09.10.48 v. Chr. nach dem vorjulianischen Kalender
(05.08.48 v. Chr. nach dem julianischen Kalender)
Ich blinzele, um wach zu werden. Die Sonnenstrahlen durchdringen bereits das Gemach und hüllen alles in einen goldenen Glanz. Schlaftrunken wälze mich noch einmal im Bett herum und kuschele mich in die Decke. Caesar ist bereits aufgestanden, ich dagegen würde am liebsten einfach weiterschlafen. Mit geschlossenen Augen erinnere ich mich an seine Küsse und geflüsterten Worte. Ein Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln. Wenn meine Untertanen wüssten, was ihre Königin heute Nacht so alles getan hat, sie wären gewiss schockiert. „Es ist bestimmt ein erhebendes Gefühl, wenn Königinnen vor einem knien“, erinnere ich mich an Arsinoes stichelnde Worte. Nun, meiner Schwester werde ich es mit Sicherheit nicht erzählen. Aber Caesar hat es definitiv gefallen. Und ihm auf diese Weise Lust zu bereiten war irgendwie auch… ziemlich aufregend.
Der Klang leiser Frauenstimmen unterbricht meine sinnlichen Erinnerungen und als ich blinzele, erkenne ich Charmion und einige andere Hofdamen, die ihr schüchtern bis zu meinem Bett gefolgt sind. Sie alle sind erschienen, um die Königin zu wecken.
Auf dem Weg zu den Baderäumen erstattet mir meine Freundin kurz Bericht: „Khered-Anch hat sich die ganze Nacht übergeben, so dass ich heute morgen wirklich nach Olympos geschickt habe. Es ist vermutlich nur der Wein, aber ich wollte sicher gehen.“ Charmion wirft mir einen besorgten Blick zu und ich verstehe ihre unausgesprochene Befürchtung sofort. Auch Gift ruft solche Symptome hervor. Aber warum sollte jemand die Tochter des Hohepriesters vergiften wollen?!
„Mach dir keine Sorgen, das wird schon wieder. Aber ich will Olympos sofort sehen, wenn er mit seinem Patientenbesuch fertig ist.“
Charmion nickt und weist sogleich eins der Mädchen an, die entsprechende Nachricht zu überbringen. Nachdenklich mustere ich die dunklen Ringe unter den Augen meiner Freundin. „Du hast heute Nacht auch nicht viel geschlafen, oder?“
„Nein“, antwortet sie leise, „und wir konnten auch keine weiteren Erkundigungen anstellen…“
„Das eilt momentan nicht“, beschwichtige ich sie sogleich und schenke ihr ein aufmunterndes Lächeln, das sie erleichtert erwidert.
~*~
Ich bin bereits fertig angekleidet und dabei, die ersten Briefe zu lesen, die mein Sekretär mir zur Unterschrift gesandt hat, als die Wachen vor der Tür den königlichen Leibarzt samt seiner Begleitung melden. Olympos betritt mit einem beruhigenden Lächeln mein Empfangszimmer, um sich dann kurz und knapp zu verneigen, während seine Gehilfin – die Hebamme Elephantine – etwas im Hintergrund bleibt. Auf Charmions Wink hin ziehen die drei Hofdamen sich außer Hörweite in den hinteren Teil des Gemaches zurück, bevor Olympos uns seine Diagnose mitteilt.
„Es ist nichts Ernstes“, versichert er mir. „Das Mittel, dass ich ihr gegen die Übelkeit gegeben habe, sollte bald wirken, aber die junge Dame sollte heute auf jeden Fall das Bett hüten und viel trinken. Von dieser starken Reaktion auf alkoholische Getränke abgesehen, ist sie kerngesund.“
„Und sie ist auch nicht schwanger“, kommt es trocken von der Hebamme.
„Elephantine!“, Olympos sieht seine Gehilfin mahnend an, die daraufhin schnell den Kopf senkt und ein demütiges „entschuldigt, Majestät“, murmelt. „Das ist nur immer ein naheliegender Gedanke. In diesem Fall natürlich nicht.“
„Nun, das ist beruhigend zu wissen“, entgegne ich ironisch und wende mich wieder an Olympos. „Habt Dank, dass Ihr so schnell gekommen seid. Das Wohl meiner Gefährtinnen liegt mir sehr am Herzen.“
„Natürlich, Majestät. Es ist eine große Ehre, Euch zu dienen und eine Freude, Euch mit meinem bescheidenen Wissen zur Seite zu stehen“, gehen Olympos die höfischen Worte leicht von den Lippen. Doch dann zögert er einen Augenblick, wobei er seiner Gehilfin einen nachdenklichen Blick zuwirft.
