Wir stießen also zu den anderen um endlich den ersten Tag an der Uni hinter uns zu bringen. Eine lange Zeit war ich nervös, bei all den fremden Gesichtern um mich herum. Wie Kaede sich damals wohl gefühlt haben muss, als sie noch im Waisenhaus war.
Das ganze gelatsche ging mir nach einiger Zeit ein wenig auf die Nerven. Und um nicht ganz das Interesse zu verlieren, versprachen mir die Mädels, das der Sportkurs, etwas anspruchsvoller wurde. Viel Sport hatte ich in meinem Leben nicht gemacht. Wenn man denn die ganzen abscheulichen Tests in der Forschungseinrichtung und die täglichen Revierkämpfe mit Katsubou denn dazu zählen könnte.
Der Sportplatz auf dem wir uns versammelten, war riesig, zumindest für mich. Und ohne große Umschweife, sollten wir alle einige Übungen machen, bis es dann schließlich zu einen kleinen Wettrennen von jeweils 100 Metern kam. Alle abwechselnd, jeder gegen jeden. Naru und die anderen legten eine passable Zeit hin, wobei Muzumi dabei, neben Kanako und Motoko am besten abschnitten. Da ich mich zurückhalten musste um bloß nicht aufzufliegen, lies ich beispielsweise Shinobu einen minimalen Vorsprung. Su hingegen stellte sich als fast schon würdige Gegnerin heraus. Doch dann, musste ich gegen Tomoe antreten.
„Darf ich jetzt wenigstens mal etwas mehr Gas geben?!“, zischte ich und dehnte mich.
„Von mir aus.“, sagte Tomoe,“Aber wenn du es schon nicht hinkriegst dich gegen mich im Nahkampf zu wehren, will ich das du hier mal beweist, das du Eier in der Hose hast!“
„Was soll das denn schon wieder heißen?“
„Jetzt tu nicht so scheinheilig und gib dir Mühe.“
„Auf die Plätze!“, rief der Trainer.
Wir hockten uns hin und schnauften.
„Fertig!“
„Dann bin ich mal gespannt ob du mithalten kannst, Feuerlöckchen.“
„Tse, das sagt grade der richtige! Schon als wir uns kennengelernt haben, war ich dir haushoch überlegen!“
„Los!“
Als der Schuss fiel, sollte man eigentlich erwarten, dass wir sofort lossprinten würden. Doch wir gingen es erst einmal seicht an und steigerten uns immer mehr. Und als wir dann erst richtig ernst machten, meinte ich etwas bei Tomoe zu bemerken. Vielleicht bildete ich mir das auch bloß wieder ein, dass wäre ja bei mir nicht mehr so abwegig, aber bei mehrfachen hinsehen, entdeckte ich bei ihr ein auffälliges Merkmal. Hatten sich ihre Pupillen zu Schlitzen verengt? „Ach, Unsinn!“, dachte ich,“Wie komme ich nur auf sowas?“ . Kopf an Kopf rasten wir auf die Zielgereade zu und selbst als wir selbige überquert hatten, rannten wir einfach weiter. Irgendetwas trieb uns an, weiter zu machen. Selbst als uns der Trainer mehrfach zurückpfeifen wollte, reagierten wir nicht. Erst, als Tomoe ins Stocken kam und keuchend in die Knie ging, hörten wir auf. Während alle darüber philosophierten, wie schnell wir im Gegensatz zu den anderen waren, half ich Tomoe auf und ging mit ihr zurück.
„Alles klar?“, fragte ich.
„Sicher. Aber.....glaub ja nicht.....das du noch mal sowas hinkriegst!“
„Jetzt hör aber auf, ich hab doch klar gewonnen!“
„In deinen Träumen! Ich war um eine Nasenspitze schneller als du!“
„Au weia, geht das schon wieder los?“, fragte Naru.
