„Dieser hübsche Streich gefiel Caesar so gut, dass er sich, wie man sagt, auf den ersten Blick verliebte, Überhaupt fand er in ihr [Kleopatra] eine kluge und reizvolle Frau, und er versöhnte sich mit ihrem Bruder unter der Bedingung, dass sie Mitregentin wurde.“
(Plutarch, Gaius Julius Caesar, 49)
„…Ich bete an die Goldene an und preise ihre Majestät, ich rühme die Herrin des Himmels, ich gebe Jubel der Hathor und Verehrung der Herrin…“
(Altägyptisches Liebeslied, Papyrus Chester Beatty I, um 1300 v. Chr.)
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Ich bin in Julius Caesar verliebt. Dieses glühende, überwältigende, tiefe Glücksgefühl in mir kann nichts anderes sein! Geht es ihm ebenso? Ist Zypern sein Geschenk an mich? Die Insel, vor deren weißen Stränden einst die Göttin der Liebe als Aphrodite Anadyomene aus den Wellen dem Meer entstiegen ist? Doch ich zwinge meine Gedanken wieder in politische Bahnen: Zypern ist nichts anderes als Caesars diplomatisches Pfand, um die Wogen zu glätten! Doch dass er so weit gegangen ist… diese Geste allein ist unglaublich!
An Caesars Hand verlasse ich wie in Trance den Thronsaal. Draußen ist es inzwischen dunkel geworden und die Prachtstraße, auf der wir uns zum Lochias-Palast begeben werden, ist mit hunderten von Fackeln beleuchtet. Die Hitze des Tages ist einer angenehmen Briese gewichen, die vom Meer zu uns herüberweht. Die Luft ist erfüllt vom Duft der Maulbeerfeigenbäume, doch für mich riecht sie nach Zeder und Sandelholz. Die entzündeten Lichter und das Mondlicht lassen die Silhouetten der weißen Paläste sanft vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlen. Ein verwunschener Abend in Alexandria, voller Magie und Möglichkeiten.
Caesar geleitet mich zu meiner Sänfte, wo Apollodorus mit den Trägern schon auf uns wartet. Charmion folgt uns mit der Schar meiner Hofdamen. „Wir sehen uns gleich, meine schöne Göttin“, raunt Caesar mir zu, als ich im Begriff bin, in die Sänfte zu steigen. Nur jahrelange Übung bewahrt mich davor, mit der hohen Federkrone irgendwo anzustoßen, so durcheinander bin ich innerlich. Ein knapper Befehl von Apollodorus und ein Schaukeln geht durch die Sänfte, als sie angehoben wird. Mein Blick ist immer noch auf Caesar gerichtet, der sich vergewissert, dass alles in Ordnung ist, bevor er sich seinen Offizieren zuwendet und selbst einen der bereitstehenden Streitwagen besteigt. Auf seinen Befehl hin, setzen die königlichen Sänften sich langsam in Bewegung. Der ganze Zug wird von einem großen Aufgebot römischer Legionäre begleitet und hinter dem königlichen Gefolge besteigen auch die anderen Festgäste ihre wartenden Sänften, Pferde und Streitwagen oder begleiten uns zu Fuß.
Durch die seidenen Vorhänge meiner Sänfte beobachte ich Caesar, der immer in meiner Nähe bleibt, auch wenn sein Blick wachsam auf die Straße gerichtet ist. Mein Herz schlägt schneller bei seinem Anblick, doch seine Vorsicht ist berechtigt. Wir verlassen gerade den römischen Militärbereich. Und auch wenn die Stimmung zu unseren Gunsten umgeschlagen ist und die uns begleitende Militärpräsenz jedem die überlegene Disziplin und Organisation des römischen Heeres vor Augen führt: Caesars Truppen sind in der Unterzahl. Einen Aufstand in der Stadt könnte er momentan mit seinen 4000 Männern nicht niederschlagen, vor allem mit der Bedrohung durch das königliche Heer an der Ostgrenze. Insofern ist die Schenkung Zyperns – Caesar hat gerade einen Teil des römischen Reiches an Ägypten zurückgegeben! – wahrscheinlich auch ein Ablenkungsmanöver. Er will die Wogen glätten und Zeit gewinnen, bis seine Verstärkungstruppen eintreffen. Aber er könnte Ägypten auch jederzeit verlassen. Er bleibt mir zuliebe. Was er gerade für mich getan hat, ist und bleibt unglaublich! Und die Art und Weise, wie er es getan hat! Ich muss bei diesem Gedanken einfach grinsen. Die Geistesgegenwart, mit der er die Situation gerettet und das Ruder zu unseren Gunsten herumgerissen hat. Ich kann ihn dafür nur bewundern!
