Caesar steht abwartend vor mir. Ich sehe seine Hand an und dann ihn. Und auf einmal scheint die Zeit stillzustehen. Ja, sagt eine innere Stimme, dies ist dein Schicksal – genau deshalb bist du hier. Es ist eine Herausforderung – traust du dich, sie anzunehmen? Er ist der Herrscher und Mann, auf den du immer gewartet hast. Traust du dich, seine Königin und seine Frau zu werden?
Und plötzlich ist alles ganz leicht. Das Blut rauscht mir in den Ohren, doch ich richte mich gerade auf und erwidere unerschrocken seinen Blick.
Als ob mein Körper nicht mir gehören würde, erhebe ich mich und gehe die wenigen Schritte, bis ich direkt vor ihm stehe.
Seine Wärme und sein Geruch strömen auf mich ein und ich schließe kurz die Augen, um ihn einzuatmen. Leder und Sonne. Vorsichtig hebe ich den Kopf, um ihn wieder anzuschauen. Sein Gesicht ist dem meinen so nahe. Seine dunklen Augen beobachten mich aufmerksam, studieren jede meiner Regungen. Langsam hebt er eine Hand und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sein Daumen fährt bedächtig die Konturen meiner Wangen und Lippen nach. Reflexartig öffne ich sie ein Stück und sein Finger gleitet dazwischen und streicht sanft über meine Zunge, bevor er sich wieder zurückzieht. Mir wird heiß und kalt zugleich. Seine andere Hand umfasst meiner Taille zieht mich noch näher, während ich seinen Atem an meiner Ohrmuschel fühle.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich heute Nacht Besuch von einer lebenden Göttin bekommen würde – und dass sie so jung und schön sein würde wie du.“
Ich erschaudere und schließe die Augen und dann spüre ich seine Lippen auf meinem Mund. Zuerst ist es nur ein vorsichtiges Tasten, der Hauch einer Berührung. Er drängt mich nicht, sondern wartet geduldig, bis ich mutiger werde und ihm entgegenkomme. Seine Lippen spielen mit meinen, bis er mich leicht in die Unterlippe beißt. Als ich darauf reflexartig den Mund öffne, gleitet seine Zunge sofort hinein und nimmt mich in Besitz. Seine Hand in meinem Haar massiert meine Kopfhaut, während er sich sanft in meinem Mund bewegt. Seine andere Hand an meinem Rücken lässt tausend kleine Schauer über meine Wirbelsäule tanzen und als er sie dann tiefer wandern lässt und fest in mein Hinterteil greift, höre ich mein eigenes ersticktes Stöhnen. Langsam zieht er sich zurück und sucht meinen Blick.
„War das dein erster Kuss?“, fragt er erstaunt.
„Mein erster richtiger, ja“, erwidere ich zögernd.
„Habe ich dir Angst gemacht?“
„Eine ägyptische Königin kennt keine Angst“, erwidere ich mutig.
Sanft aber bestimmt hebt Caesar mein Kinn und sieht mich eindringlich an: „Hör zu, Kätzchen. Ich will dich haben. Aber ich kann auch warten. Falls dir das heute Nacht zu viel ist, werde ich dich nicht zwingen. Wir können es dabei belassen.“ Verbal eröffnet er mir einen Ausweg, aber gleichzeitig hört er nicht auf, mich so verführerisch zu streicheln.
„Du willst also, dass wir das Ganze auf einen anderen Tag verschieben?“
Er beugt sich vor und flüstert mir ins Ohr: „Ich will dich wimmernd und stöhnend unter mir spüren, Liebes.“ Und dabei beißt er mir gekonnt in mein Ohrläppchen, womit er genau so einen Laut spontan aus mir hervorlockt. „Und am liebsten würde ich dir den Chiton vom Leib reißen, dir die Beine spreizen und dich gleich hier auf dem Kartentisch durchvögeln. Aber es ist das erste Mal für dich und deshalb werde ich geduldig und sanft sein. Und deshalb möchte ich, dass du mir sagst, wenn es zu viel wird. Hast du das verstanden?“
„Hm...“, nicke ich, denn gerade traue ich meiner eigenen Stimme nicht.
„Sehr gut“, murmelt er. Und damit wandern seine Lippen von meinem Ohr wieder zu meinen Lippen. Sein Griff verändert sich und auch sein Kuss wird tiefer und fordernder. Seine Bewegungen sind sicher und bestimmend, und ich bin auf einmal nur noch Wachs in seinen Händen. ,Und am liebsten würde ich dir den Chiton vom Leib reißen, dir die Beine spreizen und dich gleich hier auf dem Kartentisch durchvögeln.‘ Hat er das gerade wirklich zu mir gesagt? So hat noch niemand gewagt, zu mir zu sprechen! Bin ich schockiert? Ich weiß gerade nicht, was ich denken soll. Ich will überhaupt nicht denken!
