Es tobte ein Gewitter, die Regentropfen schmerzten auf meinem Gesicht, aber ich war ohne hin von der Trauer überwältigt, als ich an seinem Grab stand. Denn ich war derjenige der ihm mit diesem Wahnsinn und all dem Schmerz allein gelassen hatte. Der einzige Trost, mit dem mich meine Mitbewohnerin aufbauen wollte war, dass ich mich glücklich schätzen konnte, selbst noch am Leben zu sein und dankbar sollte ich sein, das ich noch Familie und so etwas, wie Freunde hatte, die mir beistanden, auch wenn ich deren Anwesenheit im Moment am aller wenigsten ertragen hätte, ganz gleich welche aufmunternden Worte sie mir auch auf meinen Weg, mitgegeben hätten. Zu vor hatte ich ihr nur vorgespielt, das es mir gänzlich egal war, was mit ihm geschehen war und selbst wenn ich ihn keines Wegs mehr zurückholen konnte, so wollte ich mit meinem Schmerz alleine sein, weit weg von meiner Vergangenheit, weg von Kamakura!
"Willst du noch hier bleiben?", fragte meine Mitbewohnerin sanft neben mir und legte mir eine Hand auf die Schulter, "Brauchst du noch eine Weile?"
Ich atmete tief durch, starrte in den Himmel und suchte verzweifelt nach einer Antwort, aber sie war schneller. Denn als ich zusammen klappte und ich im Ozean versank, der sich durch den Regen immer weiter ausbreitete, kam sie auf meine Augenhöhe und umarmte mich, als ich meine Tränen nicht mehr zurück halten konnte. Und ich war dankbar für ihre Nähe, für ihre Fürsorge. Doch plötzlich wies sie mich an, sofort wieder auf die Beine zu kommen und ihr zu folgen und mich nicht umzudrehen, denn ein altbekanntes Gesicht hatte sich genähert um ebenfalls um dem zu trauern, der sie vor einem halben Jahr noch beschützt hatte und sie war nicht alleine gekommen, denn die beiden, die mich vor langer Zeit bei sich aufnahmen, spendeten ihr Trost, doch ich bekam von all dem nichts mehr mit, da ich mit meiner Mitbewohnerin schon wieder im Taxi saß, wo ich mich nicht mehr beherrschen konnte und von meiner Traurigkeit übermannt wurde. Ich hatte das Gesicht an ihre Schulter gepresst, während sie mich in ihre Arme geschlossen hatte.
Doch, wie war es zu diesem Augenblick gekommen? Wen hatte ich da denn nun betrauert und wieso lasse ich diejenigen daran teilhaben, die meiner Geschichte aufmerksam lauschen wollen? Nun, ich denke es wäre für alle das beste, wenn wir da beginnen, wo der ganze Ärger, all dieser Wahnsinn, noch mal eine Wendung genommen hatte. Bei dem Tag, wo eigentlich alles anders werden sollte.
„Der ewige Machtkampf/ Leiden des Königs“
Immer noch stand ich wie angewurzelt vor dem Eingang des Hinata Ryokans, nur wenige Meter von meiner Vergangenheit entfernt. Einst hatten ich und Lucy ähm.....ich meine Kaede, eine etwas haarsträubende Auseinandersetzung, die uns beiden beinahe das Leben gekostet hätte. Wie das ganze ausgegangen ist, brauche ich an dieser Stelle, hoffentlich nicht noch einmal zu erzählen.
In mir brodelte eine ganz seltsame Mischung aus Angst und Respekt. Ich konnte ihre Vektoren ganz genau spüren und dabei hatte sie diese nicht mal zum Vorschein gebracht. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich wie Tomoes Knie kaum merklich zitterten.
„Hätte dir wahrscheinlich sagen sollen, dass deine Mutter sie hergeschickt hat.“, flüsterte sie mit ernster Mine.
Doch ich schüttelte nur den Kopf und schluckte.