Der feierliche Zug erreicht ohne Zwischenfälle den nördlich gelegenen Lochias-Palast neben dem Tempel der Isis. Auf den Treppen des hell erleuchteten Gebäudes warten bereits hunderte von Dienern und Dienerinnen, um die Gäste mit Blumenkränzen zu begrüßen und hineinzuführen. Als die Sänfte stoppt, ist Caesar bereits zugegen und reicht mir die Hand. Sicher und kraftvoll zieht er mich an seine Seite. Neben uns haben auch Ptolemaios und Arsinoe ihre Sänften verlassen. Gemeinsam erklimmen wir mit unserem Gefolge die Stufen des Palastes und betreten schließlich in feierlicher Prozession den geschmückten Festsaal.
Der Boden ist mit Rosenblättern bedeckt, die bei jedem Schritt ihren betörenden Duft verströmen. Wir nähern uns dem leicht erhöhten Podium, wo zwei königliche Klinen in einigem Abstand voneinander aufgebaut sind. Ich begebe mich zu der rechten und Caesar nimmt den Ehrenplatz neben mir auf meiner Speiseliege ein, während Arsinoe sich zu Ptolemaios gesellt. Zwei Dienerinnen knien vor Caesar und mir nieder, um unsere Füße mit duftendem Rosenwasser zu waschen. Dasselbe wiederholt sich auch an der königlichen Kline meines Bruders und bei unseren Begleitern, die auf Stühlen und Kissen in einigem Abstand Platz genommen haben. Ein Chor von Sängerinnen rezitiert ein uraltes, traumhaft schönes Liebeslied, nur begleitet von den zarten Klängen leiser Harfenmusik.
Von unserem elaborierten Platz aus, beobachten wir, wie der Saal sich langsam füllt und die eintreffenden Gäste von Dienern zu ihren Klinen geleitet werden, die an den Seiten des Raums und in Reihen angeordnet sind.
„Ich danke dir für dein Geschenk", flüstere ich. Caesars Augen streicheln mich.
„Darüber reden wir besser später", erwidert er leise. „Was hältst du von der Sitzordnung?"
„Ganz schön offensichtlich. Dafür, dass mein Bruder und ich uns versöhnt haben, sitzen wir ganz schön weit auseinander.“ Ich lächele bei dem Gedanken.
„Findest du?", fragt Caesar gelassen. „Ich sehe darin nur ein besonderes Zeichen der Gastfreundschaft, dass man einem geschätzten Konsul, Feldherrn und Imperator Roms entgegenbringt.“
„Und die Königin von Ägypten verbringt ihre Abende auch lieber mit dem berühmten römischen Feldherrn, Imperator und Konsul, als mit ihrem Bruder", flüstere ich ihm zu. „Außerdem bist du ja mein Vormund, der auf mich aufpasst, nicht wahr?!“
„Hm, der Gedanke scheint dir ja zu gefallen. Meinst du, ich muss mich heute Abend wieder von deinem einwandfreien Lebenswandel überzeugen?“ Sein Lächeln ist durch und durch zweideutig.
„Wenn du das für notwendig hältst...“ Ich bemühe mich, mein leichtes Lächeln nicht zu einem breiten Grinsen werden zu lassen. Die erhabene Miene der Gottkönigin aufrecht zu erhalten, fällt mir heute abend schwer.