„Gibt es noch etwas, Olympos?“, frage ich freundlich.
„Ja, wenn es Eure Zeit erlaubt, Majestät. Dürfte ich einen Moment mit Euch unter vier Augen sprechen?“
Ich runzele die Stirn, nicke dann aber, worauf auch Charmion und Elephantine sich stillschweigend zurückziehen.
„Eure Assistentin ist neu am Museion, oder?“, ergreife ich erneut das Wort. „Bei unserem Besuch gestern ist sie mir nicht aufgefallen, doch abends beim Symposium um so mehr.“
„Elephantine? Ja, sie konnte gestern vormittag nicht dabei sein, weil bei einer Patientin die Wehen eingesetzt hatten. Sie ist manchmal ein wenig direkt, aber eine ausgezeichnete Hebamme, eine der besten Absolventinnen unserer Hebammenschule.“
„Ich fand ihren Auftritt sehr erfrischend“, versichere ich ihm. „Aber was möchtet Ihr so dringend mit mir besprechen, Olympos?“
Der Angesprochene schaut etwas betreten zu Boden, bevor er sich räuspert und dann mit sichtlicher Verlegenheit fortfährt. „Majestät, ich bin mir nicht sicher, ob es mir zusteht, Euch das anzubieten. Aber als königlicher Leibarzt ist es in gewissem Sinne meine Pflicht. Also, falls Ihr etwas benötigt, um gewissen,… möglicherweise unerwünschten Folgen vorzubeugen, dann zögert bitte nicht, mich zu konsultieren. Die Ärzteschaft des Museions ist Euch zutiefst dankbar und Ihr könnt Euch auf meine Diskretion absolut verlassen!“
Meine Augenbrauen sind bei seinen Worten immer höher gewandert und erst nach und nach sickert der Sinn seiner Worte zu mir durch. Ein heißer Schauer fährt durch meinen Körper, gefolgt von einem Anflug von Verlegenheit. Ich atme erst einmal ein und aus, bevor ich meinen Mund öffne, um eine möglichst diplomatische Antwort zu formulieren: „Ich weiß das Angebot zu schätzen, Olympos. Aber momentan benötige ich nichts dergleichen. Danke.“
Der königliche Leibarzt bedenkt mich mit einem Blick voller Skepsis und Erleichterung. „Wenn Ihr Euch anders entscheidet oder Hilfe benötigt, bitte zögert nicht, nach mir zu rufen, Majestät.“
„Das werde ich, Olympos“, versichere ich ihm, bevor ich ihn mit einem huldvollen Wink entlasse.
~*~
Doch Olympos‘ bedeutungsschwere Worte klingen in mir nach, auch als ich schon längst in meinem Büro sitze und meinem missmutig blickenden Sekretär und seinen Schreibern dabei zuschaue, wie sie auf meinen Befehl hin einige Scheiben an die Priesterschaft des Ptah, die königliche Kanzlei und das Büro des Dioiketes aufsetzen.
Caesar hält es für unwahrscheinlich, dass ich schwanger werde. Aber ist es wirklich so unwahrscheinlich, angesichts der intensiven Nächte, die wir miteinander verbringen? Woran merkt eine Frau überhaupt, dass sie ein Kind erwartet? Ganz leicht verlagere ich mein Gewicht auf dem Stuhl und versuche, in meinen Körper hineinzulauschen. Den Impuls, mir die Hand auf den Bauch zu legen, kann ich gerade noch unterdrücken. Entschlossen greife ich stattdessen nach dem Calamus und versuche, mich wieder auf den Brief vor mir zu konzentrieren, aber die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen. Was würde eine Schwangerschaft für mich bedeuten und für die Thronfolge in Ägypten? Mein Bruder würde einen Tobsuchtsanfall bekommen, soviel ist klar. Aber wie würde Caesar reagieren? Er hat versprochen, mich zu beschützen, aber würde er sich darüber freuen…?
