Mir kam es merkwürdig vor, dass ich in dem OP-Saal nicht auf einen Tisch lag, sondern auf einen Stuhl gesetzt und darauf festgeschnallt wurde. Warum noch mal hatte ich mich darauf eingelassen? Ich war nervös und nach meinen letzten Gefühlsausbruch, der nicht mal ein paar Stunden her war, hegte ich innerlich schon wieder den Gedanken mich los zu reißen und zu verschwinden. Über mir, hinter einer großen Scheibe, stand mein Arzt und neben ihm Tomoe und Yanagi. Meine Mitbewohnerin war wieder fit und wollte nun mehr denn je verhindern, dass es mir noch schlechter ergeht, als die letzten paar Tage.
„Ok mein Freund, ich weiß das du auf den ganzen Mist keine Lust hast, aber du hast dich auf den Deal nun mal eingelassen.“, sagte Dr. House über die Gegensprechanlage.
„Was genau passiert noch mal mit mir?“, fragte ich wehleidig.
„Sieh an, er ist neugierig.“, sagte er zu Tomoe, “Du wirst gleich unter eine starke Narkose gesetzt, aber so dass du mich noch ansatzweise verstehen kannst. Das einzige was du vermutlich spüren wirst, ist ein Druck auf den Schläfen. Du wirst es vermutlich als lästige Kopfschmerzen bezeichnen. Oder aber für Knirpse in deinem Alter, hättest du einen riesigen Eisbecher zu schnell leer gefuttert.“
„Das beantwortet nicht meine Frage, verdammt!“, fluchte ich.
„Ist er immer so gut gelaunt oder wie hältst du das bloß mit ihm aus?“, fragte er Tomoe.
„Letztes Jahr hätte ich ihm noch gesagt, er solle sich zusammenreißen und nicht so rumjammern. Aber sie wissen ja wie er sich momentan fühlt. Aber diese „gute Laune“ hat er eigentlich schon seit wir aus Shinjuku hergereist sind. Und es wird auch ganz sicher keine Komplikationen geben?“
„Ich habe ihn versprochen, dass ich ihm helfen werde. Mit Komplikationen muss man bei sowas immer rechnen. Glaub mir, ich hab sowas schon oft genug erlebt.“, er wandte sich wieder an mich, “Willst du wirklich haarklein genau hören, was gleich mit dir passieren wird?“
„Was hab ich schon zu verlieren?“, sagte ich und lies den Kopf hängen.
„Na gut. Also, um es kurz zu machen: Es hört sich schmerzhaft an und ein schöner Anblick wird das sicher auch nicht, aber es wird so passieren. Dir wird gleich ein kleines Loch in den Schädel gebohrt. Dann versuchen wir die Stelle, wo du die Schmerzen hast zu finden. Wenn das geschafft ist, versuchen wir die Lücke wieder zu schließen. Der kleine Tumor an deinem Herzen wird dann den Rest für dich erledigen. Somit sollte es für dich ein leichtes sein mir zu erklären, woher dein Trauma kommt. Hast du das jetzt alles verstanden oder muss ichs noch mal wiederholen?“
Eine Minute lang herrschte Stille und Tomoe atmete tief durch.
„Sie wollen mir ein Loch in den Schädel bohren?“, wiederholte ich irritiert.
„Du hattest recht.“, sagte er, “Er ist wirklich etwas schwer von Begriff.“
„Mag sein. Trotzdem vergöttert seine Mutter ihn über alle Maße. Und ich hoffe sie werden dafür sorgen, das dass auch so bleibt. Sonst hab ich Shiori wieder am Hals!“
„Er und seine Mutter sind sich in vielen Punkten ähnlich. Cool.“
„Hallo! Sind sie noch da?!“, rief ich.
„Hast du es so eilig?“, fragte er, “Keine Henkersmahlzeit? Kein kurzer Blick in den Playboy?“
Tomoe starrte ihn entrüstet, ja fast schon entsetzt an.
„Nun fangen sie schon an.“, stöhnte ich, “Bitte!“
„Also schön. Dann legen wir mal los.“
Zuvor.....
