Am Samstag, nach dem Vorfall beim Schwimmkurs, hatte ich die anderen darum gebeten, ein wenig auf Rayo acht zu geben. Hoffentlich stellte sich das nicht als Fehler heraus. Aber wahrscheinlich machte ich mir wegen nichts und wieder nichts Sorgen. Auch hatte nicht nur jeder von ihnen mir noch einmal aufdringlich gesagt, ich solle aufhören mich zu kratzen. Naru, Keitaro und Kanako hatten mir ein spezielles Shampoo gegeben, da scheinbar irgendetwas meine Kopfhaut angriff. „Dabei kratzte ich mich doch gar nicht mehr. Oder etwa doch ? Sicher bilden die sich das bloß ein. Wer weiß das schon ? Aber warum schmerzte mein Kopf denn so fürchterlich.....“ Jedenfalls suchte ich nach dem Vorfall Shiori auf. Und entweder war das ein fataler Fehler oder eine ziemliche Dummheit von mir. Ich hatte ihr erzählt was vorgefallen war und das machte sie rasend.
„Wie bitte, was ist los?!“, fluchte sie,“Eine Dozentin hätte fast dafür gesorgt, das mein armer kleiner Prinz absäuft?!“
„Tut mir ja leid, ich wollte noch rein springen und ihn rausholen....“
„Ich meine gut, ihr seit alle alt genug, aber verdammt noch mal! Ist es zu viel verlangt, dass eine Lehrkraft ein bisschen auf alles ein Auge hat?! Na warte, der werd ich was erzählen, dass versprech ich dir!“
Von ihrem Gefluche kamen Senichi und die Zwillinge dazu. Alle drei sahen verschlafen aus.
„Shiori, hattest du uns nicht gesagt, dass wir ein Mittagsschläfchen halten sollen?“, sagte Senichi gähnend.
„Mami hat wohl schlechte Laune.“, erwiderte Naomi genauso müde.
Von Seiryu kam nur ein kurzes „Hicks“.
„Ach euch drei hab ich völlig vergessen bei all der Aufregung.“, sagte sie zerknirscht und begann die Zwillinge zu knuddeln,“Hat Mami euch tatsächlich aufgeweckt? Wie dumm von mir.“
„Und ich werde natürlich übersehen.“, brummte Senichi.
„Ach komm lass das doch.“, konterte Shiori,“Dir hab ich doch nur gesagt, das du die beiden dazu bringen sollst zu schlafen. Nicht das du dich auch noch aufs Ohr haust.“
Er zuckte die Schultern.
„Mittagsschläfchen sind aber gut.“, entgegnete er.
Jetzt wandte sie sich wieder mir zu, während Naomi und Seiryu mich grüßten.
„Wie geht es denn nun meinen kleinen Prinzen?“
„Ach dem geht’s gut.“, winkte ich ab,“Zwar wirkte er danach etwas distanziert und schweigsam, aber so kennen wir ihn nun mal. Noch nicht mal mit Isshina wollte er ein Wort danach wechseln und dabei können sich die beiden mittlerweile gut leiden, auch wenn sie ständig ihre Stimmungsschwankungen hat.“
„Gut, dann bin ich beruhigt. Aber, wie ich dich kenne, Feuerlöckchen, bist du sicher nicht nur deswegen hier oder?“
„Ganz recht. Ich wollte dich fragen, ob du mich zu eurer Residenz bringst. Es gibt da jemanden den sprechen muss.“
Mutter machte große Augen und neigte den Kopf.
„Hat das wiederum einen bestimmten Grund?“, fragte sie neugierig.
„Nun, es gibt da diese Sache, die ich und die anderen planen. Aber Rayo darf davon nichts mitkriegen!“
Shiori setzte ein schelmisches Grinsen auf.
„Oho, womit wollt ihr meinen Prinzen denn überraschen?“
„Dazu komme ich später noch.“, antwortete ich,“Warte es nur ab.“
Zur gleichen Zeit hatte sich Rayo dazu bequemt, sich die Zeit zu vertreiben, indem er bei jedem der anderen mal vorbei schaute. Shinobu versuchte ihm das Kochen etwas näher zu bringen, was aber scheiterte, da er sich nicht nur dauernd in die Finger schnitt, sondern sich auch ununterbrochen an der heißen Herdplatte verbrannte. Bei Motoko lief es zwar nicht viel besser, aber auch nicht schlechter. Er konnte ihr in Sachen Schwertkampf nicht wirklich etwas entgegensetzen, war aber ein Meister im Ausweichen. Auch hatte er mir später erzählt, dass er ständig versucht hatte, Kanakos Katze noch mal alleine anzutreffen, damit er sie noch einmal sprechen hört. „Verrückter Holzkopf!“ Letztendlich kam er bei Su vorbei und klopfte an ihre Türe.
„Was eh...“, stammelte er, als er den Urwald vorfand, der sich durch ihr gesamtes Zimmer zog,“Su?! Bist du hier?!“
„Oh, Rayo bist du das? Warte, ich bin gleich da!“, rief sie und stand dann wenige Momente später vor ihm,“Na wie findest du's?“
„Sag mal, was gibst du deinen Pflanzen bitte für einen Dünger?! Dagegen sieht ja der größte Regenwald noch winzig aus!“
Sie grinste jedoch nur und schnappte sich eine Banane.
