„So ist das also gewesen.“, sagte ich schließlich und trank meine Tasse aus, “Ich hoffe ich habe dir keinen Ärger eingehandelt. Ich meine.....was haben deine Eltern dazu gesagt?“
Ihre Antwort lies länger auf sich warten als ich zunächst annahm. Sie war viel mehr damit beschäftigt ihr Katana zu säubern.
„Meine Eltern sind im Ausland. Zur Zeit wohne ich alleine hier.“
„Ein riesiges Anwesen und nur du bist hier?“, wiederholte ich und sah mich um, “Muss einsam sein.“
„So einsam ist es hier gar nicht.“, sagte sie Schultern zuckend, “Ich habe noch meine Diener.“
„Sind die denn wenigstens zuverlässig?“, fragte ich kleinlaut.
Sie nickte. Danach stützte sie sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab und beäugte mich neugierig.
„Aber genug von meiner Wenigkeit.“, sie grinste mich an, “Ich würde jetzt lieber etwas über dich erfahren.“
Jetzt verfluchte ich mich dafür, dass ich ihr diese Möglichkeit gegeben hatte. Um mich aus der Sache herauszuwinden und nicht aufzufliegen, ging ich die Geschichte, die Tomoe und ich uns ausgedacht hatten noch einmal Schritt für Schritt durch. Angefangen bei den schweren Autounfall, woraufhin ich in ein tiefes Koma fiel. Danach ging ich weiter, bis zu dem Tag, an dem Tomoe und ich uns in der Psychiatrie, flüchtig begegnet sind. Bis hin zum großen Brand. Als ich jedoch zu dem Punkt kam, wo Tomoe von Mutter aufgenommen wurde und ich mich mit ihr herumschlagen durfte, wirkte Isshina etwas verdutzt. Irgendwo hatte ich etwas zu dick aufgetragen. Vielleicht das, bevor Tomoe und ich zum Ryokan gekommen sind und wir langsam aber sicher „besser“ miteinander umgehen konnten, statt uns gegenseitig den Schädel einzuschlagen.
Was meine Vorlieben anging, musste Isshina hin und wieder verblüfft kichern und schrieb sich sogar mein Lieblingsessen auf. Ganz besonders den Spitznamen „Feuerlöckchen“, den ich Tomoe völlig willkürlich gegeben hatte, schien Isshina zu belustigen. „Vielleicht hätte ich ihr genau das, lieber nicht sagen sollen“, dachte ich zunächst, verwarf den Gedanken aber sofort wieder „Ach Quatsch! Bestimmt hat Isshina das bis morgen schon wieder vergessen.“
„Du bist wirklich ein interessantes Individuum, dass muss man dir lassen.“, sagte sie, “Und das du es überhaupt so lange mit Darakaija aushalten konntest, erstaunt mich umso mehr.“
Ich zuckte die Schultern und vertrat mir die Beine, in dem ich durch ihren Garten schlenderte, der im übrigen ähnlich groß war wie der beim Ryokan.
„Warum aushalten?“, fragte ich, “Ich muss sie beschützen. Das hat nichts mit aushalten zu tun.“
Daraufhin, kam sie mir nach und verfolgte mich auf Schritt und Tritt, während sie um mich herum schlich.
„Beschützen.“, wiederholte sie, “Das habe ich auf der Feier, das ein oder andere mal mit angehört. Und Darakaija schien davon wenig angetan zu sein. Hat das, einen bestimmten Grund?“
Vor dem majestätischen Sakurabaum der hier stand, blieb ich stehen. Irgendetwas in mir, hatte sich gerade verkrampft. Sollte ich es ihr erklären? Aber wie könnte ich das tun, ohne alles auszuplaudern? Ich setzte mich auf die Wurzeln des Baums, die Arme schlaff in den Schoß gelegt und den Kopf gesenkt.
„Ich ähm......nun, ich spreche nicht so gerne darüber.“,
Jetzt wurde ich doch ein klein wenig nervös. Denn Isshina war hartnäckig, genauso wie Tomoe. Nur das Tomoes Hartnäckigkeit darin bestand, mir aus dem Weg zu gehen, aber Isshina war da das genaue Gegenteil. Sie hatte offensichtlich einen Narren an mir gefressen.
„Ich nehme mal an, dass es was mit den Brand zu tun hat. Es überrascht mich gar nicht, dass sie sich dir gegenüber so.....verschlossen verhält. So war sie schon immer.“, erklärte sie und starrte in die Äste, “Schon irgendwie traurig.“
Ich schluckte und rupfte ein paar Grashalme aus.
„Wow, so schnell hat mich noch niemand durchschaut.“, gestand ich ihr.
„Eine meiner leichtesten Übungen.“, lachte sie, “Aber glaub mir, dein gesamtes Wesen habe ich noch nicht ergründet. Du bist,.....wie nennt man das, ein Buch dessen Ende man zwar im Nebel erahnen kann, aber nach jedem Geheimnis das man lüftet, kommen neue hinzu und das Ende verschiebt sich immer mehr nach hinten. Aber man kann nicht aufhören!“
„Redest du immer so in Rätseln?“, sagte ich säuerlich, “Du erinnerst dich hoffentlich noch daran, dass ich das nicht sonderlich mag.“
Sie setzte sich mit gekreuzten Beinen neben mich.