„Ich finde es eher erstaunlicher, dass ich sie überhaupt gar nicht erst gespürt habe.“
Noch hatte sich Kaede nicht großartig bewegt. Sie stand einfach nur da und beobachtete mich. Tomoe, ignorierte sie dabei gänzlich. Da meine Mitbewohnerin einen kurzen Geduldsfaden hatte, stieß sie mir mit den Ellbogen in die Rippen und nickte nach vorne.
„Jetzt geh zu ihr und sag endlich was!“, befahl sie.
„Und was soll ich bitte sagen?!“, knurrte ich.
„Jetzt werd bloß nicht frech! Geh einfach hin, sonst schleif ich dich höchst persönlich zu ihr! Los jetzt!“
Sie schubste mich nach vorne, was Kaede nur mit einen simplen Augenrollen beantwortete. Ich schluckte und tat meine ersten Schritte.
„Es ist....schön dich zu sehen.“, sagte ich nervös, “Muss ganz schön lange her sein.......“
Tomoe schlug sich die Hand gegen die Stirn.
„Fang doch nicht so an du......Idiot!“, knirschte sie.
„Hör mal, ich weiß das unsere letzte Begegnung nicht wirklich optimal abgelaufen ist, aber........ich will das aus der Welt schaffen und......“
Plötzlich, wollten meine Beine einfach nicht mehr. Mein nächster Schritt versagte, als ich direkt vor ihr stand. Ich spürte etwas an meinen Armen und meinen Füßen. Kaede hatte mich aufgehalten, mich mit ihren Vektoren davon abgehalten ihr näher zu kommen. Meine Nackenhaare stellten sich auf, als ich ihren Blick sah. Diese abgrundtiefe Bosheit und dieses kaltblütige, mordlüsterne Funkeln in ihren Augen sagte mir genau, wie weit sie gehen würde, um jetzt und hier, das zu beenden, was ihr in Kamakura nicht gelungen war. In meinen Gliedmaßen und meinen Kopf, spürte ich die Vektoren. Sie durchdrangen mich und waren bereit, mich in Fetzen zu reißen. Und obwohl ich schwitzte, lies ich mir nichts anmerken und hielt ihren Blick stand.
Doch Tomoe, hatte schon so eine Ahnung, wie die ganze Sache ausgehen würde, wenn jetzt nicht etwas passiert. Also kam sie zu uns und bemerkte wie angespannt und angestrengt ich versuchte, Kaede stand zu halten.
„Willst du nicht erst mal rein kommen?“, fragte sie, “Du hast später noch Zeit dich mit ihm rum zu ärgern.“
Kaede blickte sie von der Seite an und schnaufte nur kurz.
„Was kümmert es dich? Im Grunde genommen, geht dich die Sache zwischen uns beiden überhaupt nichts an. Es hat also keinen Sinn das du dich hier einmischst.“, entgegnete sie.
Doch Tomoe seufzte nur und hackte weiter nach.
„Jetzt sei doch bitte vernünftig. Das bringt doch nichts, sich jetzt hier wieder in die Haare zu kriegen. Komm, ich stell dich den anderen vor.“
Kaedes Auge zuckte nur kurz und ich fürchtete, dass sie es nun auf Tomoe abgesehen hätte. Doch glücklicher Weise nahte auch schon Hilfe. Die Eingangstüre wurde aufgeschoben und heraus kam Shinobu.
„Hier steckt ihr beiden also!“, rief sie, “Deine Mutter hat gerade angerufen! Es ist Besuch für dich gekommen, Rayo!“
Meine Mitbewohnerin bemerkte meinen Blick und wandte sich dann an Shinobu.
„Das wissen wir schon! Hol schon mal die anderen! Wir kommen sofort rein!“
Kurz darauf, stapfte Kaede einfach an mir vorbei und ging in Richtung Ryokan. Ihre Vektoren hatten mich immer noch fest im Griff und erst als sie mit Shinobu den Eingang passiert hatte, konnte ich locker lassen und lies mich erst mal auf den Rücken fallen.