Caesars Hände gleiten über meinen Rücken, meine Hüften, schieben meinen Chiton nach oben und gleiten darunter. Was er mit mir tut, fühlt sich so gut an, so selbstverständlich, so richtig. Wie von selbst beginnt mein Körper, seine Berührungen zu erwidern. Ich schmiege mich an ihn, meine Hände ertasten die Muskeln seiner Arme und gleiten bis zum Halsausschnitt seiner Tunika. Ich fühle die Wärme seines Halses, berühre seine Wangen, umfasse seinen Hinterkopf und fahre mit den Fingerspitzen durch die Masse seiner kurzen graumelierten Haare. Caesar so zu ertasten und zu berühren, fühlt sich einfach verboten gut an. Und sein Geruch nach Leder und Sonne ist unwiderstehlich. Um ihn noch tiefer einzuatmen, stelle ich mich auf die Zehenspitzen und schnuppere an seinem Hals. Ist es ein teures Öl, das er benutzt, oder sein ganz eigener Geruch? Vermutlich eine Mischung aus beidem mit einem Hauch Zeder und Sandelholz. Mir ist bewusst, wie unschuldig meine Berührungen eigentlich sind, im Gegensatz zu seinen, denn seine Finger streichen inzwischen über die Spitze meiner linken Brust, und danach über die Innenseite meiner Oberschenkel. Als seine Hand unter meinem Kleid noch höher wandert, höre ich mein eigenes Stöhnen und meine Beine spreizen sich wie von selbst. Seine Zähne spielen mit meinem Ohrläppchen.
„Ich will dich spüren, Kleopatra", flüstert er mir zu und seine Worte fließen wie flüssiges Feuer meinen Rücken hinab und direkt in meinen Schoß, dem Druck seiner Hand entgegen. Ich keuche vor Verlangen und presse mich unwillkürlich noch enger an seinen harten Körper.
Doch statt an dieser verheißungsvollen Stelle weiterzumachen, zieht Caesar seine Hand langsam zurück und die Falten meines Chitons gleiten zurück und bedecken wieder züchtig meine Beine. Stattdessen fährt er mit beiden Händen in meine Haare und drückt mir noch einen sanften Kuss auf die Lippen, bevor er mich loslässt und einen Schritt zurücktritt. Ich stöhne diesmal unwillig, aber sein leises Lachen holt mich langsam zurück in die Realität.
„Das war doch ziemlich göttlich, findest du nicht auch? Ich denke wir sind da auf dem richtigen Weg." Und in seinem belustigten Ton klingt wieder alles mit – Arroganz, Selbstzufriedenheit und auch Begierde, die er aber anscheinend bestens unter Kontrolle hat.
„Und warum hast du dann aufgehört?“
„Weil ich gerade festgestellt habe, dass wir uns noch ähnlicher sind, als ich dachte. Ganz oder gar nicht, das ist eigentlich mein Motto, weißt du.“ Er lächelt sarkastisch, aber in seinem Blick liegt jetzt etwas Suchendes und Nachdenkliches. „Wenn ich jetzt weitermache, werden wir definitiv im Bett landen. Und wir beide werden es genießen, soviel ist sicher. Vernünftiger wäre es allerdings, einige Punkte vorher zu klären."
„Was gibt es denn noch zu klären?", frage ich verwirrt.
„Ich finde es bezaubernd, wie sehr du auf mich reagierst, aber du bist in der Tat keine gewöhnliche Frau, sondern die Königin des reichsten und ältesten Landes der Welt und wir müssen in den kommenden Wochen zusammenarbeiten. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass das Ganze weitreichende Konsequenzen haben könnte. Und glaub mir, das sage ich vor allem um deinetwillen.“ Er hebt vielsagend eine Augenbraue.
Unwillig blinzele ich und versuche die Benommenheit abzuschütteln. Caesar scheint sich wieder komplett unter Kontrolle zu haben, oder zumindest tut er so.
„Gilt dasselbe nicht auch für dich, Caesar? Wann hast du den Entschluss gefasst, mich zu verführen? Hattest du schon Zeit, wirklich über die Konsequenzen nachzudenken?"
„Nein", gibt er zu, „an diesem ungewöhnlichen und ungeplant reizvollen Abend läuft alles höchst spontan und mit überraschenden Wendungen – selbst für mich. Und was deine andere Frage betrifft: In dem Moment, wo ich dir heute Abend zum ersten Mal in die Augen geblickt habe und du mir so furchtlos geantwortet hast.“
Und zum wiederholten Mal an diesem Abend erröte ich unter seinem stechenden Blick.
Um etwas Abstand zu bekommen, durchquere ich den Raum und massiere mir dabei die Schläfen. Meine Haare haben sich inzwischen komplett aus der Hochsteckfrisur gelöst. Ich streiche mir eine der langen dunklen Locken aus dem Gesicht und versuche, wenigstens ein bisschen Ordnung in mein Gefühlschaos zu bringen. Denn Caesar hat recht, ich sollte mir sicher sein, worauf ich mich da einlasse. Aber wie soll ich ihm jetzt noch widerstehen, selbst wenn ich es wollte? Und ist es dafür nicht ohnehin zu spät? Und irgendwie ist mir jetzt, wo ich mich darauf eingelassen habe, nicht mehr nach vernünftigem Reden zumute.
„Dir ist doch klar, Caesar, dass mein Ruf nach dieser Nacht ohnehin ruiniert ist – oder? Nun, die Hofschranzen meines Bruders hassen mich sowieso, und üble Reden führen sie auch seit langem, dann haben sie wenigstens endlich mal einen Grund!" Ich lächele. Der Gedanke, es diesem ganzen scheinheiligen Haufen mal so richtig zu zeigen, ist auf einmal sehr verführerisch. Früher hätte ich so etwas niemals gewagt, aber mit Caesar als Beschützer fühle ich mich gerade unbesiegbar.