„Ich bin gerne gründlich bei allem, was ich tue.“
„Das ist mir durchaus aufgefallen.“
Inzwischen haben alle Anwesenden ihre Plätze eingenommen und Potheinos hält die Eröffnungsrede. Danach setzt die Musik wieder ein und der Lärmpegel steigt, als gleichzeitig die Gespräche zwischen den Gästen beginnen. In der Mitte des Saals werden nun die Speisen aufgetragen, die Vorkoster treten vor und probieren von allem ein wenig, bevor die persönlichen Diener und Dienerinnen sich am Bankett bedienen, um die Speisen zu den Tischen ihrer Herren und Herrinnen zu bringen. Auch meine Hofdamen sind damit beschäftigt, für Caesar und mich allerlei Köstlichkeiten zusammenzustellen, alles unter den wachsamen Augen von Charmion und Apollodorus.
Die Mädchen servieren Caesar und mir von den köstlich duftenden Speisen und stellen sie auf den kleinen Beistelltischen vor unserer mit Girlanden geschmückten Kline ab.
Kleine Teller mit gegrillten Täubchen und gefüllten Krammetzvögeln, süßem Honiggebäck mit Erdmandelpaste und Pistazien und Schalen mit fantasievoll angerichtetem Obst: Trauben, Feigen und Sykomorenfrüchte mit Nüssen und Granatapfelkernen. Es sieht alles wunderbar aus, doch ich koste nur von dem Obst und nippe dann an einem Kelch, der mit Granatapfelsaft gefüllt ist.
„Hast du gar keinen Hunger?“ Caesar sieht mich aufmerksam an.
„Nicht wirklich.“ Ich lächele ihn an. Im Grunde habe ich schon seit Tagen keinen richtigen Appetit mehr, aber dafür fühle ich mich beschwingt und energiegeladen wie selten zuvor. „Aber du isst auch wenig. Und du trinkst auch nichts“, bemerke ich, mit einem Blick auf Caesars Teller.
„Ich bevorzuge es, nüchtern zu bleiben. Aber du solltest den Gewürzwein probieren, er soll köstlich sein.“ Und damit greift er nach seinem Weinkelch, nimmt einen kleinen Schluck und reicht ihn an mich weiter. Als ich danach greife, berühren sich unsere Finger und ein angenehmes Kribbeln durchfährt meinen Körper. Ich drehe den Kelch bewusst so, dass ich von derselben Stelle trinke, wie er. Caesar beobachtet mich amüsiert. Und ich nehme gleich noch einen Schluck von dem fruchtig schmeckenden Getränk.
„Der ist wirklich gut. Willst du mich etwa betrunken machen?“
„Ach, ich glaube, das ist nicht nötig, um dich zu verführen, oder?“
„Du willst mich verführen?“ Ich lege den Kopf schief und lächele ihn unter halb gesenkten Lidern interessiert an.
„Ich wüsste nicht, was ich nach diesem Tag heute Nacht lieber täte.“ Caesars Augen funkeln amüsiert. „Aber erstmal müssen wir dieses Bankett hinter uns bringen, meine Schöne. Und ein bisschen Konversation betreiben. Schau mal, da kommen auch schon die ersten Klienten.“
Ich folge Caesars Blick und sehe Psenamounis, der sich mit zwei anderen Priestern unserer Kline nähert. Beide sind mittleren Alters und strahlen die typische Ruhe und Würde ihres Amtes aus. Es handelt sich um Pa-ashem und Pa-Amon-Paeni. Beide haben während der Diskussion im Thronsaal zu meinen Gunsten argumentiert. Ich kenne sie von meinen Besuchen in Oberägypten, kann mir aber ihre zahlreichen Ämter nicht merken. Deshalb bin ich froh, dass Psenamounis sie – auch Caesar gegenüber – noch einmal ausführlich vorstellt.
