„Du aber Königin, wenn du zu den Sternen aufblickend die Göttin Venus an festlichen Tagen mit Opfern versöhnst, laß mich, die ich dein eigen bin, nicht dein Salböl entbehren, beschenke mich vielmehr mit reichen Gaben.“
Catull, Carmina 66 (Die Locke der Berenike)[1]
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Nachdem wir wieder auf unserer Kline Platz genommen haben, beginnen die Hofdamen unter Charmions Leitung mit dem Auftragen der Speisen. Mit einer beiläufigen Geste bedeutet Caesar den Mädchen, die Schalen mit dem frisch gebackenen Brot und den Oliven vor ihm abzustellen und in kurzer Zeit ist eine bunte Auswahl an kulinarischen Köstlichkeiten auf den Löwenbeintischchen vor uns angerichtet. Im Hintergrund erklingt eine heitere Hymne an Dionysos.
Maios hat inzwischen sein Abendmahl beendet und kommt noch einmal zu unserer Kline herüber, um sich zu verabschieden. Von Caesar mit einem respektvollen Nicken, von mir mit einem spitzbübischen Lächeln. Maios‘ Amme wartet in einiger Entfernung. Sie ist diesmal ohne ihre Söhne erschienen, dafür wird sie von ihrem Ehemann begleitet. Einem Philosophen namens Areios, wenn ich mich recht entsinne, der zu Arsinoes Kreis gehört und sich nun den anderen Männern anschließt, die sich um die königliche Kline versammelt haben.
„Maios hat offenbar den Charme der Ptolemäer geerbt“, kommentiert Caesar den Abgang des Prinzen, während er eins der Anisbrote in der Mitte durchbricht und mir die Hälfte reicht. „Da seid ihr euch ähnlich.“
„Aber gegen deinen Charme kommen wir nicht einmal beide zusammen an“, entgegne ich mit einem Lächeln.
„Sehr charmant gesagt, meine Königin. Aber ich denke, mit ein wenig Übung schaffst du das sogar alleine“, meint er schmunzelnd, bevor er sich wieder den Speisen zuwendet.
Seinem Beispiel folgend, breche ich kleine Stückchen von dem warmen Gebäck ab, um sie in die Schälchen mit Sesampaste und Frischkäse zu tunken. Caesar bevorzugt indessen eine mit Garum verfeinerte Paste aus Oliven. Die gesüßten Speisen lässt er wie so häufig unangetastet und auch von den mit Safran, Ingwer und Pfeffer gewürzten Fisch- und Geflügelgerichten nimmt er nur wenig. Die teuren Zutaten, die Arsinoes Köche verwendet haben, locken ihn offensichtlich nicht sonderlich. Oder hat er sich während seiner Feldzüge so sehr an einfache Kost gewöhnt? Wieder einmal scheint Caesar meine Gedanken zu spüren, denn als ich das nächste Mal zu ihm aufblinzele, trifft mich sein ironischer Blick.
„Beobachtest du mich, meine schöne Göttin?“
„Du beobachtest mich doch auch ständig, oder?“
„Du bist ja auch eine schöne Frau. Natürlich schaue ich dich gerne an.“
„Weil ich auf römische Augen so aufreizend wirke?“, kann ich mir die kleine Spitze nicht verkneifen.
„Aufreizend?“ Sein Blick gleitet kurz über mein Dekolleté, bevor er mir wieder schmunzelnd in die Augen sieht. „Ich würde eher sagen: überaus reizvoll. Dich zu betrachten ist, als würde ich ein Kunstwerk studieren. Was du hingegen in mir siehst, würde mich durchaus interessieren.“
„Du bist doch auch ein gutaussehender Mann! Ein Sohn der Venus. Vielleicht schaue ich dich ja aus den gleichen Gründen so gerne an?“, erwidere ich schelmisch. Er hebt eine seiner elegant geschwungenen Brauen und seine intelligenten Augen funkeln herausfordernd. Unwillkürlich wird mein Ton ernster: „Ich…bewundere dich und versuche von dir zu lernen, Caesar. Ich bewundere dich wirklich.“
Die Wahrheit meiner eigenen Worte klingt in mir nach und zaubert dieses sanfte Lächeln in Caesars Augen, das ich so sehr liebe. „Das weiß ich zu schätzen, meine kleine Göttin. Das weiß ich sehr zu schätzen.“ Für einen Moment versinke ich in seinem unergründlichen Blick, während dieses vertraute Glücksgefühl in mir aufsteigt und uns wie eine warme Meereswelle umspült und verbindet.