„Es geht nicht nur allein um den Ruf, Kleopatra. Wenn ich dieses kleine Spiel hier mit dir fortsetze, könnte das noch ganz andere Folgen haben. Dir ist schon bewusst, dass du schwanger werden könntest?“
Ich zucke mit den Schultern. „Das gehört zu meinen Pflichten als Königin. Der Erhalt der Dynastie.“ Der Gedanke ist nichts, was mich mit besonderer Euphorie erfüllt, aber ich habe mich bereits vor langer Zeit damit abgefunden. Allerdings war ich immer davon ausgegangen, dass meine Kinder die des Pharaos sein würden. Zögernd sehe ich Caesar an: „Ich habe dein Wort, dass du mich beschützt, falls so etwas passieren sollte?“
„Du hast mein Wort, auch wenn es unwahrscheinlich ist“, sagt er sehr ernst und diesmal ohne sein sarkastisches Lächeln.
„Gut“, erwidere ich schlicht und damit legt sich ein einvernehmliches Schweigen über uns.
Ich nehme einen Schluck Wein vom Tisch und genieße den herben Geschmack. Habe ich dem Wein heute abend zuviel zugesprochen? Nein, eigentlich nicht, von den ptolemäischen Banketten bin ich einiges gewohnt. Und der Wein ist schließlich ein Geschenk der Götter, das ist doch eine Erkenntnis von Platon höchstpersönlich, oder? Ich lasse meinen Blick zum Fenster wandern und erkenne die Umrisse des erleuchteten Pharos, des großen Leuchtturms und Wahrzeichens von Alexandria. Eine kühlende Brise weht vom Meer herüber und bewegt sanft die seidenen Vorhänge.
„Nun, für mich ist es schmeichelhaft", ergreift Caesar wieder das Wort. Seine ins Gegenlicht getauchten Umrisse erscheinen vor dem erleuchteten Fenster wie die Aureole eines dunklen Gottes.
„Schmeichelhaft, als Liebhaber einer Gottkönigin zu gelten?", frage ich leise.
„Ja, durchaus."
Ich spüre, dass er sich zurückhält. Ist es vielleicht auch für ihn, den großen und berühmten Eroberer ein Schritt auf unbekanntem und gefährlichem Territorium? Zögert er deshalb? Mache ich ihn vielleicht genauso nervös, wie er mich? Und da reizt mich der Übermut, es herauszufinden, weiterzumachen und ihn meinerseits zu provozieren – ein kleines bisschen wenigstens...
„Die Geschichten über deine Liebschaften sind legendär, Caesar. Für die meisten Frauen ist es sicher sehr erstrebenswert, das Bett mit dir zu teilen, für gewöhnliche Frauen meine ich."
Wieder dieses verführerische Raubtierlächeln. „Oh glaub mir, nicht nur für gewöhnliche Frauen ist es befriedigend, sich mit einem Sohn der Göttin Venus einzulassen."
„Ach ja, die Legende, dass das Geschlecht der Julier von Aeneas und Aphrodite abstammt...", stichele ich weiter.
„Nicht ganz so übertrieben wie der Mythos, der Ptolemaios zum Halbbruder von Alexander dem Großen macht", kontert er spöttisch.
„Nun, immerhin war mein Vorfahre Ptolemaios Soter wirklich ein brüderlicher Freund und Waffengefährte von Alexander. Und er hat Ägypten groß gemacht und sich damit als wahrer Erbe Alexanders erwiesen", erwidere ich patriotisch.
„Während seine Nachfolger das Land durch endlose Bruderkriege ruiniert haben."
„Erst nachdem die Römer sich zu sehr in unsere Politik eingemischt haben!"
„Nun, in deinem Fall ist es ein Glück, dass ein Römer sich in die ägyptische Politik einmischt!", gibt er zu bedenken.
„Ja, und dafür bin ich dankbar. Allerdings wäre dieser ganze Konflikt ohne die römischen Einmischungen gar nicht erst entstanden."
„Du meinst, du und dein Bruder wären ein Herz und eine Seele?", bekomme ich nun Caesars Spott zu spüren.
„Nein, natürlich nicht! Mein Bruder ist und bleibt ein Kindskopf und seine Berater hassen mich. Aber ich wäre nie abgesetzt und vertrieben worden. Das geschah nur, weil ich die Steuern mal wieder erhöhen musste, um meines Vaters Schulden an Rom bezahlen zu können."
„Immerhin hat Rom ihn wieder auf den Thron gehoben."
„Ja, und das ganze Land in Schulden gestürzt – aber die Wahrheit ist, dass mein Vater den Thron auch nur wegen seiner Treue zu Rom verloren hat! Warst DU es nicht, der damals auf eine Annektierung Ägyptens gedrängt hat? Stattdessen hat Rom uns nur einen Teil unserer Provinzen genommen und die Insel Zypern annektiert – und meinen Onkel damit zum Selbstmord gezwungen! Meinem Vater waren die Hände gebunden, er konnte sich damals nicht gegen Rom stellen. Das Volk hat sich stattdessen erhoben und sich gegen meinen Vater gestellt. Er verlor den Thron und floh nach Rom. Wie es weiterging, weißt du." Ich habe angefangen, hin und her zu laufen. Diese Richtung des Gesprächs hatte ich nicht beabsichtigt, es war zwar die traurige Wahrheit, doch möglicherweise nicht gerade das beste Thema für diesen Abend. Aber der alte Zorn war plötzlich in mir hochgekocht und dabei hatte ich mich in Rage geredet.
