Die nächsten Ereignisse die sich während der Prüfung abspielten, waren ein reiner Spießrutenlauf für mich. Zumindest am Anfang. Über alles weitere, musste ich im nachhinein erst nachdenken, da ich mich zwischendurch leicht ablenken ließ, in dem ich zu lange an bestimmten Aufgaben festhing. Der zweite Teil der Aufnahmeprüfung war am nächsten Tag und das ging besser von statten. Für mich und.....wie hieß sie noch gleich, gab es noch einen mündlichen Teil. Normalerweise wird das nicht an der Todai praktiziert, aber bei uns beiden hatte man eine Ausnahme gemacht, weil wir „besondere Fälle“ waren. Im Grunde wurden wir noch mal mündlich in bestimmten Themen abgefragt. Ein paar aus dem ersten Prüfungsteil und ein paar andere aus dem zweiten Teil. In der ersten Hälfte der mündlichen Prüfung, versagte ich brachial. Mit mir wurde der Boden gewischt. Doch dafür, bekam ich im zweiten Teil meine Rache. Ich konnte bei meiner „Gegnerin“ eine Spur von Zorn erkennen und zwar jedes mal wenn ich eine Antwort wusste. Im Grunde war es am Ende ausgeglichen. Und als ich beruhigt wieder hinaus ging und mich Tomoe, Naru und den anderen anschloss, hielt mich die Fremde noch mal auf.
„Ich bin.......beeindruckt.“, gestand sie mir und verneigte sich, “Du hast mir bewiesen, das du nicht nur Kampfgeist, sondern auch einen gewissen Anstand an den Tag legst.“
„Mag sein.“, sagte ich Schultern zuckend, “Ich bin nur froh das es endlich vorbei ist. Jetzt kann ich mich entspannen. Die zwei Wochen waren die reinste Folter für mich.“
„Aber du bist dabei nicht untergegangen. Das lernen, hat dich nur stärker gemacht.“
„Denk was du willst.“, sagte ich und steckte meine Hände in die Jackentaschen.
„Aber ich fürchte, das wir uns sobald nicht mehr sehen werden.“
„Was soll das denn schon wieder heißen?“, fragte ich gelangweilt.
„Ich bitte dich. Du hast dich zwar in der mündlichen Prüfung als würdiger Gegner herausgestellt, aber beim schriftlichen Teil, hast du dich viel zu sehr verausgabt. Es kann also unmöglich sein, das du hier angenommen wirst. So leid es mir auch tut, einen würdigen Gegner so schnell zu verlieren, aber viele sind vor dir schon an mir zerschellt wie Wasser, das auf einen Felsen trifft.“
Doch ich hatte ihr nach „würdiger Gegner“ nicht mehr zugehört und war schon gegangen. Warum redet sie immer so viel um den heißen Brei herum? Außerdem hat sie mir noch nicht mal ihren Namen verraten. Und da meinen die Menschen, Ich wäre unfreundlich und missraten. „Ja genau, ich bin derjenige der keine Manieren hat.“
Und jetzt, spulen wir noch mal zu besagten Morgen zurück, an dem wir alle unsere Ergebnisse der Prüfung in den Händen halten konnten, bis auf mich versteht sich.
„Na dann wollen wir mal sehen, wie unser Sorgenkind abgeschnitten hat!“, rief Kitsune begeistert.
Der Rest sollte klar sein. Su und Shinobu gaben uns einen Trommelwirbel, während Kitsune den Umschlag aufriss.
Wir alle hielten die Luft an, als sie das Papier herausholte und entfaltete. Egal was auch kommen würde, ich musste es akzeptieren. Gleichzeitig hoffe ich auch, das ich mir diesen ganzen Stress nicht noch einmal antun musste. Ein Glück war Mutter wieder in Shinjuku. Ansonsten hätte sie ein Riesentheather um die ganze Sache gemacht.
Alle drängten sich zwischen Kitsune und dem Briefumschlag. Zu erst, stieß Kanako ein enttäuschtes „Oh“ aus, was die anderen ein paar Sekunden später mit einem noch mehr enttäuschten „Oh“ erwiderten.
