben uns doch versprochen, uns nicht mehr so oft in die Haare zu kriegen, auch wenn wir uns nicht besonders mögen. Wir sind Mitbewohner, da zankt man sich schon mal. Aber jetzt musst du dich bitte beruhigen. Okay?“
Ich schluckte, atmete ein paar mal tief durch. Sie legte mir ihre Hand auf die Schläfe und seufzte schwer.
„Egal welches Gericht?“, grinste ich schief, “Egal was, du bringst es mir?“
Sie stieß ein kurzes, verdruckstes Kichern aus und schüttelte den Kopf.
„Ach Rayo, du......großer, dummer Holzkopf.“, sagte sie und musste kurz lächeln, “Was mache ich nur mit dir?“
Und um das ganze abzurunden, sprang Suu auf und hob die Faust in die Luft.
„Ich habe da grade was von Essen gehört! Wann können wir los?!“
Wir rollten beide mit den Augen und starrten uns genervt an.
„Du hast es vorgeschlagen.“, sagte ich dumpf.
Auf ihrer Stirn pulsierten kleine Äderchen und die kniff mir schief grinsend in die Wange.
„Pass bloß auf was du sagst, kleiner Teufel. Sonst kannst du dir das mit dem Essen aus den Kopf schlagen.“
„Alles was du sagst, Feuerlöckchen.“, sagte ich und konnte mir mein Grinsen nicht verkneifen.“
Sie stieß ein kurzes Lachen aus und lies mich aufstehen.
„Halt deine Klappe!“, brüllte sie mich an, ohne mit dem Gelächter aufzuhören.
Später kam es wie es kommen musste. Mutter kam uns tatsächlich im Ryokan besuchen und verbreitete mit ihrem bloßen Auftreten, eine gewisse Unruhe. Glücklicherweise hatte sie ihre Fühler versteckt, wie auch immer sie das angestellt hatte. Dennoch war ich froh, das sie Seiryu und Naomi zu Hause gelassen hatte. Ansonsten hätte es wahrscheinlich eine Massenhysterie gegeben, wie ich meinen kleinen Bruder kannte. Meine Mähne hatte man mir gekürzt und zu einem Pferdeschwaanz zusammengebunden. Was eher danach aussah wie ein zerzaustes Büschel Haare, das nach allen Seiten auseinander sprang.
Aber heute sollte ich lernen was es bedeutete, wenn einem die Mutter peinlich wird. Doch bevor sie mir die Peinlichkeiten antat, verbreitete sie erst einmal mit ihrer bloßen Anwesenheit, eine angespannte Stimmung. Ich und Tomoe wussten was ihr kommen bedeuten sollte. Sie strahlte wie üblich ihre dunkle Gelassenheit aus und ich konnte mir nicht helfen, aber ich hatte Angst vor ihr.
„Seht ihn euch nur an, meinen kleinen Prinzen!“, rief sie begeistert und öffnete ihre Arme für mich, “Mami ist wieder da!“
Ich und Tomoe zuckten zusammen. „Was hatte ich gesagt?“
„Hi, Mutter.“, brummte ich und musste ihre Umarmung über mich ergehen lassen, “Was verschafft mir die Ehre?!“
„Wir haben sie benachrichtigt, weil wir dich Morgen früh an der Todai anmelden wollen.“, sagte Keitaro,“Sie wird dich und Tomoe begleiten.“
„Ich und Keitaro kommen auch mit, dann zeigen wir euch die wichtigsten Sachen.“, sagte Naru.
Ich rollte mit den Augen.
„So früh schon?!“, fluchte ich, “Ich dachte ich hätte noch etwas Zeit um mich einzuleben!“
„Da müssen wir dich leider enttäuschen.“, rief Kitsune,“Es mag sein das du noch etwas Luft nach oben hast, aber die Zeit wird knapp.“
„Ganz richtig. Wir alle wollen an die Tokio-Uni, da ist es klar das wir alle ackern müssen.“, warf Kanako nun ein.
„Und da du ein besonderer Fall bist, werden wir dir helfen den Anschluss über die Bühne zu bringen, bevor alles den Bach runter geht.“, sagte Muzumi.
Ich seufzte und riss mich von Mutter los.
„Vielen dank auch, Mutter.“, meckerte ich, “Du hast alles nur noch komplizierter gemacht. Übrigens, wie geht es Hikari, so ganz alleine mit den Zwillingen?“
Bei der bloßen Erwähnung dieses Themas, machte meine Mutter einen kompletten Rundumschlag und machte sich bei allen Mädchen, erst mal bekannt. Allerdings hatten sie ebenso wie ich, Angst vor ihr und gaben sich keine Mühe diese zu verstecken. Allerdings verstand sie sich gut mit Kitsune und Kanako. Ich setzte mich mit Tomoe vor die Eingangstüre und seufzte schwer.
„Tut mir leid, ich hätte sie aufhalten sollen.“, sagte Tomoe wehleidig.