Ich versuche Caesars Reaktion abzuschätzen, doch der mustert mich nur gelassen: „Jaja, es ist immer dieselbe Geschichte..."
„Was soll das heißen?"
„Es kann nur einen Sieger geben, Kleopatra. Das wusste auch Alexander. Ägypten hatte seine große Zeit, doch die ist schon lange vorbei. Rom beherrscht nun die Welt. Wenn du als Königin überleben willst, dann nur als Roms Verbündete."
„Du meinst als Roms Vasallin! Ja, das hat mich mein Vater auch gelehrt. Und ich habe mich daran gehalten. Deshalb bin ich in dieser Lage. Ich glaube unser Gespräch dreht sich im Kreis, Imperator!"
„Dann ist es wohl endlich an der Zeit, dass wir diesen Kreis unterbrechen!" Ich sehe das entschlossene Aufblitzen in Caesars Augen und im nächsten Moment ist er auch schon bei mir und zieht mich an sich. Sein fester Griff hält meinen Hinterkopf und ich spüre seine Lippen fordernd auf meinen. Zu meiner eigenen Verblüffung ist mein Zorn sofort verflogen. Ich öffne ihm meinen Mund und erwidere seinen Kuss leidenschaftlich.
Seine Lippen wandern zu meinem Hals und dann höre ich seine dunkle Stimme nah an meinem Ohr: „Nicht als Roms Vasallin, sondern als Klientelkönigin, die mir ganz persönlich unterstellt ist.“
„Und du als mein Patron, bestimmst von nun an über alles?“
„Absolut. Aber du hattest die Wahl und hast dich entschieden, mit dem Feuer zu spielen. Mir ist das mehr als Recht, aber für dich könnte es sehr heiß werden heute Nacht.“
„Was heißt hier Wahl? Und wir haben doch nur über Politik geredet!"
„So kann man das natürlich auch nennen. Nun denn: wir sprachen über Bündnisse und Hierarchien und kamen zu dem Ergebnis, dass Rom herrscht und Ägypten sich ihm fügen muss, in jeder Hinsicht." Einige Sekunden halte ich dem dunklen Feuer in seinem Blick stand, als ich den Kopf senken will, hält er mein Kinn fest und küsst mich erneut, besitzergreifend und fordernd. Als er sich diesmal von mir löst, ringe ich nach Atem.
„Und Kleopatra, dass wir uns nicht falsch verstehen. Ich lasse dir das heute durchgehen, weil ich ahne, wie es in dir aussieht. Aber überlege dir in Zukunft sehr genau, ob du mich provozieren möchtest, denn das könnte für dich nicht immer so glimpflich ausgehen wie heute Nacht!“
Mit einer fließenden Bewegung und ohne weitere Vorwarnung, hat er mich am Rücken und unter den Knien ergriffen und hochgehoben. Plötzlich befinde mich auf Caesars Armen. Instinktiv greife ich nach seiner Schulter, um mich festzuhalten. Doch er hält mich mühelos und trägt mich mit schnellen Schritten durch den von Öllampen erleuchteten Flur. ,Zum zweiten Mal an diesem Tag werde ich also von einem Mann durch die Gegend getragen‘, geht mir der absurde Gedanke durch den Kopf. Aber diesmal ist der Weg recht kurz und endet direkt in Caesars Schlafgemach. Durch halb geschlossene Lider erblicke ich das goldene Bett mit den Löwenbeinen im Dämmerlicht des Zimmers. Hier also wird es geschehen. Ich schlucke. Nun, besser in Caesars Bett als im Bett meines verhassten Bruders.
Er legt mich behutsam auf das weiche Leinen und hält meinen Blick. Sanft fährt er mit dem Finger über meine Wangen und Lippen, bevor er beginnt, die Verschlüsse meines Chitons zu öffnen, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Seine Augen mustern meinen Körper ungeniert. Als sein Obsidianblick mich wieder fixiert, liegt darin Bestätigung, Bewunderung – und Verlangen. Und ich? Ich bin auf einmal ganz ruhig. Vertrauensvoll erwidere ich seinen Blick, lehne mich zurück und lasse es geschehen. Caesar entledigt sich nur seiner Sandalen, bevor er sich zu mir legt. Er zieht mich an sich und küsst mich abermals, bis ich mich wieder in diesem verführerischen Rausch verliere.
Caesar weiß genau, was er tun muss, um dieses Verlangen in mir immer mehr zu entfachen. Und doch ist es irgendwie so, dass wir uns gegenseitig verführen, denn jede Berührung ist eine Frage und Antwort zugleich. Alles, was er tut, ist so bedachtsam und beherrscht und erst wenn ich die Berührung erwidere, geht er weiter.
„Ist es nicht schwer für dich, dich so zurückzuhalten?", frage ich ihn, nachdem wir uns eine kleine Ewigkeit nur geküsst und berührt haben. Denn auch, wenn ich unerfahren in der körperlichen Liebe bin, seine Erektion bekomme ich, wenn auch durch den Stoff seiner Tunika, durchaus zu spüren.
„Ich genieße dich, Kleopatra, genau wie du mich", raunt er mir zu „Und wir haben alle Zeit der Welt."
