07.10.48 v. Chr. nach dem vorjulianischen Kalender
(03.08.48 v. Chr. nach dem julianischen Kalender)
„Als er [Caesar] sich beim Volk beliebt gemacht hatte, versuchte er unter Beteiligung einiger Tribunen durchzusetzen, daß ihm die Verwaltung der Provinz Ägypten durch Volksbeschluß übertragen werde; der Zufall hatte ihm die Gelegenheit, ein außerordentliches Kommando zu erhalten, zugespielt; denn die Einwohner von Alexandria hatten ihren König, den der Senat Bundesgenosse und Freund genannt hatte, vertrieben; dies war aber nicht auf breite Zustimmung gestoßen. Sein Vorhaben mußte er aufgeben, da die Partei der Optimaten Front gegen ihn machte:“
(Sueton, Julius Caesar)[1]
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Wenn Julius Caesar etwas tut, dann tut er es offenbar richtig. Und das lässt er auch mich in dieser Nacht spüren, zuerst im Bad und erst recht, sobald wir das Schlafzimmer betreten haben. Mit präzisen Griffen delegiert er mich in genau die Positionen, die ihm vorschweben. Und er ist dabei nicht unbedingt sanft, sondern lässt mich seine Dominanz spüren. Ich gebe mich ihm bereitwillig hin und merke beglückt, wie sehr ich seine Leidenschaft dadurch anstacheln kann, denn er reagiert auf mein Entgegenkommen und zieht unsere Vereinigung in die Länge. Erst als ich vor lauter Ekstase zu keinem klaren Gedanken mehr fähig bin, gibt auch er seine eiserne Kontrolle auf. Ich genieße sein leises Stöhnen, das in meinem eigenen Körper widerhallt, wie auch diese Augenblicke, in denen er sich selbst völlig gehen lässt. Als er mich anschließend in seine feste Umarmung zieht, schmiege ich mich wohlig an ihn und schlafe fast augenblicklich ein, ein wenig wund, aber wunderbar befriedigt.
Als ich am Morgen die Augen aufschlage, ist das Bett neben mir leer. Caesar ist bereits aufgebrochen. Ich räkele mich noch ein bisschen und kuschele mich in die Decke, die noch schwach nach ihm riecht. Seit ich die Nächte mit dem römischen Feldherrn verbringe, schlafe ich tief und ausgezeichnet. Dass ich mich so schnell an seine Nähe gewöhnt habe und sogar in seinen Armen schlafen kann, ist erstaunlich. Unsere feurigen Küsse und Umarmungen erscheinen im Licht des Morgens wie ein ferner erotischer Traum. Ich lächele im Halbschlaf, doch das leise Klopfen an der Tür beendet meine schlaftrunkenen Überlegungen. Charmion und meine Hofdamen sind da, um mich anzukleiden. Der Tag hat begonnen.
~*~
„Du warst gestern schneller weg, als ich blinzeln konnte, Charmion“, necke ich meine Freundin, während sie damit beschäftigt ist, mich zu schminken. Die anderen Mädchen sind weiter hinten im Raum mit der Zusammenstellung meiner königlichen Roben beschäftigt und Khered-Anch ist mit Stephanos in eine theologische Unterhaltung über das Morgenritual zur Besänftigung der heiligen Uräusschlange vertieft.
„Die Mädchen sind immer noch ein bisschen verschreckt. Aber ich habe ihnen erklärt, dass solche Szenen wie gestern im Bad bei euch beiden normal sind.“ Charmion kichert nervös und versucht offensichtlich, Caesars Benehmen mit Humor zu nehmen. Bei ihrem leicht verzweifelten Gesichtsausdruck muss ich mir jedoch das Lachen verkneifen.
„Ja, ich weiß, bei Caesar muss man mit allem rechnen. Aber inzwischen finde ich seine Spielchen sogar ganz anregend“, gebe ich ihr gegenüber zu.
„Ihr seid echt für einander geschaffen“, murmelt Charmion leise.
„Meinst du wirklich?“
„Ja. Wahrscheinlich kann nur die Tochter der Göttin Isis es mit einem Mann wie ihm aufnehmen!“
„Hm, kann schon sein.“ Dieser Gedanke gefällt mir sehr. Ich lächele versonnen und schließe die Augen, während Charmion das glänzende Antimonpulver auf meine Lider aufträgt und sie dann mit schwarzen Lidstichen in Richtung der Schläfen verlängert.