Ich lies mich müde und enttäuscht gegen Tomoes Schulter fallen, während sie mir dabei immer wieder kurz durch die Haare fuhr und mich hinter den Ohren kratzte. Das tat sie aber auch nur, weil sie wusste, dass das eine meiner Schwachstellen ist, um mich zu beruhigen, sollte ich die Fassung verlieren. „Wie auch immer sie das herausgefunden hat!“
„Jetzt sagt schon Leute, wie hat er abgeschnitten?“, fragte Tomoe leicht angespannt, “Müssen wir wieder zurück nach Shinjuku?“
Und um das ganze Drama etwas im Vorfeld zu entschärfen, bekam Mutter kurze Zeit später in Shinjuku einen Anruf von Haruka. Während mein Vater jetzt für meine Mutter schuften musste, in dem er sich, bis auf ein paar Kleinigkeiten, um den gesamten Haushalt kümmern musste, spielten meine Geschwister im Garten mit Hikari. Seiryu, hatten sie dabei die Augen verbunden und der musste sie nun finden. Auf der einen Seite wirkte das wie eine simple Runde „Blinde Kuh“, doch da Mutter sowohl in mir, als auch in Seiryu großes Potenzial sah, unsere Fähigkeiten zu verbessern, sollte er nun seine Sinne verschärfen. Damit Hikari sich aus der Nummer kurz befreien konnte, verband sie Naomi ebenfalls kurzer Hand die Augen und ging zu Mutter die, man mag es kaum für möglich halten, laut schnarchend auf dem Sofa lag und ihre Seifenopern verfolgte.
„Shiori!“, zischte Hikari,“Sag mal hörst du das Telefon nicht?!“
„Wenn das einer meiner Verehrer ist, wimmle ihn ab. Ich hab Migräne!“, sagte Mutter wehleidig und drehte sich auf die Seite.
„Verdammt noch mal, es ist aber wichtig, Shiori! Das ist die Nummer vom Ryokan!“
Sofort sprang meine Mutter mit gefletschten Zähnen auf und stürmte in die Küche, wo sie Vater erst mal gewaltsam davon abhielt den Hörer zu nehmen.
„Ja hallo, wer ist da?!“, fragte sie aufgeregt ,“Ach du bist es Tomoe! Ihr habt die Ergebnisse also schon bekommen?! Wie habt ihr denn abgeschnitten? Sehr schön! War also doch eine gute Idee euch zum Ryokan zu schicken. Apropos, wie hat denn mein kleiner süßer Prinz abgeschnitten?“
Ihre Reaktion glich zunächst der von den Mädels , als sie meine Ergebnisse erblickt hatten. Zu erst ein langgezogenes und enttäuschtes „Oh“. Doch das was danach kam, erschütterte ganz Japan in seinen Grundfesten, dass Naomi und Seiryu dachten, das Haus würde in sich zusammen stürzen. Mit einem lauten Kreischen, was Godzilla alle Ehre gemacht hätte, stürmte sie nach draußen in den Garten, schlug mehrmals ein Rad, begann willkürlich Seiryu und Naomi abwechselnd hoch zu werfen und wieder aufzufangen und rollte sich dann laut lachend im Gras herum.
„Sag mal, tickst du nicht mehr ganz richtig, Shiori?!“, fluchte Hikari,“Du führst dich ja noch hysterischer auf, als damals am Strand!“
„Mein kleiner Prinz hat es geschafft!“, brüllte Mutter vor Freude, “Er hat die Prüfung geschafft und wurde an der Todai angenommen!“
„Und deswegen brüllst du hier wie eine Wahnsinnige herum?!“, rief plötzlich Vater aus der Küche und stürmte mit einer umgebundenden, pinken Schürze nach draußen, “Verdammt noch mal, muss ich dich daran erinnern, das wir nicht alleine in der Gegend wohnen?!“
„Ach, drauf geschissen!“, fluchte Mutter breit grinsend, “Ist mir doch egal was diese Dummköpfe von uns denken! Mein kleiner Prinz ist an der Tokio-Uni angenommen!“
Und während Mutter nun einen Siegestanz aufführte, schämten sich mein Vater und Hikari in Grund und Boden. Seiryu und Naomi sahen eher verwirrt aus.
„Au weia.......und mit sowas müssen wir hier zusammen leben?“, seufzte Hikari schwer.