Irgendwann hat auch er sich seiner Tunika und der letzten störenden Kleidung entledigt und ich spüre nur noch Haut auf Haut. Seine Hände sind überall, streicheln meinen Hals, meine Schultern und meine Brüste. Als seine rechte Hand zwischen meine Schenkel wandert und die empfindliche Haut dort berührt, öffne ich ihm bereitwillig die Beine. Sanft beginnt er mich dort zu streicheln und ein ungeahnt lustvolles Ziehen durchströmt meinen Unterleib. Ich will mehr davon fühlen und überlasse mich ganz seinen erfahrenen Händen. Mein Schoß steht in Flammen. Ich will nicht, dass er aufhört und kann nicht anders als laut zu stöhnen.
„Schrei ruhig, wenn du willst, und lass einfach los", flüstert er mir zu, während er gleichzeitig beginnt, an meinen Brustspitzen zu saugen, bis ich mich stöhnend unter ihm winde.
„Mir scheint die Geschichten über dich sind wahr, du bist wirklich ein Sohn der Liebesgöttin", flüstere ich heiser. Im Halbdunkel ahne ich sein Lächeln. Und dann bringt er mich wirklich zum Schreien.
Mein Körper zittert und auch mein lustumnebelter Geist ist völlig von diesem Rausch ergriffen, als Caesar sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich legt. Mit dem Knie drückt er meine Beine noch weiter auseinander und plötzlich spüre ich seine Härte direkt an meiner Öffnung. Das Gefühl ist unglaublich erregend. In meinem Schoß zieht es erwartungsvoll. Caesar blickt mir in die Augen und ich sehe die Glut und Begierde darin und die stumme Frage. Ich zerfließe unter diesem Blick und komme ihm entgegen, küsse ihn sanft auf den Mund und vergehe unter diesem köstlichen Druck, den er auf mich ausübt. Ich will ihn haben, genau wie er mich.
Der harte Stoß, mit dem er in mich eindringt, ist trotzdem ein Schock. Der plötzliche intensive Schmerz überwältigt mich. Und gleichzeitig ist es so ungewohnt, einen anderen Menschen, einen Mann so nah und intim in mir zu fühlen. Tränen brennen in meinen Augen und meine Muskeln verkrampften sich. Caesar verhält sich still, doch seine Augen verraten seine eigene Anspannung.
„Es ist alles gut, der Schmerz hört gleich auf. Du fühlst dich wunderbar an", raunt er mir zu und küsst mir zärtlich die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann teilt er mit der Zunge wieder meine Lippen und unter diesem lockenden Druck beginne ich, mich zögernd zu entspannen. Sofort dringt er noch tiefer in mich ein. Diesmal bis zum Anschlag, denn seine Hüfte drückt nun direkt gegen meine. Ich wimmere und wieder verhält er sich ruhig, bis der brennende Schmerz nachlässt. Vorsichtig beginnt er damit, sich zu bewegen. Zuerst sind es nur kreisende Hüftbewegungen, die dafür sorgen, dass neben dem Schmerz auch wieder dieser andere verführerische Druck entsteht. Versuchsweise komme ich ihm mit dem Becken entgegen, und damit entlocke ich ihm ein Stöhnen. Er zieht sich etwas aus mir zurück und stößt dann erneut zu. Es tut weh, aber gleichzeitig trifft er damit einen Punkt in mir, der sich unglaublich gut anfühlt. Wieder komme ich ihm entgegen und wieder zieht er sich zurück und drückt sich dann noch tiefer in mich hinein. Diesmal stöhnen wir beide.
„Ja, genau so!“, flüstert er rau. Seine Hände umfassen meinen Hintern und dirigieren meine Hüftbewegungen, zeigen mir den Rhythmus, bis sie mit seinen übereinstimmen. Seine Stöße sind tief und kraftvoll und werden immer heftiger. Er gibt seine anfängliche Zurückhaltung immer mehr auf und dieser Rausch erfasst auch mich. Unsere Körper bewegen sich in einem gemeinsamen Rhythmus und allmählich entzündet er damit ein Flammenmeer in mir. Ich stöhne in seinen Mund, halb vor Schmerz, halb vor berauschender Lust und komme ihm jedes Mal mit meinem Becken entgegen.
„Gut machst du das, meine kleine Geliebte." Seine Worte streicheln meine Seele. Sein Geist erfüllt mich ebenso wie seine körperliche Präsenz.
„Komm, gib dich mir ganz hin!", lockt er mich mit vor Anstrengung angespannter Stimme und ich öffne mich ihm ganz und gar. Unsere Körper und Seelen verschmelzen und kämpfen gleichzeitig miteinander. Ich klammere mich an ihn und bestehe nur noch aus diesem süßen Druck, der mit jeder Reibung zunimmt. Seine Bewegungen werden hektischer und er drückt mich mit seinem ganzen Gewicht nach unten. Und doch ist es noch immer nicht genug Druck, jeder Muskel in meinem Körper kämpft darum, ihm noch näher zu kommen. Seine Lippen sind wieder auf meinem Mund und seine Zunge schiebt sich zwischen meine Lippen. Ich dränge mich ihm entgegen, klammere mich an seine Schultern und plötzlich erzittert etwas in mir. Meine Muskeln ziehen sich um ihn zusammen. Ich will wieder schreien, aber er schluckt den Laut mit seinen Lippen, während er sich gleichzeitig mit schnellen, harten Stößen noch tiefer in mich drängt. Sein eigenes Stöhnen fühle ich mehr, als dass ich es höre, während er noch einmal zustößt und dann zitternd in mir verharrt. Meine Hände streicheln über seinen Rücken und halten ihn. Ich fühle seinen schnellen Herzschlag, der sich langsam beruhigt, während er seine Stirn gegen meine drückt. Es ist ein seltsam intimer Moment und mir wird bewusst, dass ich jetzt unweigerlich ihm gehöre, aber…er gehört auch mir.