„Bitte entschuldige, es war nicht meine Absicht dich zu kränken.“
Ich winkte ab.
„Jetzt verrate du mir, warum du und Tomoe eigentlich Rivalinnen seit.“
Sie hob eine Hand und hielt kurz Inne.
„Und nun, will ich das du dich an gestern Nacht zurück erinnerst. Auf der Feier hast du doch bestimmt bemerkt, mit welchen Beleidigungen mich Darakaija angeschnauzt hat.“
„Das habe ich zwar bemerkt, aber das erklärt nicht eure Rivalität.“, erwiderte ich.
Sie rollte mit den Augen und verwies auf ihr Katana.
„Es ist.........ihre aufbrausende Art. Sie ist, zu heißblütig. Beim kleinsten Anzeichen von Ärger, schießt ihr Puls in die Höhe und im gleichen Atemzug, muss sie diese Energie wieder loswerden. Dabei ist sie eigentlich gar nicht so schlecht mit dem Katana.“, erklärte sie.
„Und trotzdem scheint sie dich nicht wirklich zu mögen.“, antwortete ich.
„Weil sie gegen mich meist den kürzeren gezogen hat.“, sagte Isshina,“Trotzdem hatte sie es geschafft, mich auf dem Weg zur Kenjetsu-Meisterin einzuholen. Jedoch versagte sie im letzten Kampf gegen mich. Und das einzig und allein deswegen, weil sie in ihrer heißspornigen Wut, immer das Ziel aus den Augen verliert. Sie sang nur noch darauf ihr Katana mit Wucht und Kraft zu schwingen, nicht mit Präzision und Schnelligkeit. Schon wenn sie anfängt, den Gegner vor dem Kampf mit beißenden Worten und dummen Sprüchen einzuschüchtern, ist sie zum Scheitern verurteilt. Und das, kannst du ihr gerne sagen, wenn du ihr früher oder später gegenüber stehst.“
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
„Ob das so eine gute Idee ist, wage ich zu bezweifeln!“
Doch Isshina oder auch Ella, war noch nicht fertig.
„Da fällt mir ein, weiß dein Anhang vom Ryokan eigentlich wo du steckst?“
Ich schluckte und kleine Erinnerungsfetzen blitzten in meinen Gedanken auf. Zu erst der Sake den mir Kanako und Kitsune geben, dann das Liebkosen der beiden......bis hin zu dem Punkt, an dem ich benommen aus dem Ryokan, in die kalte Nacht hinaus spazierte. Mein Kopf begann zu rauchen, als mir klar wurde, dass keiner von ihnen wusste, wo ich mich aufhielt.
„Jetzt wo du es sagst.“, sagte ich und schlug mir gegen die Stirn, “Ich hätte doch eine Nachricht hinterlassen können.“
„Verdammt noch mal, er hätte uns eine Nachricht hinterlassen können!“, brüllte Tomoe.
Alle standen vor der Todai und wussten einfach nicht mehr weiter. Sogar Shirai und Haitani hatten keine Ahnung, wo sie noch nach mir suchen sollten. Mittlerweile war es 13:47 Uhr. Während Naru und Keitaro die Orte abhackten an denen sie schon gesucht hatten, knurrte Su der Magen und sie kauerte auf der Bank. Kentaro, einen....ähm....Typen der schon fast mit Rin'ne zu vergleichen war, hatten sie auch schon im Hilfe gebeten, damit er ein paar Leute von der Feier befragt, ob sie letzte Nacht noch irgendwas bemerkt hatten.
„Können wir eine Pause einlegen?“, fragte Su, “Das Frühstück kann man ja mal ausfallen lassen, aber nicht das Mittagessen!“
„Nein, wir werden erst wieder was essen, wenn wir ihn gefunden haben.“, sagte Tomoe mit ernster Mine, “Das ist ja fast so schlimm wie damals in Shinjuku! Dort ist er auch nach einem Streit zwischen uns, am nächsten Morgen spurlos verschwunden und ich und Hikari, durften ihn dann zwei Tage lang suchen!“
„Jetzt beruhige dich doch erst mal.“, beruhigte sie Muzumi,“Er ist doch kein kleines Kind mehr. Es geht ihm sicher gut.“
„Du hast ja gar keine Ahnung. Vielleicht, will er auch gar nicht gefunden werden.“, sagte Tomoe und seufzte schwer, “Manchmal hab ich das Gefühl, er macht das mit Absicht, um mich in den Wahnsinn zu treiben.“
„Vielleicht liegt es ja auch daran, dass die Nacht etwas zu viel für ihn war.“, erklärte Shinobu.
„Da könnte sie allerdings Recht haben.“, sagte Kanako,“War wohl zu viel auf einmal.“
„Vor allem aber, beschäftigt mich die Tatsache, das ihr beide euch mit ihm geküsst habt.“, warf Motoko ein.