„Hoffentlich benimmt sie sich.“, sagte Tomoe und ging hinter den beiden her.
„Ich glaube, das wird schwieriger als wir denken.“, murmelte ich und schloss mich ihr an.
„Hör zu, nur damit das klar ist: Ich bin immer noch wütend auf dich.“, sagte sie mit ernster Mine, “Aber trotzdem, müssen wir uns bemühen, dass sie keineswegs ihren Frust an den anderen auslässt.“
„Verstanden.“, sagte ich knapp und ging hinein.
Tomoe blieb jedoch zurück. Zu erst, atmete sie tief durch und fiel dann auf die Knie. Der Schweiß, tropfte ihr von der Nasenspitze und fiel gerade zu in Zeitlupe zu Boden. Sie konnte ihren Herzschlag hören. Ihr steckte ein Kloß im Hals, Arme und Beine zitterten wie verrückt.
„Was........was war das?!“, hauchte sie geschockt und drehte sich entsetzt zur Türe um, “Das kann doch einfach nicht normal sein! Ich habe sie gesehen......, ich habe......ihre Vektoren gesehen! Was geht hier vor?!“
Die Nervosität, die Tomoe gut vor mir verbergen konnte, hatte auch mich erfasst. Zu erst hatten wir befürchtet, dass Kaede ihre Hörner einfach so preis geben würde und wir alle, somit auffliegen würden. Doch glücklicher Weise war die Königin schon über unsere Lage hier informiert. Tomoe erzählte mir, das Mutter Kaede und die anderen in Kamakura besucht hat, um zu sehen, ob ich in guten Händen war. Und so wie es aussieht, scheint sie gefallen an Kota und Yuka gefunden zu haben. Aber, mehr dazu später. Und zwar deswegen, weil Kaede mich immer nur mit einem finsteren Blick aus den Augenwinkeln bedachte und sich erst mal nur mit den Mädels beschäftigte. Alle waren neugierig wer sie eigentlich war und warum sie hergekommen war. Wir hatten uns im Garten versammelt und alle ignorierten mich und Tomoe. Kaede saß auf der Veranda und blickte in die Runde.
„Du kommst also aus Kamakura?“, fragte Su.
„Ganz recht.“, erwiderte Kaede knapp, “Ich wohne, bei einer Gastfamilie.“
„Es muss wirklich schön dort sein.“, warf Muzumi ein, “Bald sollen da doch die Kirschblüten blühen.“
„Ich hab gehört, dass man dort einen beeindruckenden Blick auf die Stadt und das Meer hat.“, sagte Kanako. Ich schluckte und betete, dass Kaede nicht die Geduld verlieren möge.
„Wenn die nur wüssten.“, flüsterte ich Tomoe zu.
„Pscht!“, zischte sie, “Vergiss nicht was du mir geschworen hast! Halt dich an meine Anweisungen und vermassel es bloß nicht!“
Doch jetzt, stellte Kaede ihre erste Frage und ihr Blick, fiel auf Keitaro.
„Darf man fragen, warum du hier, neben diesem Kleinkind, der einzige Mann bist?“, fragte sie, direkt an ihn gewandt und durchbohrte ihn mit ihrem eisigen Blick.
Keitaro grinste verlegen und alle anderen begannen zu kichern.
„Nun ja eh.....ich, ich....ehm.....ich bin der Hausverwalter vom Haus Hinata.“, erklärte er und rückte seine Brille zurecht.
„Hausverwalter, sagst du?“, wiederholte Kaede,“Davon habe ich noch nie was gehört. Ich will für dich nicht hoffen das du lügst.“
Motoko, die direkt neben Kaede saß, lehnte sich zu ihr rüber und flüsterte ihr etwas zu.