„Was haben deine anderen Erkundigungen ergeben?“, wechsele ich das Thema und senke die Stimme dabei zu einem Flüstern.
Charmion versteht sofort, dass ich auf den Geheimgang anspiele und senkt ebenfalls die Stimme: „Nicht viel. ich glaube, das Meiste war nur allgemeines Soldatengeschwätz, aber mein Latein ist leider auch nicht so gut wie deins.“
„Du hast doch nicht etwa an Caesars und meinen Räumen gelauscht?“ Misstrauisch öffne ich die Augen einen Spalt.
„Würde ich doch nie wagen!“ Charmion zwinkert mir zu und ich nehme mir vor, unbedingt herauszufinden, welche unserer Räume an den Geheimgang grenzen. Hoffentlich nicht das Schlafzimmer!
„So, fertig, Majestät!“ Charmion hat ihre Arbeit beendet und reicht mir lächelnd den Bronzespiegel. Meine großen, durch die Schminke betonten Augen glänzen geheimnisvoll und beherrschen mein Gesicht. Der perlmuttfarbene Puder verleiht meiner Haut einen feinen Schimmer, wodurch sie fast wie Alabaster wirkt, bis auf die Lippen und Wangen, denen Charmion eine sanfte Röte und einen Hauch von Gold verliehen hat. Wie immer hat sie mein Gesicht in das Antlitz einer ägyptischen Göttin verwandelt. Meine langen, ebenholzschwarzen Haare, die mir in sanften Wellen offen bis zur Taille fallen, vervollkommnen dieses Bild, genauso wie der filigrane Perlen-Halskragen und das golddurchwirkte Gewand.
„Soll ich dir noch die Haare hochstecken?“
„Nein, lass sie heute offen.“ Caesar gefällt das. Sie nickt und steckt nur ein paar der vorderen Strähnen am Hinterkopf fest, damit mir die Haare nicht ins Gesicht fallen, bevor sie mir dabei hilft, das Diadem mit den beiden heiligen Uräus-Schlangen aufzusetzen.
Auf diese Weise fertig angekleidet und geschmückt, lasse ich mich auf dem gepolsterten, thronartigen Stuhl im Ankleideraum zurücksinken und winke Stephanos zu mir herüber. Der Kronenbewahrer löst sich sofort aus seiner Unterhaltung und kommt zu mir, sich tief und ehrerbietig verneigend. In Anbetracht seines Alters, bedeute ich ihm, sich ebenfalls zu setzen, worauf er umständlich auf einem kleinen Hocker mir gegenüber Platz nimmt und dann fragend mit leuchtenden Augen zu mir aufschaut.
„Stephanos, ich habe dich heute rufen lassen, weil ich etwas über die Geschichte unseres Hauses in Erfahrung bringen muss. Du hast die Regierungszeit meiner Tante Kleopatra Berenike miterlebt. Kannst du mir von ihr berichten?“
Der alte Mann nickt bedächtig und die Fältchen um seine Augen vertiefen sich bei seinem Lächeln. „Ja, Majestät. Ich erinnere mich gut an Eure Tante, sie war eine bewundernswerte Königin. Eine weise Regentin, streng, gütig und gerecht zugleich. Jeder in Alexandria liebte und achtete sie.“
„Was kannst du mir über sie erzählen und wie ist sie gestorben?“
„Majestät, das ist eine tragische und traurige Geschichte. Wie Ihr wisst, war sie eine Tochter von König Ptolemaios Soter Lathyros[2] und damit eine Enkelin der großen Königin Kleopatra Euergetis[3], Eurer Urgroßmutter.“ Ich nicke ermunternd und er fährt fort mit seiner Erzählung: „Als junge Frau – sie muss etwa in Eurem Alter gewesen sein – wurde sie mit ihrem Onkel Ptolemaios Alexander[4], dem jüngeren Bruder ihres Vaters vermählt und gebar ihm eine Tochter. Elf Jahre lang herrschten Königin Kleopatra Berenike und ihr Gemahl gemeinsam als Theoi Philometores Soteres – als mutterliebende Götter und Retter – über Ägypten. Doch wie Ihr wisst, gab es zu dieser Zeit immer wieder aufflammende Thronstreitigkeiten zwischen ihrem Vater und ihrem Gemahl...“ Der alte Mann macht eine Pause und sucht sichtlich nach den passenden Worten. Mir wird klar, dass der Krieg, den ich selbst gegen meinen Bruder geführt habe, nicht mehr als ein Scharmützel war, verglichen mit dem Bürgerkrieg, den er damals miterlebt haben muss und der das ganze Ptolemäerreich erschütterte.