„Das werte ich einfach mal als Kompliment. Aber verrate du mir erst mal, warum du mich besuchst.“
„Richtig richtig.“, erinnerte er sich,“Könntest du mir bei einer Sache helfen?“
„Ja, aber natürlich. Sag mir was du für ein Problem hast und ich tu was ich kann.“
„Das muss aber vorerst unter uns bleiben.“
„Hat das was mit dem zu tun, was vorgestern passiert ist?“
Er starrte an die Decke und nahm sich dann mit fragenden Blick eine Banane, was Su natürlich abnickte.
„Ja und nein.“, sagte er,“Dafür müssen wir aber erst mal zu einem Schrottplatz. Falls du weist wo man einen finden kann.“
Verwirrt neigte sie den Kopf.
„Das ist wirklich eine seltsame Bitte. Aber gut, von mir aus.“, erwiderte sie und ging zurück in ihren Urwald,“Ich bringe nur noch schnell meinen neusten Mecha zu ende, dann können wir los. Und nimm dir ruhig so viele Bananen mit wie du willst.“
Das, hätte sie ihm lieber nicht sagen sollen, denn als sie los wollten, prustete sie los vor Lachen, als er sich eine ganze Staude gekrallt hatte und fast unter dem Gewicht zusammenbrach.
„Dabei sieht das in Filmen und Serien doch immer so leicht aus!“, fluchte er und taumelte den Gang entlang.
„Du bist mir ja ein Komiker.“, lachte sie.
„Du sagtest doch „Nimm so viele Bananen wie du willst.“, wie hätte ich da anders reagieren sollen?!“
„Tja, das ist dein eigenes Pech.“
Inzwischen waren Shiori und ich bei der Residenz des Akumaru Klans angekommen. Rayo hatte uns erzählt, wie riesig alles sein sollte. Natürlich dachte ich, dass er wieder mal übertreiben würde, doch jetzt da ich selbst vor dem Tor stand, musste ich mein Argument zurücknehmen und runter schlucken. Alleine schon das Klansymbol, machte auf mich einen unauslöschlichen Eindruck. Alle Augen waren weit aufgerissen und es wirkte so, als ob sie mich direkt anstarren würden.
„Da wären wir also.“, sagte Shiori voller Stolz.
„Wir sind hier zwar nur beim Tor, aber das beeindruckt mich schon zu tiefst.“, erwiderte ich.
„Ja, mein kleiner Prinz hatte etwas ähnliches gesagt. Und ab hier, muss ich dir eine kleine Warnung mit auf dem Weg geben.“
„Dann mal raus damit.“
„Hier, leben stinknormale Menschen. Na gut, abgesehen von Rayos Cousine Ayako, aber die ist unwichtig. Sie sind keine Diclonius so wie ich, Rayo und die Zwillinge. Dennoch, wissen sie von uns Bescheid. Und kein Mitglied eines anderen Klans, hat jemals diese Mauern von innen gesehen.“
„Also werde ich hier verachtet?“, schloss ich daraus.
„Aber nein. Jedoch werden sie viele Fragen an dich haben.“, sie seufzte und setzte ein fast schon gezwungenes Lächeln auf,“Besonders Asurai wird an dir interessiert sein, da Rayo schon von dir erzählt hat.“
„Rayo hat kurz von ihm gesprochen. Ich bin gespannt wie er so sein wird.“
„Oh er wird dir gefallen.“
Wir wurden kurz darauf von der Haushälterin Rin empfangen, die uns sogleich auch hereinführte.
„Oh, Herrin Shiori.“, sagte sie und verneigte sich,“Es ist wie immer eine Ehre euch hier anzutreffen.“
„Ach nicht so förmlich meine Gute.“, erwiderte Shiori verlegen und lief sogar ein wenig rot an.
„Und wie ich sehe, besucht uns heute jemand neues?“, fragte Rin.
Ich erwiderte die Verneigung.
„Es ist, mir eine große Freude endlich die Residenz des großen Akumaru-Klans zu besuchen.“, sagte ich,“Mein Name ist Tomoe. Ich bin die letzte Überlebende des Darakaija-Klans.“
„Ja, der junge Herr hat uns einiges über euch erzählt. Bitte, tretet ein.“
Shiori überquerte die Schwelle als erstes und zog sich rasch den Kimono des Klans an. Ich wollte es ihr gleich tun und berührte nur mit dem großen Zeh, den Boden des Anwesens, nur um gleich vor Entsetzen zu erstarren. Eine unglaublich dunkle Macht, hatte mich gepackt. Sie zerrte wie verrückt an mir, schubste mich hinaus und zog mich gleichzeitig hinein, so als ob dieses Gemäuer ein Eigenleben hatte und keine unerwünschten Besucher Einlass gewähren wollte. Rayo hatte einen dunklen Sog erwähnt, der ihn gepackt hatte, als er diesen Ort betrat. Jetzt, spürte ich ihn am eigenen Leib. Die ersten Schritte über den feinen Laminatboden, schickten mir einen enormen Druck, der sich auf Rücken und Schultern niederlegte und mich mit aller Macht nach unten presste. Doch Shiori hatte den Braten schon längst gerochen und nahm meine Hand. Rasch, drehte ich mich um und dachte, dass alles außerhalb des Eingangsportals, sich in die Ferne zog und die Straße sich immer mehr von uns entfernte.