„Ist schon gut.“, sagte ich dumpf, “Wenigstens kann es jetzt nicht noch schlimmer werden.“
Innerlich musste es in Tomoe gerade beben und kochen, als ich diesen Satz ausgesprochen hatte. Denn während mich die Mädels damit aufzogen, das meine Mutter so überführsorglich mit mir umging und mich dauernd „kleiner Prinz“ nannte, schleifte sie Tomoe nach oben in ihr Zimmer und schloss die Türe ab.
„Ich weiß was du jetzt sagen willst, also verkneifs dir.“, sagte Mutter und setzte sich mit ihr hin.
„Was soll ich mir schon verkneifen?“, fragte Tomoe,“Ich bin nur überrascht das du so schnell hergekommen bist, ohne die Zwillinge und........“
„Ich weiß schon, ich weiß.“, seufzte Mutter, “Ich komme mir manchmal so furchtbar egoistisch vor, wenn ich die Zwillinge alleine zu Hause lasse. Hoffentlich hält Hikari das aus.“
„Und du bist dir auch ganz sicher, das nichts zwischen ihr und Senichi passieren wird?“, hackte Tomoe misstrauisch nach.
„Glaub mir, dafür werden Seiryu und Naomi sorgen, dass die beiden nicht übereinander herfallen. Außerdem wollte ich keinen Aufstand mit Senichis Erscheinen anzetteln.“
„Glaubst du denn, das Rayo das nicht verkraftet hätte, seinen Vater gegenüber zu treten?“
„Das ist ja das Problem.“, nickte Mutter, “Die Mädchen haben mir schon gesagt, wie Rayo reagiert hat, als man einen Vater nur mal am Rande erwähnt hatte. Es wäre sicher keine gute Idee gewesen ihn herzubringen.“
„Du willst ihn aber nicht auf ewig von Rayo fernhalten oder?“, sagte Tomoe.
„Keineswegs.“, sagte Mutter und zuckte mit den Achseln, “Aber wann wird schon der richtige Zeitpunkt sein? Das ganze, wird nach und nach immer komplizierter. Vor allem nach meinem Besuch in Kamakura.“
Tomoes Mine verdunkelte sich. Sie hatte nicht vergessen, das ich ihr erzählt hatte, was alles vor nicht all zu langer Zeit vor sich ging. Als Mutter vor kurzem Tomoe geragt hatte, ob sie denn mitgehen würde, um Kota und die anderen kennen zu lernen, hatte meine Mitbewohnerin einige Bedenken und lehnte ab. Das schlimmste, war aber noch nicht überstanden.
„Wir haben sie es aufgenommen, als du dort aufgeschlagen bist?“, fragte Tomoe weiter.
Mutter starrte an die Decke und pfiff vor sich hin.
„Es waren gemischte Gefühle.“, summte sie, “Ganz besonders die kleine Elfe, war nicht mehr sie selbst als sie mich und Seiryu gespürt hatte. Am intensivsten, war aber die Begegnung mit dieser, Lucy.“
„Und wie ist sie so?“, fragte Tomoe neugierig, “Ist sie wirklich so furchteinflößend wie man sie immer beschrieben hat? Verbreitet sie immer noch Angst und Schrecken?“
Mutters Antwort darauf, lies Tomoe einmal durch das gesamte Ryokan brüllen, sodass wir anderen unten zusammen zuckten.
„Du hast bitte was gemacht?!“, fluchte Tomoe,“Ja bist du denn völlig verrückt geworden?!“
„Ich verstehe überhaupt nicht wo du das Problem siehst.“, erwiderte Mutter gelassen.
„Wo das Problem ist?! Ist das dein verdammter Ernst, Shiori?! Du hast Lucy gesagt das er noch am Leben ist und ihr obendrein auch noch verraten, das er sich momentan hier aufhält! Hinzukommt noch, das du sie gebeten hast ihn mal besuchen zu kommen, wirklich eine großartige Idee! Was stimmt nur nicht mit dir!“
„Ich will das die beiden sich vertragen, das ist alles. Außerdem kann ich nicht ständig herkommen und nach meinen kleinen Prinzen sehen. Lucy wird die Zwillinge mitnehmen und euch hier etwas unter die Arme greifen, wenn es ihm schlechter gehen soll.“
„Auch das noch.“, Tomoe sank zu Boden und war erbleicht, “Wann wird sie hier sein?“
Mutter dachte nach und zählte die Wochen an den Fingern ab.
„So in spätestens zwei Monaten, müsste das sein.“
„Na toll, ausgerechnet dann, wenn wir mitten in den Vorbereitungen für die Todai sind.“, stöhnte meine Mitbewohnerin, “Apropos, wie willst du ihn eigentlich dort anmelden? Verrate mir das mal, Madam Oberschlau!“
„Ach stimmt ja, euch habe ich das noch gar nicht erzählt.“, sagte Mutter breit grinsend.
Tomoe konnte es überhaupt nicht ausstehen wenn man sie so lange auf die Folter spannte. Schon bei unserer ersten Begegnung, bei der sie mich fast zu Tode geprügelt hatte, war ihr Geduldsfaden relativ kurz.