Am nächsten Tag, war ich wieder alleine. Nach dem ich gestern Yanagi nach vielen Jahren wieder begegnet war, schickte ich sie und Tomoe weg, da ich meine Ruhe haben wollte. Shinobu und Su waren enttäuscht, dass ich sie nicht so froh und heiter empfing, wie sie es sich eigentlich gewünscht hatten. Aber ich wollte ohne hin niemanden sehen. Es störte mich nicht mal, dass ich in ihrer Gegenwart etwas forsch geworden bin. Trotzdem hielt das Naru und die anderen Mädchen vom Ryokan nicht davon ab, mir ebenfalls in den nächsten Tagen einen Besuch abzustatten. Die Letzte Woche des Februars war angebrochen und dieser tiefe stechende Schmerz, der sich immer weiter in mein Herz hineinbohrte, machte mich wahnsinnig. Der Albtraum, in dem mich diese drei Augen anstarrten, wiederholte sich immer wieder, wenn ich auch nur kurz einnickte. Zu Letzt sah ich immer Saki mit dem Loch in der Brust wo einst sein Herz war. Und jedes mal tauchte hinter ihm diese gigantische Feuerwalze auf, die eine Stadt verschlang. Direkt davor, die Bestie mit den verdrehten Hörnern. Wie sie sich zu mir umdrehte, nur damit ich mit Entsetzen feststellen musste, dass ich diese Bestie war.
Wieder erwachte ich in meinen eigenen Schweiß und spürte wie mein Herz auf schmerzhafte weise raste. Doch all das wurde jäh, fast schon bedeutungslos, als ich jemanden im Bett neben mir erblickte. Ein Mann mit Sako, einer dazu passenden Hose und Sportschuhen. Neben dem Bett stand ein Gehstock auf den rote Flammen geklebt waren.
„Kannst du ein wenig leiser im Schlaf reden? Ich muss mich hier konzentrieren.“, sagte er.
Dabei drückte er nur Knöpfe auf einen........ähm....was hatte er da in den Händen? Es sah aus wie ein quadratisches Handy das man aufklappen konnte.
„Wer sind sie und warum sind sie in meinem Zimmer?!“, fragte ich angespannt.
„Oh beachte mich gar nicht.“, erwiderte er, "Ich bin nur hier, weil es bei den Komapatienten langsam langweilig wurde. Die Schnarchen immer so laut und antworten nie, wenn man sie etwas fragt.“
Ich sah mich um und bezweifelte stark, dass ich gerade wirklich wach war. Seit ich hier hergebracht wurde, plagten mich Albträume und das hier, musste einfach ein Albtraum in einem Albtraum sein. Offenbar hatte mich die ganze Situation schlimmer erwischt als zunächst angenommen.
„Wie auch immer.“, sagte ich misstrauisch, “Das Warum hätten wir schon mal geklärt. Aber das Wer wird jetzt im dunkeln gelassen? Oder wie darf ich das verstehen?!“
„Es ist egal wer oder was ich bin. Ob nun der Wind, ein Geist oder einfach nur ein simples Produkt deiner Fantasie.“
Mein Herz verkrampfte sich und die grauenvolle eiskalte Gleichgültigkeit, packte mich wieder.
„Sieh an......“, sagte ich tonlos, “Das ist ja schön für sie. Es ist mir aber egal wer sie sind und das interessiert mich auch überhaupt nicht. Lassen sie mich einfach in Ruhe. Ich will endlich aufwachen aus diesem Albtraum........also lassen sie mich weiter schlafen!“
Ich legte mich wieder hin und drehte ihm den Rücken zu und musste die Traurigkeit die wieder hochkam so gut es ging runter schlucken.
Er steckte sein komisches „Handy“ in die Tasche und setzte sich auf. Dabei stützte er sich auf seinen Stock ab.
„So so, du willst schlafen.“, wiederholte er, “Schlafen wird überbewertet. Die Hälfte deines Lebens verbringst du mit schlafen. Wobei ich es seltsam finde, das du ausgerechnet jetzt nur noch schlafen willst. Dabei habe ich gehört, wie du eigentlich sterben wolltest. Wie kommt das?“
Ein paar Tränen rannen mir die Wangen runter und ich blickte über die Schulter.
„Wo haben sie das denn gehört?“, knirschte ich und atmete schwer, “Wollen sie mir jetzt auch alles schön reden und sagen dass sie mir nur helfen wollen? Da kann ich sie enttäuschen! Das können sie gleich wieder vergessen. Ich bin fertig mit der Welt.......“
Er steckte sich ein paar Pillen in den Mund und kaute darauf herum. Dann zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich.
„Wenn du das glaubst, dann bist du ein naiver Idiot.“, warf er mir trocken an den Kopf, “Ich will dir nicht alles schön reden. Dafür ist unser beider Zeit zu kostbar. Außerdem wäre es stink langweilig. Ich bin lediglich hier um ein bisschen mit dir zu plaudern.“
Ich kauerte mich zusammen und spürte wie mein Magen vor Hunger schmerzte.
„Kein Interesse.“, sagte ich tonlos.