Langsam löst er sich von mir und richtet sich auf. Caesars Obsidianblick mustert mich aufmerksam und wirkt dabei völlig entspannt und gelassen. Mit einer fließenden Bewegung rollt er sich herum und zieht mich in seine Umarmung.
Noch völlig benommen von dem gerade Erlebten liege ich neben ihm, meinen Kopf an Caesars Schulter gebettet, während seine Hand meine Taille umschlungen hält.
„Das war…unglaublich“, flüstere ich.
Caesar lächelt. „Danke. Wir werden das bald wiederholen, versprochen. Ist alles in Ordnung?“
„Ja. Es fühlt sich nur ungewohnt an und ich glaube, ich blute.“
„Definitiv, kein Wunder, du warst unglaublich eng.“ Caesar grinst träge, greift dann aber neben sich und reicht mir ein Leinentuch.
„Hier. Keine Angst, das sollte gleich aufhören.“
Vorsichtig presse ich das Tuch an die entsprechende Stelle. „Hast du schon viele…“
„…Was? Schöne Mädchen defloriert? Einige, unter anderem meine drei Ehefrauen. Aber ich kann mich nicht entsinnen, dass eine von ihnen so köstlich war wie du.“ Er schmunzelt und küsst mich auf die Stirn. „Versuch ein bisschen zu schlafen!“
Bald höre ich seine tiefen Atemzüge neben mir. Caesar ist eingeschlafen und auch ich versuche Ruhe zu finden, aber stattdessen jagen immer mehr Gedanken und Bilder durch meinen Geist und die leicht beruhigende Wirkung des Weins ist verschwunden. Unruhig drehe ich mich im Bett und damit aus Caesars Umarmung. Aber auch in dieser neuen Position will der Schlaf mich nicht überkommen. Schließlich öffne ich die Augen und lasse sie durch den dunklen Raum gleiten. Die Öllampen sind inzwischen verloschen, aber das Mondlicht scheint in unser Gemach und zieht mich wie magisch an. Vorsichtig, um Caesar nicht zu wecken, greife ich nach meinem Chiton und gleite aus dem Bett, wobei mein Blick auf den dunklen Blutfleck fällt, der sich unter mir ausgebreitet hat.
Zitternd schlüpfe ich in mein Gewand und trete ans Fenster und auf den Balkon. Unter mir erstrahlen die Lichter von Alexandria und ich rieche den Duft meiner Stadt.
Wie so oft in der Wüste richte ich meinen Blick auf die Sternbilder und kann deutlich den Gürtel des Orion ausmachen. Und in der Nähe den hellstrahlenden Sirius, den Stern der Isis, die ihrem Geliebten Osiris folgt und seit der Überschwemmungszeit wieder am Nachthimmel sichtbar ist.
Und ungewollt tritt eine andere Szene vor meine Augen. Es ist sieben Jahre her, dass mein Vater und ich auf genau so einem Balkon wie diesem hier gestanden haben und bei der Betrachtung der Sternbilder dieses folgenschwere Gespräch führten. Und plötzlich strömen die Bilder der Erinnerung ungebremst auf mich ein:
Pharao Ptolemaios Neos Dionysos, mein königlicher Vater, hatte mich gerade zur Kronprinzessin erhoben und mit meinem Bruder verlobt. Doch die Aussicht, ihn eines Tages heiraten zu müssen, bereitete mir damals schlaflose Nächte. In dieser Nacht war ich aus einem Alptraum erwacht und meine Amme hatte meinen Vater verständigt, der mich damit abzulenken versuchte, indem er mir die Sternbilder erklärte. Die Stimmung war ungewöhnlich gelöst und informell gewesen, sodass ich es schließlich wagte, die Frage zu stellen, die mich seit Tagen beschäftigte: „Vater, warum muss ich einen meiner Brüder heiraten?“
Der König sah mich irritiert an, so als hätte ich ihn gefragt, warum das Korn auf den Feldern nach der Überschwemmung wächst, deshalb beeilte ich mich zu sagen: „Ich meine nicht den Teil mit unserer göttlichen Abstammung, Vater. Ich weiß, die Götter Isis und Osiris waren ebenfalls Geschwister – und sie waren das heiligste und innigste aller Liebespaare, das je auf Erden gewandelt ist. Ihre Liebe war so groß, dass sie selbst den Tod besiegte.“
„Was willst du dann wissen, Kleopatra?“
„Ich habe in der Bibliothek zur Geschichte unserer Dynastie und zur Geschichte Ägyptens geforscht, Vater – ich habe alle Schriften gelesen, die meine Lehrer mir empfohlen haben und mehr als das. Nicht alle Pharaonen waren mit ihren Schwestern, Halbschwestern, Nichten oder Cousinen verheiratet. Sogar so große und berühmte Könige wie Ramses Usermaatre oder Amenhotep Nebmaatre haben Frauen aus dem Adel oder ausländische Prinzessinnen geheiratet.“
Mein Vater sah mich stirnrunzelnd an und so wagte ich mich weiter vor: „Du selbst bist der Sohn einer Nebenfrau und du hast meine Mutter geheiratet, die als Tochter des Hohepriesters von Memphis nur ganz entfernt mit dem Haus Ptolemaios verwand war!“