Ich wage nicht, den Gedanken weiter zu denken, und realisiere erst nach einigen Sekunden, dass Seleukos mich erwartungsvoll ansieht. Offenbar tut er das bereits seit einer Weile – in Erwartung einer Antwort.
„Wiederhole das bitte nochmal!“, weise ich ihn stirnrunzelnd an.
„Aus dem Königreich Charakene, östlich von Babylon ist die Nachricht eingetroffen, dass König Tiraios Soter nach 30 Jahren Regierung im Alter von 92 Jahren gestorben ist“, antwortet Seleukos ungerührt.
„92, das ist wahrlich ein ehrwürdiges Alter! Dann sende im Namen Ägyptens Beileidsbekundungen an die königliche Familie in Charakene!“, weise ich ihn an.
„Ist Charakene als Vasallenstaat Parthiens nicht mit Rom verfeindet, Majestät?“, gibt Seleukos zu bedenken.
„Mit Rom ja, aber nicht mit Ägypten. Zumindest nicht offiziell. Schicke Ihnen einfach die üblichen diplomatischen Floskeln!“ Das kann zumindest nicht schaden. Und damit erhebe ich mich und überlasse meinem verdrießlich blickenden Sekretär und seinen Assistenten die restliche Schreibarbeit. Mein Gang ist so schnell, dass Charmion neben mir fast schon in einen Laufschritt verfällt und die anderen Hofdamen in ihren eng geschnittenen Kleidern sichtlich Mühe haben, mir zu folgen. Kurzerhand weise ich sie an, im Ankleidezimmer auf mich zu warten, denn mich zieht es zu Caesar, wie ich innerlich bekennen muss. Und so drossele ich mein Tempo erst, als ich die Tür zu seinen Privatgemächern durchschreite. Ich folge dem Klang der diskutierenden Männerstimmen und finde ihn schließlich in einem der kleineren Besprechungsräume, umgeben von seinen Sekretären, einem grinsenden Sextus und einer leicht bekleideten jungen Frau.
Ich blinzele, um den Anblick, der sich mir bietet, besser einordnen zu können. Caesar hat sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt und lauscht Sextus‘ Worten, der offenbar gerade dabei ist, die Frau zu befragen. Bei meinem Eintreten blicken alle auf.
Das Mädchen wirft nur einen Blick auf die beiden Uräusschlangen an meiner Stirn und sinkt im nächsten Moment bereits übergangslos auf die Knie.
„Die Wirkung auf deine Untertanen ist immer wieder bemerkenswert, meine Königin“, kommentiert Caesar schmunzelnd auf Latein und gibt mir mit einem Nicken zu verstehen, mich neben ihn zu setzen.
„Und um was genau geht es hier?“, erkundige ich mich auf griechisch, während die beiden Sekretäre unauffällig zur Seite treten, damit Charmion den Platz neben mir einnehmen kann.
„Ach, Sextus hielt es für eine besonders gute Idee, deinem Bruder eine Hetäre zu schicken und war gerade dabei, sich von der Dame über die Details des Abends in Kenntnis setzen zu lassen“, informiert mich mein Liebhaber und wechselt dabei nun ebenfalls ins Griechische.
„Eine Hetäre – für Ptolemaios?“, frage ich skeptisch und mustere die in durchsichtige Seide gehüllte junge Frau, die noch immer abwartend auf dem Boden kniet. Sie ist sehr hübsch und erinnert mich mit ihren lockigen blauschwarzen Haaren und dem feingeschnittenen Gesicht ein bisschen an Khered-Anch. Sie dürfte auch im selben Alter sein wie die Tochter des Hohepriesters.
„Du darfst dich erheben“, weise ich die junge Frau an, was sie dann auch sogleich tut, die Augen noch immer auf den Boden gerichtet.
„Ja, die Sache endete für den jungen König allerdings nicht so, wie er sich das vielleicht erhofft hatte“, höre ich die trockene Ironie in Caesars Stimme. Und für einen Moment trifft mich sein funkelnder Blick, bevor er die Aufmerksamkeit wieder seinem Cousin zuwendet: „Sextus, bitte sei doch so gut und fasse das Ganze noch einmal zusammen!“