Der weitere Weg durch die Residenz verlief ebenso anstrengend für mich. Hier war irgendetwas dunkles an diesem Ort was alles an Selbstvertrauen und Kraft, einfach verschlang. Doch ich wurde abgelenkt, als ich mit jemanden kurz zusammenstieß.
„Pass doch auf du......“, kam es von Rayos Cousine Ayako, die sich nach dem Berühren unserer Schultern, zu mir umdrehte und fast schon entsetzt hinter mir her starrte,“E-Eine Außenstehende?! Shiori......wie....kannst du es wagen?! Zu erst dieser Hornochse von Vetter und jetzt das!“
„Halt die Luft an du kleine Zicke!“, höhnte Shiori,“Denk daran wer dich beim letzten mal hat Staub fressen lassen! Und wage es dich ja nicht, Tomoe genauso mies zu behandeln wie Rayo! Sonst bekommst du es mit mir zu tun und dich, werde ich ganz sicher übers Knie legen, verlass dich drauf!“
Daraufhin schickte Shiori ihr einen mörderischen Blick, der sie in die Flucht schlug.
„Gott ist das eine Diva.“, stöhnte ich.
„Das kannst du laut sagen. Sie hat nur wieder so eine große Klappe, weil mein kleiner Prinz dieses mal nicht hier ist. Kleines Aas!“
Als uns Rin schließlich in den großen Saal führte, erschrak ich kurz, als ich die gewaltige Bronzestatue eines Neunschwänzigen Fuchses erblickte. Der große Asurai, sah am Tisch und schrieb ein paar Zeilen.
„Kleine Shiori.“, grüßte Asurai Rayos Mutter und empfing sie mit einer Umarmung,“Jedes mal wenn du dein Antlitz blicken lässt, erwärmt es mein Herz.“
„Es freut mich auch wieder hier zu sein, Asurai. Allerdings bin ich heute nicht alleine gekommen.“
Sein Blick fiel auf mich und sofort merkte ich, dass offenbar von ihm diese Dunkelheit aus ging. Dabei wirkte er ganz harmlos.
„Und du, bist mit Sicherheit, die Kämpferin von der uns der junge Akumaru erzählt hat.“
„Anscheinend eilt mir mein Ruf, voraus.“, erwiderte ich und verneigte mich.
Er lächelte kühl.
„Du brauchst nicht so vornehm zu sein, Mädchen. Der Bursche hat dich gut beschrieben. Flammend rotes Haar und....“, er verzog das Gesicht und seufzte,“Viele Narben, die du stets bei die trägst. Ein Jammer das dein noch so junges Leben, von solch einem Schmerz gezeichnet ist.“
„Glaubt mir, diese Narben sind nichts im Vergleich zu den Wunden die auf meiner Seele liegen. Aber ich bin nicht hergekommen um euch meine Leidensgeschichte vorzusingen wie ein Sperling. Nein, ich bin hier, um einen Gefallen auszusprechen.“
„Shioris Nachricht kam überraschend, aber das habe ich schon immer sehr an ihr geschätzt. Und an dir schätze ich, dass du stets an der Seite des jungen Akumarus bist. Ich freue mich, dass ihr euch gefunden habt.“
Shioris Augen waren vor Schreck aufgesprungen, während ich nur verwirrt den Kopf neigte.
„Wie darf ich das denn verstehen?“, fragte ich.
Shiori ging zu Asurai und flüsterte ihm etwas zu.
„Was?“, fragte er,“Oh, dann bedeutet das also....“, murmelte er.
„Ja doch!“, zischte Shiori.
„Dann hat er ihr also noch nicht........“
„Nein! Und jetzt bitte kein Wort mehr davon!“
Beide schienen vergessen zu haben, dass ich ebenfalls noch im Raum stand und grinsten mich deswegen etwas verlegen an.
„Vergiss was ich gesagt habe, Mädchen.“, winkte Asurai ab,“Ich bin ein alter Mann und rede wirres Zeug daher, verzeih bitte.“
Ich zuckte die Schultern.
„Das gleiche macht Rayo auch ständig. Also mache ich kein Drama daraus.“, sagte ich trocken.
Von Asurai kam ein lautes Gelächter, was aber in ein kratziges Husten endete.
„Ein tolles Mädchen, was du unter deine Fittiche genommen hast, kleine Shiori! Sie könnte fast von unserem Klan abstammen. Das gefällt mir!“
Shiori atmete erleichtert aus und klopfte mir auf die Schulter.
„Sehr gut!“, sagte sie und zeigte mit den Daumen nach oben,“Jetzt hast du dir auf jeden Fall seinen Respekt verdient. Außerdem freut es mich, Asurai bei so guter Laune zu sehen.“