„Kleopatra das ist alles richtig und ich freue mich über dein Interesse für unsere Geschichte – aber wie du ganz richtig gesagt hast: Viele Könige, mich eingeschlossen haben die Frauen geheiratet, die ihnen aus persönlichen oder politischen Gründen geeigneter erschienen als ihre Schwestern oder nahen weiblichen Verwandten. Ich für meinen Teil habe meine Cousine aus Pflicht geheiratet und deine Mutter aus Neigung. Ich konnte dies tun, da ich König bin und meine Pflicht bereits erfüllt hatte. Als König hat man eine gewisse Freiheit in solchen Dingen.“
„Und warum kann ich das dann nicht auch tun, wenn du mich zu deiner Nachfolgerin machst?“
„Weil du ein Mädchen bist, Kleopatra. Es tut mir leid, ich habe dich in allen Dingen genau wie einen Prinzen unterrichten lassen und du hast dich durchweg als das talentierteste meiner Kinder erwiesen.“ Er machte eine Pause und sah mich ernst an. „Das Problem ist das männliche Erbrecht: In Ägypten, wie überall, erbt immer der älteste Sohn den Thron und ich habe zwei Söhne. Wenn ich dich zu meiner Nachfolgerin machen will, dann nur über den Umweg einer Heirat mit einem deiner Brüder. Dadurch wirst du zur legitimen Königin und Regentin. Und wenn dein Bruder kein Geschick in Regierungsdingen an den Tag legt, dann wirst du de facto die wahre Herrscherin Ägyptens sein. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte unseres Hauses, dass eine Königin im Namen ihres Mannes herrscht.“
Und Berenike? Stieg in mir damals die trotzige Frage auf, denn meine Halbschwester hatte sich selbst in Vaters Abwesenheit zur alleinigen Königin gemacht und einen Prinzen aus dem inzwischen verlorenen Seleukidenreich geheiratet. Doch ich verbiss mir die Anspielung. Noch zu frisch waren die Bilder meiner toten unglücklichen Schwester in meinem Gedächtnis gewesen. Berenike entstammte nach ägyptischem Verständnis der heiligen und idealen Verbindung zwischen dem Herrscher und seiner Schwestergemahlin[1] – und ihre kurze Herrschaft hatte in einer Katastrophe geendet.
„Kleopatra, sieh mich an!“, befahl mein Vater und ich bemühte mich um eine gleichmütige Miene, als ich zu ihm aufblickte. Etwas sanfter fuhr er fort: „Du bist meine Lieblingstochter, das weißt du, so wie auch deine verstorbene Mutter die Liebe meines Lebens war. Ich will, dass du nach meinem Tod über Ägypten herrschst, denn dir allein traue ich diese schwere und immer schwieriger werdende Aufgabe zu! Und deshalb werde ich nicht zulassen, dass man dich beiseite drängt, nur weil du ein Mädchen bist. Ich werde in meinem Testament verfügen, dass du und dein Bruder Ptolemaios gemeinsam herrschen werdet – damit ist deine Legitimation an die deines Bruders gebunden und damit unanfechtbar.“
Ich schluckte, aber verstand. „Wie viel Zeit habe ich noch?“
Mein Vater lächelte mich beruhigend an: „Kleopatra, du bist erst 14 und Ptolemaios nicht mal 8 Jahre alt. Du brauchst dir darüber heute noch keine Gedanken zu machen.“
Und ich wusste, dass ich mich wahrlich glücklich schätzen konnte, denn es hatte bedeutet, dass ich noch viele Jahre zum Studieren und Lernen hatte, während andere Mädchen mit 14 oder 15 Jahren schon verheiratet wurden.
„Eine Sache erwarte ich allerdings von dir“, und bei diesen Worten war der Blick des Pharaos streng geworden. „Was auch immer du tust, es darf kein Gerede über dich entstehen, egal ob wahr oder erlogen. Halte dich von allen Situationen fern, in denen man dir Untreue unterstellen könnte. Wenn du dich zu privaten Audienzen mit Ministern, Diplomaten oder Generälen triffst, dann sorge dafür, dass immer eine Dienerin in Blickweite ist. Sie muss nicht zuhören, was gesprochen wird, aber sie muss bezeugen können, dass dein Verhalten stets einwandfrei war. Mach sie zu deiner Freundin und Vertrauten, ihre Loyalität ist dein bester Schutz gegen falsche Anschuldigungen. Und auch sonst: triff dich mit keinem Mann allein, es sei denn, dein Leben hängt davon ab. Dass deine Jungfräulichkeit bis zum Vollzug der Ehe deine Lebensversicherung ist, brauche ich dir nicht zu sagen, oder?“
Nein, das hatte er mir nicht sagen müssen, das hatte ich verstanden und verinnerlicht und mich immer daran gehalten. Bis heute Nacht. Aber andererseits: mein Leben hing tatsächlich von Caesars Entscheidung ab. Insofern war auch dieses Verhalten politisch gerechtfertigt. Ob mein Vater mir da zustimmen würde? In meinen Augen war es die einzig mögliche Wahl gewesen, nur die unerwartete Lust, die ich dabei empfunden hatte, ja, die war ziemlich…unpolitisch.