„Ok, auch gut.“, sagte er, “Das wird dir wahrscheinlich noch weniger gefallen, aber wir könnten was essen gehen.“
Ich schluckte und versuchte das Magenknurren zu überhören.
„Ich habe keinen Hunger.“, zischte ich.
„Schon klar. Der Fraß im Krankenhaus ist ungenießbar und sicher hast du das auch den Krankenschwestern schon mehr oder weniger, offen und ehrlich mitgeteilt. Aber bedenke folgendes: Je länger du dich weigerst etwas zu essen, desto schneller frisst sich die Magensäure durch deine Magenwände. Und da du immer noch im Krankenhaus bist, würden wir dir früher oder später das Essen intravenös einflößen müssen. Spaßige Angelegenheit. Für mich zumindest.“
Ich hustete und drehte mich auf den Rücken.
„Sie mögen es wohl Patienten leiden zu sehen! Wenn einer am Boden liegt, treten sie noch mal drauf.“, ich raufte mir die Haare, “Lassen sie mich in Ruhe.“
„Du denkst, dass ich ein Sadist bin, doch da muss ich dir leider ins Bein schießen. Es würde mich nur erfreuen, wenn ein Dummkopf wie du, seine Strafe bekommt, wenn er nicht hören will. Und sicher willst du deiner kleinen Freundin die Qualen, die du zusätzlich erleiden musst, nicht auch noch zumuten oder?“
Ich versuchte mich aufzurichten, versagte jedoch und die Magenkrämpfe wurden schlimmer.
„Sie kennen weder mich noch Tomoe.“, hustete ich, “Ich will einfach nur, dass mich jemand von diesem Leiden erlöst! Ich will nicht mehr, hören sie?!“
Er seufzte und drückte auf den roten Knopf der auf dem Bedienfeld an der Wand befestigt war. Eine Minute später rannte auch schon eine Krankenschwester ins Zimmer.
„Was ist passiert?!“, fragte sie.
„Der Patient hat einen Krampfanfall. Geben sie ihm Morphium.“, sagte er.
Wenige Augenblicke danach, ließen die Krämpfe nach und ich lag verweint und schwer atmend auf meinem Bett.
„Warum.......“, hauchte ich, “Warum....tun sie mir das an? Ich habe nicht darum gebeten,.....das man mir hilft.“
„Wir alle haben eine schwere Last zu tragen. Der eine mehr, der andere weniger. Und ich glaube, dass wir beide mehr Gemeinsamkeiten haben als dir lieb ist.“
Kurz darauf, kam Tomoe ins Zimmer und war erst mal verwirrt über meine momentane Lage.
„Was ist denn mit ihm passiert?“, fragte sie angespannt.
Meine Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Ich dachte, ich hätte dir gesagt....., dass du heute mal nicht herkommen sollst.“, nuschelte ich.
„Ein Glück habe ich mir eine deiner schlechtesten Angewohnheiten angeeignet und deine Bitte einfach mal ignoriert.“, konterte sie.
„Er ist also wirklich ein Idiot.“, sagte der Arzt, “Von mir aus. Wir brauchen einen Rollstuhl und etwas vom Schnellimbiss.“
Verdutzt starrte sie ihn an.
„Wofür bitte?“, fragte Tomoe.
„Den Rollstuhl brauche ich, da mein Bein entsetzlich schmerzt. Und das Fastfood dient als Ersatznahrung. Das Essen in Krankenhäusern ist ungenießbar.“
„Soll das so eine Art Scherz sein?“, hackte sie nach.
Er rollte mit den Augen.
„Nein, das ist kein Scherz. Ich musste ihm Morphium geben, weil er vorhin Magenkrämpfe hatte. Und ich wollte seinem Gejammere ein Ende setzen, in dem ich mit ihm in die Cafeteria gehe und ihm was zu essen gebe. Also braucht er einen Rollstuhl.“
„Und wozu dann das Fastfood?“
„Hab ich doch gesagt. Das Essen im Krankenhaus ist ungenießbar.“
Als Tomoe kopfschüttelnd wieder hinaus ging, humpelte er wieder in Richtung Büro.
„Ich will hoffen, dass sie ihn vernünftig behandeln!“, rief Tomoe.
„Ich bin Arzt. Kein Wunderheiler. Und ich würde vorschlagen, dass ich dich informiere, wann du wieder herkommen kannst. Alleine kann ich besser zu ihm durchdringen. Du lenkst ihn zu sehr ab.“
„Wieso das denn?“
„Es wird dir schon noch einfallen. Jetzt geh. Sonst wacht er wieder auf und dann sind wir wieder am Anfang!“