„Sollen wir sie mal aufklären? Oder sollen sie sich weiter zanken?“
„Wenn die das so weiter machen, sind wir alle mit der Uni fertig und die beiden zanken sich immer noch.“, warf Kitsune ein.
Doch Kanako nahm sich dem Trauerspiel an und gab uns beiden einen Schlag auf den Kopf.
„Schluss jetzt! Es war ein Unentschieden!“
„Was?!“, riefen wir beide gleichzeitig.
„Unentschieden? So'n Blödsinn!“, beschwerte sich Tomoe.
„Seit ihr euch da auch wirklich sicher?“; fragte ich ungläubig, “Ich war eindeutig schneller.“
Während wir uns weiter darum stritten, wer jetzt eigentlich schneller war, trotteten wir wieder nach drinnen und kamen an einen kleinen Stand vorbei, der von ein paar Studenten betrieben wurde.
„Wollt ihr euch für das Sportfest diesen Sommer eintragen?“, fragte das bebrillte Mädchen.
„Hatten wir nicht gerade erst Sport?“, fragte ich.
„Nein du Hirnie, sie meint ein großes Sportfest!“, erklärte Tomoe.
Wir alle versammelten uns um den Stand. Aber Tomoe, war viel mehr an der Liste interessiert, die gleich neben dem Stapel Flyer lag und schnappte sich sofort einen Stift.
„Willst du dich da wirklich eintragen?“, fragte Kitsune.
„Na logisch!“, schnaufte Tomoe,“Isshina hat sich auch eingetragen!“
Naru klopfte ihr vorsichtig auf die Schulter.
„Wir hoffen, dass du die Intervention vom letzten mal nicht vergessen hast. Also übertreib es nicht wieder!“
„Ach Unsinn! Jetzt will ich ihr ja nicht nachspionieren, sondern sie besiegen! Diesmal werd ich ihr zeigen wo der Hammer hängt!“, sie kritzelte ihren Namen auf die Liste und knallte sie wieder auf den Tisch,“So! Jetzt geh ich erst mal Mittagessen! Bis später!“
Damit stürmte sie leicht hitzköpfig davon und lies uns stehen. Ich wusste nicht genau, was mich dazu bewegte, aber ich beschloss mich ebenfalls einzutragen. Was Kanako nur mit Kopfschütteln beantwortete.
„War doch klar das du es ihr gleich tust.“, sagte sie.
„Ach was. Tomoe ist nicht der einzige Grund warum ich mitmachen will.“, ich grinste sie breit an und deutete auf das fettgedruckte, ganz unten auf dem Flyer.
„Gibts da was zu gewinnen?“, fragte Shinobu und las sich mit den anderen den Rest durch.
„Oh, das war ja wieder mal klar!“, warf Motoko ein.
„Hast du Isshina nicht schon die Haare vom Kopf weggefressen?“, sagte Muzumi belustigt.
Insgesamt gab es mehrere Preise. Den Hauptgewinn ignorierte ich und auch den anderen Preisen, schenkte ich keine Beachtung. Jedoch interessierte ich mich mehr für den, wie es auf dem Flyer stand „Trostpreis“, sollte man verlieren und nicht auf den ersten drei Plätzen landen. Ein Gutschein für einen Rabatt in einem Restaurant, für ein ganzes Jahr.
„Ist das immer noch wegen der Sache mit Ellas Cousin?“, fragte Naru.
„Das ist doch Schnee von gestern.“, winkte ich ab,“Die anderen Preise interessieren mich eben nicht so richtig.“
„Ist dir denn bewusst, das Tomoe dich antreiben wird zu trainieren?“, fragte Kitsune.
„Nicht das sie dich vollkommen auslaugt.“, merkte Keitaro an.
„Das sie mich antreiben wird, ist mir schon bewusst. Soll sie doch den ersten Platz machen, mich stört das nicht.“
Von allen kam ein „Ah“. Danach fragten sie mich noch ob ich zum Mittagessen kommen würde, doch ich schickte sie schon mal vor.