„Meine Urgroßmutter Kleopatra Euergetis lebte damals noch, nicht wahr?“, gebe ich ihm das Stichwort, um fortzufahren.
„Nun ja, Majestät. Ihr wisst es selbst, Eure Urgroßmutter war viele Jahre lang die eigentliche Herrscherin hinter dem Thron. Sie hatte ihren jüngeren Sohn zum Erben bestimmt, doch ihre eigene Mutter, die große Kleopatra Soteira rief, obschon sie bereits 70 Jahre zählte, die Heeresversammlung ein und setzte durch, dass stattdessen ihr Lieblingsenkel, der ältere der beiden Prinzen zum König gekrönt wurde. Doch dies war der Auftakt einer lebenslangen Konkurrenz zwischen den beiden Brüdern, die sich im Laufe ihres Lebens mehrmals den Thron streitig machten und am Ende einen blutigen Bürgerkrieg ausfochten. In diesem Krieg wandte sich Bruder gegen Bruder und Schwester gegen Schwester. Es ist nun über 55 Jahre her und ich war ein sehr junger Mann. Doch es war bitter, mitzuerleben, wie fast das ganze große Königshaus im Laufe dieser Auseinandersetzungen ausgelöscht wurde.“
„Und meine Tante Kleopatra Berenike?“
„Sie war die Ruhe inmitten dieses Sturms, Majestät. Die geborene Friedensstifterin und Diplomatin. Ohne sie wäre der Streit noch mehr eskaliert, als ohnehin schon, doch sie vermochte auf ihre ruhige und besonnene Art, die Wogen zu glätten. Sie gab uns Hoffnung. Obwohl die beiden Könige sich bis auf Blut bekämpften, richtete sich ihr Zorn nie gegen die Königin. Im Gegenteil: Als ihr Vater schließlich über ihren Gemahl siegte, machte er Kleopatra Berenike sogar zu seiner Mitregentin. Und obwohl sie um ihren Gemahl ehrlich trauerte, der in den Kämpfen umgekommen war, war sie ihrem Vater eine gute Tochter und dem Land eine weise Regentin.
„Stammt daher ihr ägyptischer Beiname Weret-Hesut – die Hochgelobte?“
„Ja, Majestät. Jeder sagte nur Gutes von der Königin und für ihren inzwischen alten Vater wurde sie immer mehr zu einer Stütze. In dieser Zeit nahm sie den Thronnamen an, welchen auch Ihr tragt, Majestät: Thea Philopator – die vaterliebende Göttin.“ Stephanos schaut mich an und in seinen Augen flackert es. „Verzeiht einem alten Mann, Majestät, aber manchmal erinnert Ihr mich an sie.“
Ich nicke gerührt und er fährt fort: „Sieben Jahre regierte sie an der Seite ihres Vaters und als dieser schließlich starb, führte sie die Regentschaft allein und in vorbildlicher Weise weiter. Doch dann mischte sich Rom ein. Damals war Sulla römischer Dictator und er weigerte sich, die Alleinherrschaft einer Frau anzuerkennen und zwang sie dazu, wieder zu heiraten.“
„Den König, dessen Name nicht genannt werden darf?“ Denn so lautet die offizielle Bezeichnung dieses Königs, der zwar nach seinem Vater benannt wurde, aber von den ägyptischen Priestern nur noch als „Wey-en-rintef“[5] – verflucht sei sein Name – bezeichnet wird
„Ja, Majestät. Er war ein Sohn von König Ptolemaios Alexander mit einer Nebenfrau und damit gleichzeitig der Cousin und Stiefsohn der Königin. Dieser Prinz war zusammen mit Eurem Vater und den anderen Königskindern während des Bürgerkrieges in die Sicherheit des Asklepios-Tempels auf der Insel Kos geschickt worden. Eure Urgroßmutter hatte das veranlasst, um wenigstens die Kinder aus dem Krieg herauszuhalten. Doch tragischerweise erfuhr der pontische König Mithridates Eupator davon. Er überfiel die Insel und machte die Kinder zu königlichen Geiseln an seinem Hof. Doch der besagte Prinz konnte fliehen und gelangte nach Rom. Dort lebte er einige Jahre und geriet während dieser Zeit ganz unter den Einfluss Sullas, der sich mit der Thronbesteigung seines Günstlings mehr Einflussnahme in Ägypten erhoffte. Der römische Dictator zwang also Königin Kleopatra Berenike, ihren 15 Jahre jüngeren Cousin zu heiraten und zum Mitregenten zu erheben.“
Stephanos macht eine Pause und sein trauriger Blick verweilt einen Augenblick in der Vergangenheit. Und auch mir wird die Tragweite seiner Worte bewusst, selbst damals schon bestimmten einflussreiche Römer die Nachfolge in Ägypten und damals war Rom noch lange nicht so mächtig, wie jetzt unter Julius Caesar.