Ganymedes ist inzwischen nach vorne getreten, um die nächsten Vorträge anzukündigen. Beim Klang seiner penetranten Stimme würde ich am liebsten die Augen verdrehen. Aber natürlich tue ich nichts dergleichen. Caesar und ich wechseln lediglich einen amüsierten Blick, bevor wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen im Saal richten, wo Ganymedes gerade dabei ist, Diodorus als ersten Redner vorzustellen. Dem Historiker ist das höfische Interesse sichtlich unangenehm, oder zumindest ist er nicht daran gewöhnt, denn er tritt nur zögerlich in die Mitte und verfällt sofort in eine tiefe Verneigung.
„Nur zu, werter Diodorus. Ihr habt uns vorhin so trefflich von den Aufzeichnungen über Alexanders Begegnung mit den Amazonen berichtet, dass wir nun alle sehr gespannt sind, Eure Zusammenfassung der Berichte zu hören“, erklingt Arsinoes liebliche Stimme von der königlichen Kline, wo sie noch immer neben Ptolemaios wie eine Königin logiert.
Noch einmal verneigt sich Diodorus, bevor er das Wort ergreift und gleichzeitig damit beginnt, seinen Papyrus zu entrollen: „Natürlich. Sehr gerne, Königliche Hoheit. Habt Dank für die große Ehre, die Ihr mir erweist. Die Aufzeichnungen der Geschichte von Alexander und Thalestris beruhen zum Großteil auf dem Geschichtswerk des Onesikritos, der die Ehre hatte, den großen Alexander nach Indien begleiten zu dürfen, sowie einigen anderen Quellen, die ich versucht habe, in aller Bescheidenheit zusammenzufassen.“ Auf Arsinoes Nicken hin, räuspert sich Diodorus noch einmal und richtet seine Aufmerksamkeit dann auf seine Aufzeichnungen, bevor er anfängt, die Sage vorzutragen:
„…Als Alexander nach Hyrkanien zurückkehrte, begegnete ihm Thalestris, die Königin der Amazonen, die über das ganze Land zwischen den Flüssen Phasis und Thermodon herrschte. Sie war außergewöhnlich schön und von großer körperlicher Kraft und wurde von ihren Frauen wegen ihrer Tapferkeit bewundert. Sie hatte den Großteil ihres Heeres an der Grenze zu Hyrkanien zurückgelassen und war mit einer Eskorte von dreihundert Amazonen in voller Rüstung erschienen. Der König war überrascht von der unerwarteten Ankunft und der Erhabenheit der Frauen. Als er Thalestris fragte, warum sie gekommen sei, antwortete sie, sie wünsche sich ein Kind von ihm. Er habe sich durch seine Leistungen als der größte aller Männer erwiesen, und sie sei allen Frauen an Kraft und Mut überlegen, sodass der Nachwuchs solch hervorragender Eltern vermutlich alle anderen Sterblichen an Vollkommenheit übertreffen würde. Der König war darüber höchst entzückt, erfüllte ihre Bitte und verbrachte dreizehn Tage und Nächte mit ihr, danach ehrte er sie mit kostbaren Geschenken und ließ sie nach Hause zurückkehren..."[2]
Diodorus erzählt unbekümmert und mit zunehmender Begeisterung weiter, doch ich merke, wie die Blicke der Anwesenden nicht länger auf den Redner, sondern auf Caesar und mich gerichtet sind. Ich kann ihre Spekulationen förmlich hören. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Ptolemaios verärgert die Stirn runzelt und Arsinoe sich ein Grinsen verkneift. Das Thema hat sie doch mit voller Absicht ausgesucht! Ich greife nach meinem Weinglas und hülle mich in Erhabenheit, während Caesar keine Mine verzieht.
,Dir ist schon bewusst, dass du schwanger werden könntest?‘ Seine Worte aus der ersten Nacht kommen mir unwillkürlich in den Sinn, genauso wie die Reaktion meines Bruders: ,Und wenn er mit dir einen Bastard zeugt? Soll ich dann auch noch dankbar sein und das Kind anerkennen?‘ Caesar hält es für unwahrscheinlich. Aber was, wenn der unwahrscheinliche Fall nun doch einträfe? Er hat versprochen, mich zu schützen und ich glaube ihm…ich muss ihm einfach vertrauen! Verstohlen blinzele ich zu meinem Liebhaber herüber und sehe nur Ruhe und Konzentration. Caesars Gelassenheit hätte ich auch gerne. Wieder bewundere ich die Überlegenheit, mit der er solche Anspielungen und Spekulationen einfach von sich abprallen lässt. Das sollte ich auch tun!
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[1] Catull, Sämtliche Gedichte, Übersetzung von Michael Albrecht, Stuttgart 1995, S. 125.
[2] Frei nach: Diodor, XVII, 77. Eine englische Übersetzung findet man hier: https://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Diodorus_Siculus/17D*.html