„Wann genau findet das Fest statt?“, fragte ich.
„Am 19. Juli um genau zu sein.“, erklärte mir das Mädchen vom Stand,“Die Vorbereitungen fangen ein paar Tage vorher an.“
Und kurz darauf, kamen ein paar alte Bekannte dazu.
„Sag bloß du hast dich auch hier für eingetragen?“, sagte Nagaoda hinter mir.
„Du etwa nicht?“, erwiderte ich.
„Nicht wirklich. Aber mein Cousinchen drängt mich ständig dazu, das noch nach zu holen.“
„Jetzt sei doch nicht so, Cousin. Du wolltest doch wieder etwas mehr Bewegung nach deiner Operation.“, sagte Isshina.
„Schon, aber dafür reicht mir der Sportunterricht. Nachher knacks ich mir das Knie beim Fest wieder an und dann darf ich wieder für nen Monat in diesen Saftladen!“
Isshina bemerkte meine Unterschrift und machte große Augen.
„Oh, sieh an! Du und Darakaija habt euch doch tatsächlich eingetragen!“
Ich nickte und ging in Richtung Mensa.
„Ich bin solange bei den anderen. Nachher fragen die sich noch wo ich bleibe!“
Die beiden beschlossen mich zu begleiten und so schlenderten wir in die Mensa. Diesen Ort konnte man also ein paar mal am Tag aufsuchen um sich zu stärken. An der Essensausgabe stand bereits eine lange Schlange. Glücklicherweise waren die Mädels so gnädig gewesen, mir ein kleines Lunchpaket zu machen. Als ich mich zwischen Tomoe und Kitsune setzte, verblasste die gute Laune der anderen aber wieder rasch, als Isshina sich zu uns gesellte.
„Es ist doch wirklich erstaunlich, wie anhänglich du geworden bist, Ella.“, merkte Tomoe leicht gereizt an und aß weiter,“Kaum tauchst du wieder auf , hängst du mir ständig an den Hacken!“
Daraufhin grinste Isshina nur kühl und setzte sich neben mich, sodass ich nun zwischen ihr und Tomoe saß. Nagaoda saß nun mir gegenüber.
„Jetzt bilde dir bloß nichts ein, Darakaija.“, entgegnete Isshina,“Es mag stimmen das uns der harte Konkurrenzkampf anstachelt den anderen zu demütigen, aber ich bin viel weniger an dir, sondern an Akumaru interessiert.“
Alle starrten sie leicht verdattert an und, sah ich da kleine Äderchen auf Tomoes Stirn pulsieren? „Komisch.“
„Aber musst du ihm dann ständig hinterher laufen?“, fragte Tomoe.
„Wieso hinterherlaufen?“, meldete sich Nagaoda zu Wort,“Er hat uns doch mitgeschleift.“
„So so, hat er das ja?“, erwiderte meine Mitbewohnerin und warf mir einen fragenden Blick zu.
„Jetzt hab dich doch nicht so.“, maulte ich und danke Kitsune für das Lunchpaket,“Immerhin hab ich ihr beim letzten mal einige Umstände gemacht. Da ist es nur fair, dass sie mal bei uns mit isst.“
„Vielleicht bleibe ich auch dauerhaft in eurer Nähe, wer weis.“, sagte Isshina zufrieden und tätschelte mich.
Ein paar Minuten herrschte Stille. Tomoe tippte mir auf die Schulter um mir etwas mitzuteilen.
„Willst du mich verjagen?“, flüsterte sie.
„Warum sollte ich?“, fragte ich genauso leise.
„Na, guck doch mal hin! Du schleifst Isshina hierher und jetzt bleibt sie dauerhaft in der Gruppe wenns ihr passt! Das kann niemals gut enden, das weißt du!“
„Reg dich mal ab Feuerlöckchen! Es wird schon alles gut werden.“
Nun mischte sich auch Muzumi in unser Gespräch ein und hatte einen interessanten Einwand.