„Hey, du kannst jederzeit wieder abhauen. Ich muss weiterhin hier wohnen um meine Familie zu versorgen.“
„Das ist ja wohl ganz allein deine eigene Schuld, Senichi!“, knurrte Hikari,“Und jetzt hopp hopp, wir essen zeitig! Na los, oder soll dein Nachwuchs verhungern?!“
Nicht nur Mutter kommandierte meinen Vater herum wie ein Hauptfeldwebel bei der Armee. Und Naomi, die immer noch keine Ahnung hatte was eigentlich los war, zupfte an Vaters Hosenbein.
„Papi, warum zappelt Mami so wild in der Gegend rum?“, fragte sie.
„Ganz ehrlich Äffchen.......ich bin mir nicht sicher. Vielleicht sollten wir einen Psychiater herholen.........“
Die Tatsache, das ich die Aufnahmeprüfung bestanden hatte, sorgte für helle Aufregung im Ryokan. Kitsune wollte schon den teuren Sake aufmachen um das zu feiern, doch Naru und die anderen, konnten sie noch mal davon abhalten. Denn morgen Abend, sollte eine Feier bei der Todai stattfinden, um die neuen Studenten Willkommen zu heißen. Dazu meldeten sich alle, um beim Aufbau der Stände zu helfen. Naru und die anderen, meldeten sich freiwillig, um das Catering zu übernehmen. Da das ganze im Rahmen der Uni stattfand, musste ich mich traditionell anziehen, mit Kimono und allem was dazu gehörte. Und das, nutzten die Mädels auch eiskalt aus. Am Nachmittag vor der Feier, zogen wir uns um und präsentierten die Kimonos, wobei meiner am meisten herausstach.
„Wahnsinn.“, sagte Naru erstaunt als sie um mich herum ging und jede einzelne Faser meines Kimonos begutachtete.
„Sag mal, wie viel hat der eigentlich gekostet?“, fragte Tomoe misstrauisch und blitzte dabei Kitsune und Motoko an.
„Ach, das war ein echtes Schnäppchen!“, grinste Kitsune,“Rayos Mutter hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass Rayo unbedingt, diesen haben muss.“
„Das beantwortet aber nicht meine Frage!“, knurrte Tomoe.
„Jetzt krieg dich mal wieder ein.“, warf Kanako ein, “Es waren bloß 200.000 Yen. Das Geld haben wir von seiner Mutter bekommen.“
Tomoe, klappte der Mund auf.
„Wie bitte?!“, begehrte sie auf, “Oh ich wusste es, Shiori darf man nicht eine Sekunde aus den Augen lassen! Und sowas nennst du Schnäppchen?!“
„Sei froh das sie nicht mein Taschengeld dafür genommen hat.“, sagte ich gelangweilt.
„Du bekommst doch überhaupt kein Taschengeld, du Hirnie!“, antwortete Tomoe.
Mein Kimono war im übrigen komplett schwarz, der unten und an den Handgelenken jedoch in ein feuriges Rot überging. Verziert war er noch mit einen goldenen Drachen, der sich mit roter Mähne einmal auf den gesamten Kimono niederlegte.
„Ich frage mich aber, warum es ausgerechnet so ein teurer sein musste.“, sagte Shinobu,“Habt ihr seine Mutter auch richtig verstanden?“
„Klar haben wir das.“, meldete sich Su, “Sie hat ihn in einem Katalog gesehen und uns direkt darauf angesprochen.“
„Die Verkäuferin sagte, dass eigentlich nur hoch angesehene Leute sich solche Kimonos kaufen würden.“, erwiderte Keitaro,“Scheinbar hat uns Rayos Mutter einiges verschwiegen.“
„Nicht nur euch.“, brummte Tomoe,“Na warte, der werd ich was erzählen, wenn sie wieder hier aufkreuzt.“
Ich aber zuckte die Schultern und gähnte.
„Warum muss es eigentlich streng traditionell sein? Hätte es nicht auch eine normale kurze Hose und ein T-Shirt getan? So würde ich mich definitiv wohler fühlen.“, sagte ich.
„Du stellst dich einfach zu sehr an.“, sagte Naru, “Du musst halt noch lernen, was Tradition bedeutet. Shinobu, geh doch bitte schon mal mit Muzumi los und bereite das Essen vor.“
„Aber, machen wir das nicht auf der Feier?“, fragten die beiden.