Alle außer Tomoe und Keitaro, starrten Kanako und Kitsune mit vorwurfsvollen Blicken an.
„Ja genau, das hatten wir ja noch gar nicht geklärt.“, sagte Naru.
Kitsune zuckte mit den Schultern und trank an einer Limo.
„Was gibt es da schon groß zu klären? Wir haben gefeiert und etwas viel getrunken, da passiert sowas schon mal.“
Doch Kanako, hatte Einwände.
„Moment mal, du hast von uns allen doch am wenigsten getrunken! Abgesehen von Su und Shinobu!“, sagte sie.
„Ganz richtig. Also könntest du uns endlich verraten, was du mit Rayo vor hattest?“, sagte Naru.
Kitsune warf die leere Dose in die Mülltonne hinter sich und atmete tief durch.
„Okay, ich....habe weniger getrunken als alle anderen. Aber auch nur.....weil ich sehen wollte wie Rayo auf sowas reagiert.“
„Auf das küssen?“, fragte Su.
„Natürlich. Worauf denn sonst?“, antwortete Kitsune, “Und ich muss schon sagen, er......war zwar schon etwas angeschickert, aber küssen kann er, dass muss man ihm lassen. Das war schon mal nicht von schlechten Eltern.“
„Gut.“, sagte Naru entschieden und atmete ein paar mal tief durch, “Wenn sich das also nur aufs Küssen beschränkt hat, können wir alle beruhigt sein. Aber ihr müsst es ihm erklären. Wahrscheinlich ist er völlig verwirrt darüber was passiert ist.“
Nach einer langen Pause, wandte sich Kitsune an Tomoe.
„Sag mal,.........es geht mich zwar nichts an aber.......ist Rayo noch zu haben?“, fragte sie vorsichtig.
Normaler Weise würden alle jetzt einen Anfall von Tomoe erwarten, den sie etwas falsch hätten deuten können, doch meine Mitbewohnerin brauchte nicht lange um über die Frage nachzudenken. Also spielte sie mit offenen Karten.
„Woher soll ich das wissen?“, sagte sie und neigte den Kopf.
„Na hör mal.“, warf Naru ein, “Immerhin habt ihr beide doch schon eine Menge erlebt und außerdem hat er dich aus dem Feuer gerettet.“
Tomoe zuckte die Achseln.
„Das heißt aber noch lange nicht, das ich über jedes kleine Detail aus seinem Liebesleben bescheid wissen muss. Ich weiß nicht worauf er steht oder ob er überhaupt weiß, was es bedeutet jemanden zu lieben. Ich zweifle sogar stark daran, dass er in der Lage ist, so etwas wie Liebe zum Ausdruck zu bringen. Wenn du dich ihm also unbedingt an den Hals werfen willst, ist das deine Entscheidung, nicht meine. Es hängt daher nur noch von Rayo alleine ab, ob er sich darauf einlassen will.“
Wenig später, stieß endlich Kentaro zu ihnen und offenbar hatte er gute Neuigkeiten.
„Bitte sag mir, das du einen Hinweis hast, wo er steckt!“, flehte Tomoe und massierte sich die Schläfen.
„Und ob.“, sagte er, “Die Feier ging noch etwas länger als geplant und ich half mit aufzuräumen. Als ich dann aber wieder gehen wollte, sah ich wie jemand einen Betrunkenen mit einem Drachen-Kimono, auf einer Bank, in eine Limousine geschleppt hat.“
„Wie bitte? Eine Limousine?“, fragte Keitaro.
Doch jetzt, wurde Tomoe hellhörig.
„Sagten Haitani und Shirai bei den Vorbereitungen auf die Prüfung nicht, dass diese Isshina mit einer Limousine am Tag der Anmeldung, bei der Todai vorgefahren ist?“, warf Naru ein.
„Wie sah sie aus?“, fragte Kanako.
„Ich glaube........sie war schwarz und auf den hinteren Türen waren Kirschblüten aufgedruckt.“, sagte Kentaro.
Tomoe nickte und versuchte sich ein Bild davon zu machen.
„Hast du auch gesehen, wer in der Limo saß?“, fragte sie weiter.
„Ich bin mir nicht ganz sicher aber.........ich glaube sie trug ein Katana bei sich und einen weißen Kimono.“, erwiderte Kentaro.
Tomoes Blick verdunkelte sich.
„Korukawa.“, knurrte sie und ballte die Fäuste.
„Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wo sie mit ihm hin ist.“, sagte Shinobu.
„Ich glaube sie sagte, sie wolle nach Toshima.“
„Gut das reicht mir.“, sagte Tomoe trocken, “Naru, ich würde vorschlagen, du und ich fahren dorthin und holen ihn zurück.“
„Können wir dann endlich was essen?!“, rief Su.
„Wenn ich ehrlich bin,.......knurrt mir auch schon der Magen.“, sagte Shinobu.
„Dann essen wir erst was und fahren dann los.“, erwiderte Naru,“Aber Tomoe, hast du überhaupt eine Ahnung wo diese Isshina wohnt?“
„Das finden wir schnell raus. Wir telefonieren einfach rum und hoffen einfach das wir die richtige erwischen.“