„Bedenke doch mal, Tomoe, dass man Freunde immer nahe bei sich halten sollte.“, sagte sie.
„Und Feinde, sollte man noch viel näher um sich haben.“, kam es von Kanako.
Tomoe seufzte und nahm sich den nächsten Happen.
„Gut, irgendwo habt ihr ja recht. Entschuldigt.“
Wir wandten uns wieder dem Essen zu und gerade wirkte es so, als ob sich der Sturm legen würde, doch da kam Tomoe ein diabolischer Gedanke.
„Weist du Isshina, eines muss man dir lassen: Deine Hartnäckigkeit ist bemerkenswert. Aber hast du nicht etwas wichtiges vergessen?“
„Dann kläre mich doch bitte auf, Darakaija.“
„Ich finde es wirklich erstaunlich, dass du dich so bereitwillig wieder mit Rayo einlässt, nachdem du ihm zum Essen einladen wolltest, nur damit er dir kurz daraufhin die Haare vom Kopf gefressen hat!“
Alle am Tisch begannen zu lachen und ich konnte eine beschämte Mine bei Isshina feststellen. Ich bedeckte mein Gesicht mit einer Hand und schüttelte seufzend den Kopf. „Das war ja wieder mal typisch Tomoe!“
Tomoe und Kitsune gaben sich ein Highfive, während Nagaoda mich nur verwirrt ansah.
„Dann warst du also der Grund, warum sie letztens so deprimiert und niedergeschlagen war?“, fragte er,“Hut ab, das schaffen nicht viele bei ihr. Ich meine, es ist schon schwer dass ein Kerl bei ihr das Interesse weckt, dass ist erst mal zweitrangig. Aber das du es auch noch schaffst, sie so mental zu brechen – das hab noch nicht mal Ich geschafft!“
Ich meinte ein leichtes Grinsen bei ihm zu erkennen. Doch kurz darauf tröstete er Isshina und wandte sich wieder seinem Essen zu. Und als sich die Sache wieder beruhigt hatte, schien es so, als würde die Abneigung für Isshina von den anderen, langsam abflauen.
„Was steht denn als nächstes auf dem Plan?“, fragte Shinobu.
„Ich glaube, Biologie müsste jetzt gleich dran sein.“, warf Motoko ein.
„Sicher?“, fragte Tomoe,“Ist jetzt nicht Geschichte dran?“
Alle kramten ihre Stundenpläne raus und stellten mit Verwunderung fest, das wir alle den nächsten Kurs, nicht gemeinsam hatten.
„Also, wir haben jetzt gleich Betriebswirtschaftslehre.“, sagte Keitaro.
„Oh.“, erwiderte Naru,“Du und Rayo, habt dann wohl Geschichte.“
„Wollten wir nicht alle Kurse gemeinsam machen?“, fragte Su.
„Mag sein. Aber weder Tomoe, noch ich hatten Lust auf Betriebswirtschaft.“, maulte ich, “Und Geschichte war das kleinere Übel.“
„Es ist ja nur ein Kurs, den wir nicht alle haben. Was solls.“, sagte Tomoe Achselzuckend.
„Dann freue ich mich auf eure Gesellschaft.“, sagte Isshina.
„Sag bloß, das du auch im Geschichtskurs bist.“, warf ich ein.
„Natürlich.“, nickte sie.
„Ich hab jetzt gleich Philosophie.“, stöhnte Nagaoda genervt auf und stocherte in seinem Essen herum, “Das wird wieder mal sterbenslangweilig.“
„Und wieso hast du den Kurs dann gewählt?“, fragte Naru.
„Weil ich in dem Kurs letztes Jahr durch gerasselt bin. Und das kann ich nun mal nicht auf mir sitzen lassen.“