„Majestät, Imperator, dies hier ist Pakhom, auch bekannt als Pa-ashem, Stratege von Dendera, Iripat-Hati-a (Erbfürst und Graf), Priester und Schatzmeister des Horus von Edfu, der Hathor und Isis von Dendera, Prophet der Isis von Philae, aller Götter von Eileithyaspolis sowie des Harsomtus, der Hathor, des Horus und aller Götter des Falken-Gaus.[1]
Auch Pa-Amon-Paeni aus Hermonthis, der unter anderem Priester der Götter Month, Re-Harachte und Atum ist, wird uns daraufhin samt all seiner Titel ausführlich vorgestellt.
Ich nicke den beiden freundlich zu. „Pa-ashem und Pa-Amon-Paeni, ich freue mich, Euch wiederzusehen. Macht der Bau des großen Tempels für die Göttin Hathor in Dendera Fortschritte und wie ist der Zustand des heiligen Buchis-Stiers?“, eröffne ich das Gespräch und gebe ihnen damit Gelegenheit, mir von den Entwicklungen in ihren jeweiligen Tempeln, Städten und Gauen zu berichten.
„Tochter der Isis, Sohn des Amun“, Pa-ashem verneigt sich würdevoll vor Caesar und mir. „Ich freue mich, Euch mitteilen zu können, dass die Arbeiten am Naos des großen Hathor-Tempels gut voranschreiten. Die unterirdischen Krypten, die noch Euer erhabener Vater in Auftrag gegeben hat, sind nun komplett dekoriert. Die Künstler haben bereits mit der Anbringung der Reliefs im Allerheiligsten der Göttin begonnen und arbeiten momentan an der Fertigstellung der astronomischen Darstellungen in den Dach-Kapellen. Die Reliefs und Texte, die das Mysterium der Auferstehung des Osiris zeigen, sind fast vollendet. Bis zum 26. Choiak[2] nächsten Jahres, sollte alles fertiggestellt sein. Dann muss die Einweihung stattfinden, wenn nach 1460 Jahren zum ersten Mal wieder ein zenitaler Vollmond über dem Heiligtum erscheinen wird.“
„Das freut mich zu hören, ich möchte das Haus meiner Mutter Isis-Hathor mit allem ausstatten, was erforderlich und angemessen ist. Scheut weder Kosten noch Mühen, damit der Bauplan eingehalten wird und die Feierlichkeiten zu diesem astronomischen Datum in gut einem Jahr stattfinden können“, erwidere ich ernst.
„Wir danken Euch für Eure Gunst und Gnade, Tochter der Isis, für deren Majestät man musiziert. Ehre sei der Goldenen[3] und Lobpreis der Hathor.“ Pa-ashem verneigt sich. Nichts anderes hat er erwartet, besonders jetzt, nachdem ich die Rückendeckung durch die Priesterschaft in besonderem Maße benötige. Man sieht es dem bescheiden wirkenden Mann mit dem rundlichen Gesicht nicht an, aber er ist einer der einflussreichsten Männer Oberägyptens. Ich brauche ihn auf meiner Seite. Doch der Tempel der Hathor von Dendera ist wirklich ein Projekt, dass mir am Herzen liegt. Ich habe selbst an den Bauplänen mitgewirkt und die Baustelle besucht. Einmal fertiggestellt, wird dieser Tempel einer der schönsten und erhabensten in ganz Ägypten sein.
Auch Pa-Amun-Paeni verneigt sich tief und strahlt mich dann an. „Allerheiligste Gottkönigin, Der Buchis-Stier ist wohlauf und Jahr für Jahr kommen mehr Pilger zu uns nach Hermonthis. Wir können sie kaum noch aufnehmen. Unsere Stadt gilt inzwischen als neues Heliopolis von Oberägypten und seit Eurem letzten Besuch hat sich der Tempel des Month immer mehr zum religiösen Zentrum der Thebais entwickelt.“
„Ich kann mich noch gut an meinen Besuch erinnern und werde sehen, was ich tun kann, um den Tempel des Month und seiner göttlichen Gemahlin Rait-tawi entsprechend zu vergrößern“, sichere ich auch Pa-Amon-Paeni eine Förderung seiner Bauprogramme zu.