„Als der ägyptische Prinz in Alexandria eintraf, bereitete die Königin ihm einen würdigen Empfang. Die Hochzeit war mit großen Feierlichkeiten in der Stadt verbunden, doch während das Volk feierte, begannen hier im Palast bereits die ersten Auseinandersetzungen. Der König versuchte die Macht an sich zu reißen und begann sofort damit, wichtige Posten mit seinen Günstlingen zu besetzen. Außerdem verstärkte er die Palastwache mit eigenen Männern, die er aus Rom mitgebracht hatte. Königin Kleopatra Berenike gab sich nach außen hin erhaben, doch ihr Blick wurde von Tag zu Tag gehetzter und am Morgen des letzten Tages, als ich ihr Krone und Zepter brachte, da lag in ihrem Blick reine Angst. Hätten wir doch vorausgesehen, was geschehen würde, man hätte den Mord vielleicht verhindern können.“
„Was geschah dann?“, frage ich mit belegter Stimme.
In der Nacht des 19. Tages nach der Hochzeit hörten die Wachen mitten in der Nacht Schreie und eine laute Auseinandersetzung aus den königlichen Gemächern. Doch die Männer waren gerade erst vom König in ihr Amt berufen worden und mischten sich nicht ein. Am nächsten Morgen fand man die Königin tot in ihren Räumen. Sie lag in einer blutigen Lache und die königlichen Ärzte stellten mehrere schwere Verletzungen fest. Ihr Gemahl behauptete, es sei ein Unfall gewesen und sie sei unglücklich gestürzt. Er ordnete an, sie ins Haus des Todes zu bringen und die Staatstrauer auszurufen. Alsdann wollte er mit der Tagesordnung fortfahren, als sei nichts geschehen. Doch er hatte die Liebe des Volkes für die Königin unterschätzt. Die alte makedonische Leibwache stand treu zu ihrer Königin, selbst im Tod. Statt die Befehle des jungen Königs auszuführen, eskortierten sie ihn unter einem Vorwand ins Gymnasion. Dort fielen das versammelte Volk und die Palastwache über ihn her.“
Ich nicke, die wütende Menge hatte den König regelrecht gelyncht, aber um die blutigen Details geht es mir nicht. „Wo hat sich das zugetragen und in welchem Teil der Lochias-Halbinsel residierte die Königin damals?“, frage ich stattdessen.
„Sie wohnte genau hier, Majestät. Obwohl sie einen Teil der Regierungsgeschäfte vom Lochias-Palast aus führte, bevorzugte sie doch diesen Palast hier, denn Eure Tante war eine große Förderin der Künste und Wissenschaften und besuchte sehr oft die Vorstellungen im nahegelegenen Theater des Dionysos.“
„Was geschah nach dem Tod des Königs?“
„Für diesen Mord verhängte die Priesterschaft die größte aller Strafen über den König, die damnatio memoriae. Sein Name wurde aus allen Inschriften und Königslisten getilgt, seine Statuen zerstört und sein Andenken ausgelöscht, so als ob er nie gelebt hätte. All seine Erlässe wurden für nichtig erklärt. Seitdem ist er der König, dessen Name nicht mehr genannt werden darf.“
„Was waren das für Erlässe?“, frage ich gebannt, auch wenn ich schon ahne, worauf Stephanos anspielt.
Stephanos sieht mich mit ernstem Blick an. „Man sagt, es habe ein Testament gegeben, Majestät. Zumindest behauptete man das in Rom. Ein Testament, in dem der König ganz Ägypten an Rom vermachen wollte, für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte.“ Bei diesen Worten läuft mir ein kalter Schauder den Rücken herunter. Sie klingen wie ein Fluch – ein Fluch aus der Vergangenheit.
„Aber dieses Testament ist nie in Rom aufgetaucht!“, sage ich leise.