„Darf man fragen, woher ihr beide euch kennt?“, meldete sich Shinobu zu Wort, “Du und Rayo meine ich.“
Kaede drehte sich zu mir um und nagelte mich mit ihrem Blick fest.
„Ich glaube, das kann er dir selbst erzählen.“, sagte sie kühl.
Alle Augen richteten sich auf mich und Tomoes Nackenhaare, stellten sich auf.
„Ähm.....wir beide........ich meine sie ist eh.....“, stammelte ich, “Eine Freundin der Familie! Wir sind uns mal im Waisenhaus begegnet. Wir kannten uns zwar, haben aber nie besonders viel miteinander zu tun gehabt. Als sie dann später in ein anderes Waisenhaus verlegt wurde, haben wir uns aus den Augen verloren.“
Nach einem etwas holprigen Start in diesen Tag, schlug Tomoe vor, das wir drei uns eine weile alleine unterhalten sollten. Natürlich wollte Su uns begleiten, während der Rest entweder damit beschäftigt war einkaufen zu gehen, oder aber sich in Keitaros Zimmer einschlossen um ein paar Dinge zu besprechen, aber Tomoe hatte Einwände.
„Ach kommt schon, wieso darf ich nicht mit gehen!“, schmollte sie und hing Tomoe an den Fersen und zwar Wort wörtlich.
„Wie oft soll ich dir das noch sagen, Su? Kaede muss sich erst mal etwas eingewöhnen und die Begegnung mit allen auf einmal, war etwas zu viel für sie.“
Kaede beantwortete das mit einen genervten seufzen.
„Ich hatte das ganze etwas anders in Erinnerung.“, flüsterte sie Tomoe zu.
„Jetzt versau mir nicht alles und sei still!“, fluchte Tomoe und wand sich wieder Su zu, “Wie wärs wenn du mal Haruka etwas zur Hand gehst? Kentaro ist heute nämlich nicht da.“
Aber Su blieb hartnäckig.
„Ach bitte, ich bin auch ganz brav ich schwörs! Es ist so langweilig wenn alle beschäftigt sind! Und wenn Rayo nicht da ist, macht es keinen Spaß meine neuen Mechas auszuprobieren!“
So langsam verzweifelte Tomoe und raufte sich die Haare.
„Hör mal, die beiden haben einige private Dinge zu besprechen. Beim nächsten mal kannst du gerne mit gehen!“
Su neigte den Kopf und verschränkte die Arme.
„Was denn privates? Haben die beiden sich schon mal geküsst?!“
Daraufhin machte Kaede kehrt und ging voraus.
„Wie bitte? Wie kommst du denn darauf? Wir kennen uns doch kaum!“, sagte ich angespannt.
Von Kaede bekam ich einen Schlag in die Rippen und ein eisiges „Lügner“ von ihr, in mein Ohr.
Bevor die ganze sich aber bis ins unendliche hinauszögerte, zückte Tomoe hinter ihrem Rücken eine von ihren Rauchkügelchen hervor.
„Entschuldige Su, aber wir haben es eilig!“, versuchte Tomoe noch mal, uns aus der Affäre zu ziehen.
„Könnt ihr es euch nicht noch mal überlegen? Lasst mich doch bitte mitgehen.......“
Tomoe reagierte blitzschnell und knallte das Rauchkügelchen auf den Boden, sodass wir in einer dichten Wolke verschwinden konnten. Su, blieb dabei alleine zurück. Verwirrt und beleidigt versteht sich. Wir waren inzwischen schon hinter der nächsten Ecke verschwunden.
„Wo hast du diese Dinger eigentlich her?“, fragte ich neugierig.
„Ist nur ne kleine Spielerei, die ich mir vor Jahren gebastelt habe. Jetzt suchen wir uns erst mal einen ruhigen Platz. Wo uns niemand stört!“
Su ging währenddessen wieder beleidigt ins Ryokan.
„Ihr seid so gemein!“, rief sie noch und verschwand hinter der Haustüre.