„Ja, aber wir müssen Vorarbeit leisten! Sonst stehen wir wie die Idioten da!“
„Alles klar!“
Als wir dann endlich losgehen wollten, mussten wir noch auf Tomoe warten. Nur noch ich, Tomoe, Naru und Keitaru waren noch im Ryokan.
Tomoe konnte ihren Kimono nicht finden. Also musste Naru etwas nachhelfen.
„Bist du schon aufgeregt?“, fragte Keitaro.
„Warum sollte ich?“, erwiderte ich, “Die Prüfungen sind bestanden und alles was ich noch über mich ergehen lassen muss, ist die Feier.“
„Du warst vor deinem Koma wohl nicht oft auf solchen Festen. Sonst wüsstest du, was für ein Spaß das werden kann!“, lachte er.
Das traurige war, dass er recht hatte. Ich mochte mich zwar nur noch wage an meine Kindheit und darüber hinaus erinnern, aber eigentlich habe ich solche Feste immer vermieden, da mir der Trubel mit so vielen Menschen auf einen Haufen, meist nur auf den Magen schlug. Vielleicht sollte ich es einfach wagen und mich treiben lassen.
„Um ehrlich zu sein, kann ich mich an die Zeit davor, gar nicht mehr erinnern.“, gestand ich ihm.
„Keine Sorge, es wird schon alles gut werden. Ich bin mir sicher, wenn du etwas scharfes Takoyaki bekommst, sollte sich das schon legen. Oder was meinst du?“
Er klopfte mir auf die Schulter und lächelte mich an.
Ein Teil von mir wollte ihn mit den Vektoren weg stoßen, doch Tomoes Gemeckere, stoppte mich noch mal.
„Habt ihr den Kimono finden können?“, fragte ich.
„Und ob wir das haben.", antwortete Naru, "Wobei ich finde, dass er etwas zu sehr ihre....Oberweite zur Geltung bringt!“
„Und wo liegt da bitte das Problem?“, sagte ich tonlos.
Naru gab mir eine Kopfnuss.
„Das ist mal wieder typisch Mann! Du wirst es gleich schon selbst sehen!“
„Warum bin ich schon wieder Schuld?! Du hast doch mit ihrer Oberweite angefangen!“, fluchte ich und fletschte die Zähne.
„Du weißt ganz genau worum es eigentlich geht, du kaltschnäuziger Grobian! Warte nur bis wir uns bei den Spielständen gegenüber stehen, dann zeig ich dir wo es lang geht!“
„Die Herausforderung nehm ich an!“, zischte ich.
„Sag mal was ist denn auf einmal los mit euch beiden? Beruhigt euch mal wieder!“, versuchte Keitaro uns auseinander zu drängen.
Wir blitzten ihn finster an und ballten die Fäuste.
„Halt dich gefälligst da raus!“, fluchten wir.
Doch bevor ich und Naru uns gegenseitig zerfleischen konnten, stoppte Tomoe das Drama, indem sie uns je einen Schlag mit einem Übungskatana verpasste und wir dann zusammengekauert auf den Boden saßen. Ihr Kimono war schwarz und blau gemischt, an den Handgelenken und am Kragen zeichneten sich rote, dünne Akzente ab. Auf der rechten Seite zeichnete sich ein graues Kreuz ab, wohin gegen die Linke Seite mit einem seltsamen, dreifarbigen Muster aufwartete. Von Innen nach außen, zeigten sich uns ein dunkles rot, dann orange und ein sattes Gelb. Auf dieser Teil war wieder mit roten Akzenten umrandet. Der Ausschnitt war, wie von Naru beschrieben, etwas mehr hervorgehoben als bei den anderen Mädels.
„Das man dich auch keine Sekunde alleine lassen kann, du alter Griesgram!“, raunte Tomoe.
„Entschuldige bitte!“, jammerten wir.
„Und jetzt Abmarsch! Ich will nicht zu spät kommen! Den ganzen Tag habe ich weniger gegessen damit ich beim Fest ordentlich zuschlagen kann.“
Sie schleifte uns nach draußen und lies Keitaro erst mal alleine zurück.
„Oh je......na das wird ein Spaß, wenn die erst mal los legen.“