„Habt Dank, Majestät. Wir würden uns unendlich freuen, Euch wieder in der Thebais begrüßen zu dürfen. Wir können uns noch so gut an Eure letzten Besuche erinnern. Ihr habt euren Vater in seinem 27. Regierungsjahr nach Dendera begleitet, um am 14. Epiphi[4] beim Gründungsritual des Strickspannens mitzuwirken und wart dann in Eurem 1. Regierungsjahr am 22. Mekhir[5] in Hermonthis, um den heiligen Buchis-Stier selbst auf der Barke nach Hermonthis zu geleiten.
„Ihr könnt Euch sogar an die Daten erinnern?“, fragt Caesar interessiert.
„Natürlich, wir feiern diese Besuche jedes Jahr als Jubiläum und haben es auch auf unseren privaten Opfer-Stelen aufzeichnen lassen, damit noch unsere Enkel und Urenkel von diesen denkwürdigen Ereignissen erfahren mögen und alle, die da nach uns kommen werden.“
„Der 14 Epiphi und der 22. Mekhir, welchen Tagen entspricht das nach dem römischen Kalender?“ will Caesar noch interessiert wissen.
„Das ist nicht ganz einfach zu errechnen, verehrter Konsul, da die Daten des ägyptischen und römischen Kalenders sich mit jedem Jahr weiter verschieben“, überlegt der Priester laut und runzelt angestrengt die Stirn.
„Ich glaube, ich weiß da einen Experten, der das genau ausrechnen kann.“, biete ich an und deute zu einer der Klinen. „Sosigenes, mein alter Lehrer am Museion ist heute hier. Er ist der brillanteste Astronom in Alexandria. Wenn jemand alle Fragen bezüglich des Kalenders beantworten kann, dann er. Soll ich ihn später rufen lassen?“
„Alle Fragen bezüglich des Kalenders dürften einige Zeit in Anspruch nehmen.“ Caesar hebt vielsagend eine Augenbraue. „Aber gerne, das Thema interessiert mich seit längerem.“
Ich lächele ihn an und wende mich wieder Pa-Amon-Paeni zu. „Eure Gemahlin Ta-Senet gehörte zu den Priesterinnen auf der Barke, nicht wahr?“ Ich erinnere mich vage an ihren Namen, weil er übersetzt „Die Schwester“ bedeutet. Aber der Priester strahlt über das ganze Gesicht. „Majestät, dass Ihr Euch daran erinnert, wird ihr eine unglaubliche Freude bereiten. Wir haben inzwischen einen kleinen Sohn namens Goschjer, der mein Nachfolger als Priester des Month werden soll.“
„Anchu, Udjau, Senebu (ägyptisch: möge er leben, heil und gesund sein). Month hat dich und deine Gemahlin reich gesegnet.“
„Habt dank, Majestät. Ehre sei Month und Rait-tawi, der Sonne der beiden Länder!“ Pa-Amun-Paeni fällt auf die Knie und ich bedeute ihm mit einer Handgeste, sich wieder zu erheben.
„Haltet Euch in den nächsten Tagen bereit. Ich werde Euch eine Einladung schicken, um die Details zu besprechen.“, entlasse ich die beiden zufrieden wirkenden Priester, die sich noch einmal verneigen und von Psenamounis zurück zu ihren Plätzen begleitet werden.
„Das war aber ein freundliches Gespräch“, kommentiert Caesar den Abgang der Priester.
„Verhandlungen mit der Priesterschaft sind immer freundlich.“
„Man hat gar nicht gemerkt, dass ihr verhandelt habt.“
„Dafür war es auch zu subtil.“ Ich lächele und gebe ihm dann doch einen Hinweis. „Wenn Pa-ashem mich „Tochter der Isis, für deren Majestät man musiziert“[6] nennt, dann ist das mehr als ein Titel.“
„Inwiefern?“
„Musik, Tanz und Gesang gehört zwar zu den Tempelritualen und jedem ägyptischen Fest dazu. Aber er spielt natürlich auf die Eröffnungsfeierlichkeiten des Tempels an. Als Tochter der Göttin muss ich dafür sorgen, dass der Tempel so schnell wie möglich fertiggestellt wird. Meine Vorfahren waren in dieser Hinsicht nicht immer die schnellsten, am Horus-Tempel von Edfu wurde 180 Jahre lang gebaut. Der Hathor-Tempel von Dendera wird genauso groß und prächtig, doch ich täte gut daran, ihn während meiner Regierungszeit zu vollenden.“
„Do ut des (lat. Ich gebe, damit du gibst)?“, fragt er mit hochgezogener Braue.