„So ein Testament wurde meines Wissens auch nie verfasst, Majestät. Es wäre Hochverrat gewesen. Doch es mag sein, dass der König so etwas plante, aber nicht mehr ausführen konnte. Seine wenigen Getreuen fanden gemeinsam mit ihm den Tod oder wurden des Palastes verwiesen. Nach diesen Geschehnissen verhängten die Priester den Fluch des Vergessens über diese 19 unglücklichen Tage seiner Regentschaft.“
„Und danach ging der Thron an meinen Vater.“
„Ja, Majestät. Und ganz Ägypten war glücklich darüber, dass der König von Pontos ihn und seine Geschwister freigab, um die Herrschaft in Ägypten anzutreten. Euer Vater und sein jüngerer Bruder waren nach dieser Tragödie die letzten überlebenden ägyptischen Prinzen.“
Ich nicke langsam. Mein Vater hatte einige Jahre als königliche Geisel am Hof des gefürchteten Mithridates Eupator gelebt. Als Sohn einer Nebenfrau hatte mein Vater nicht damit rechnen können, die Krone zu erben. Doch er hatte sich durchgesetzt und war letztendlich sowohl in Ägypten, als auch in Rom anerkannt worden, letzteres allerdings nur aufgrund horrender Zahlungen an seinen Patron Pompeius. Zu Beginn seiner Herrschaft hatte die Drohung der Annektierung Ägyptens wie ein Damoklesschwert ständig über ihm geschwebt. Und gerade Julius Caesar war es gewesen, der vor nunmehr 17 Jahren erneut auf die Annektierung Ägyptens gedrängt hatte, aufgrund dieses angeblichen Testamentes…
Doch was hat das alles mit dem verborgenen Raum tief unter dem Palast zu tun? Ich hoffe, gar nichts. Aber ich muss trotzdem herausfinden, was sich hinter dieser Tür verbirgt und deshalb stelle ich noch einige Fragen zu meiner Tante und komme dann vorsichtig auf den Siegelring zu sprechen.
Stephanos sieht mich nachdenklich an und schüttelt dann bedauernd den Kopf. „Ich bin wirklich untröstlich, Majestät, aber ein solcher Siegelring, wie Ihr ihn beschreibt, befindet sich meines Wissens nicht bei den Regalien der zu Osiris gegangenen Königin. Die Königin besaß natürlich zahlreiche Ringe und erlesenen Schmuck. Möglicherweise wurde so ein Siegelring mit ihr begraben. Ich werde umgehend in den alten Verzeichnissen nachsehen.“
Na wunderbar. Im schlimmsten Fall würde das bedeuten, dass sich der Ring an der Hand ihrer Mumie befindet. Aber bevor ich ihren Sarkophag öffnen lasse und ihr Grab entweihe, muss es doch eine andere Möglichkeit geben, diese Tür zu öffnen! Notfalls eben mit Gewalt!
„Welche Regalien hat meine Tante Kleopatra Berenike denn hinterlassen?“, frage ich weiter.
Und hier ist Stephanos sofort mit Begeisterung dabei, mir die verschiedenen heiligen Kronen, Schmuckstücke und Zepter zu beschreiben.
„Ich möchte mir die Kronen und den Schmuck selbst ansehen. Bitte veranlasse, dass alles hierhergebracht wird!“
Der alte Mann nickt eifrig und ich schenke ihm noch ein warmes Lächeln, bevor ich ihn entlasse. Stephanos Erzählung hat mir wirklich einiges zum Nachdenken gegeben. Doch damit muss ich mich später befassen, denn jetzt steht erst einmal ein Besuch bei Seleukos und meinen Schreibern an. Und nach dem Gespräch, das ich gestern belauscht habe, wartet dort mit Sicherheit jede Menge Arbeit auf mich.
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[1] Sueton, Das Leben der römischen Kaiser, Iulius Caesar, herausgegeben und übersetzt von Hans Martinet, Düsseldorf, 2001, S. 18
[2] Ptolemaois IX. Soter II. (ca. 143-81 v. Chr.)
[3] Kleopatra III. (ca. 160-101 v. Chr.)
[4] Ptolemaios X. Alexander (ca. 140-88 v. Chr.)
[5] Koptisierte Form der Ägyptologischen Transkription: WAw n rn=f: Entfernt sei sein Name (Die Person ist eines Namens nicht würdig), siehe: vgl.: Rainer Hannig, Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch, Die Sprache der Pharaonen, 4. Auflage, Mainz, 2006, S. 182.