Und auf einmal überrollt mich eine Welle des Schwindelgefühls. Ich greife nach dem Geländer und atme zitternd ein und aus, versuche, mich zu beruhigen und bin mir auf einmal selbst nicht mehr sicher, was richtig und was falsch ist. Ich sehe den Ausdruck in Berenikes Gesicht, als unser Vater ihr Todesurteil ausspricht und ich spüre wieder diese Angst, ihn zu enttäuschen und so zu enden wie sie. War das mit Caesar ein schlimmer Fehler oder das Beste, was mir je passiert ist? Die Fragen und Bilder drohen mich zu überschwemmen…bis mich zwei starke Arme von hinten umfassen und mich in eine warme Umarmung ziehen. Ich lasse meinen Kopf gegen seine Brust sinken und schließe die Augen, atme Caesars Duft nach Leder und Sonne, Sandelholz und Zeder tief in mich ein.
„Was ist los?“
„Ich musste gerade an meinen Vater denken.“
„Und jetzt hast du Angst bekommen?!“
„Eine Königin von Ägypten…“
„…kennt keine Angst. Ja, ich weiß. Aber das, was du da gerade fühlst, kenne ich nur zu gut. Es passiert nach jeder Schlacht, wenn die Euphorie des Kampfes nachlässt und die jungen Soldaten begreifen, dass sie eine Grenze überschritten haben und nie wieder zurück können. Du bekommst gerade Angst vor deinem eigenen Mut, Kleopatra.“
„Wie kannst du nur so sicher sein?“
„Weil ich älter bin, erfahrener, weil ich genau weiß, welche idiotischen Konditionierungen man hinter sich lassen muss, wenn man wirklich zu seiner eigenen Kraft und Stärke finden will?!“
„Du kannst nicht wissen, was ich gerade fühle…!“
„Meinst du? Für eine Frau bist du in großer Freiheit aufgewachsen und besitzt eine unglaubliche Macht, aber der goldene Käfig ist trotzdem vorhanden. In dieser Sache unterscheiden sich unsere Kulturen nur wenig. Du hast es gewagt, heute Nacht gegen alle Konventionen zu verstoßen und deinen eigenen Weg zu gehen. Und nach diesem Schritt kommt immer die Furcht. Man gewöhnt sich daran.“
„Mein Vater hat mir in allem die Freiheit gelassen, nur eine Sache war ihm wichtig. Dass ich Ptolemaios heirate und bis zu meiner Hochzeitsnacht keusch bleibe.“
„Als Vater kann ich ihn verstehen, er hat sich Sorgen um dich gemacht. Als Mann hingegen…selbst wenn wir Römer königlichen Inzest nicht für äußerst fragwürdig halten würden, der Gedanke an dich und Ptolemaios ist absurd!“
„Wir Ägypter glauben, dass die Seele eines verstorbenen Königs als Stern am Himmel wiedergeboren wird. Was wenn mein Vater mich gerade von dort oben betrachtet und enttäuscht ist von dem, was ich getan habe?“
Caesar seufzt und allmählich werde ich mir bewusst, was ich hier für einen sentimentalen Unsinn rede und was er vermutlich von mir denken muss, aber als er mir antwortet, ist seine Stimme ernst und eindringlich: „Wir schaffen unsere eigene Realität, Kleopatra. Ich musste mir diese Macht hart erkämpfen, dir wurde sie in die Wiege gelegt. Als ich in deinem Alter war, wurde ich zum Flamen dialis, zum Priester des Jupiter bestimmt. Mein ganzes Leben wurde damit einer Reihe restriktiver, völlig wahnsinniger Vorschriften unterworfen. Das fing damit an, dass ich bei jedem Wetter eine antiquierte Fellkappe tragen musste und hörte damit auf, dass ich kein Pferd berühren, geschweige denn reiten durfte. Eine politische oder militärische Karriere wäre mir damit unmöglich gewesen und das Ganze wurde meiner Familie als Wille der Götter verkauft. Meinst du, ich wäre der, der ich heute bin, wenn ich mich nicht dagegen aufgelehnt hätte? Es hat mich einige Jahre meines Lebens gekostet, aber zwei Dinge habe ich daraus gelernt. Erstens: Den Göttern ist es herzlich gleichgültig, ob wir moralische Vorschriften überschreiten oder nicht, die sich andere Menschen für uns ausgedacht haben. Und zweites: Jetzt erst recht!“
Ich schmiege mich an ihn und muss schmunzeln, als ich mir den jungen Gaius Julius Caesar mit dem Galerus und Apex der römischen Flamines vorstelle.
„Das wusste ich gar nicht“, bekenne ich.
„Nun, du weißt schon mehr von mir, als die meisten, aber noch längst nicht alles. Und jetzt komm wieder ins Bett!“
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[1] Der Königinnen-Titel „Schwestergemahlin“ war der Hauptgemahlin des Königs vorbehalten, die oft als Mitregentin fungierte. In ptolemäischer Zeit konnte der Titel aber auch von anderen nahen weiblichen Verwandten des Königs, wie Nichten und Cousinen getragen werden. Bei Ptolemaios‘ XII. Schwestergemahlin Kleopatra VI. Tryphaina ist es unklar, ob sie eine Schwester oder Cousine des Königs war, ich habe mich in diesem Roman für die zweite Variante entschieden.