„Do ut des!“, bestätige ich ihm. „Die Priesterschaft unterstützt mich und erwartet dafür, dass ich den Tempelbau fördere. Eine Hand wäscht die andere.“
Als nächstes treten Hirtius und Sextus zu uns. Caesar hat den beiden für heute frei gegeben, damit sie feiern können, doch irgendwelche militärischen Details gibt es anscheinend immer zu regeln, denn alle drei fallen sehr schnell ins Lateinische. Ich lasse derweil meinen Blick durch den Raum schweifen. Alle Gäste sind mit Essen und Unterhaltungen beschäftigt. In einer Ecke entdecke ich Potheinos, der gerade eine hitzige Diskussion mit Theodotos führt.
„Und wenn Ihr damit fertig seid, mischt euch unter die Gäste und feiert mit“, verabschiedet Caesar gerade seine beiden Offiziere, als Psenamounis zurückkommt und sich kurz verneigt. „Ich habe auch noch eine Bitte, Majestät.“
„Was kann ich für dich tun, Psenamounis?“ Ich lächele ihn dankbar an, er hat heute wirklich für mich gekämpft. Trotz seiner Vorbehalte gegen Caesar.
Psenamounis wendet sich zu den Speiseklinen und winkt eine zarte junge Frau zu uns heran. Ich brauche einen Moment, doch dann erkenne ich die Musikpriesterin von der Zeremonie wieder. Ich wusste doch, dass sie mir bekannt vorkommt, aber mit den schweren voluminösen Perücken und der starken Augenschminke sehen sich ägyptische Priesterinnen von Weiten einfach extrem ähnlich. Doch jetzt hat sie ihre Perücke abgenommen, so dass ihr eigenes dichtes blauschwarzes Haar sichtbar ist, das sie zu vielen kleinen Zöpfchen geflochten hat, die ihr bis auf die Schultern fallen. Dazu trägt sie einen Blumenkranz mit Lotosblüten und goldene Ohrringe.
„Khered-Anch, wie groß du geworden bist“, begrüße ich die älteste Tochter des Hohepriesters. „Ich wusste gar nicht, dass du in der Hauptstadt bist.“
Die junge Priesterin lächelt scheu. „Majestät, es ist so eine große Ehre hier zu sein. Alexandria ist überwältigend.“
„Wir alt bist du jetzt?“
„Ich bin gerade 17 geworden, Majestät.“
„Und du dienst als Priesterin?“
„Ja, Majestät, Im letzten Jahr bin ich geweiht worden, ich bin jetzt Musik-Priesterin und Sistrumspielerin des Ptah.“ Sie strahlt über das ganze Gesicht. 17 Jahre. So alt war ich bei meiner Krönung vor vier Jahren. Sie war eins der Mädchen, die mir damals bei den Tempelritualen assistiert haben. Als Tochter des Hohepriesters ist sie selbst wie eine kleine Prinzessin aufgewachsen. Aber im Gegensatz zu mir wirkt sie so unschuldig und vertrauensvoll. Sie ist nie mit den Intrigen an einem Königshof in Berührung gekommen. Doch ich befürchte, das wird sich bald ändern.
„Psen-Ptah bittet Euch, seine Tochter unter Eure Hofdamen aufzunehmen, Majestät. Sie soll etwas von der Welt kennenlernen, bevor sie nächstes Jahr heiratet.“
„Ist das dein Wunsch, Khered-Anch?“
„Ja, Majestät.“
„Dann ist es mir eine Freude.“ Und eine große Verantwortung, denn Charmion und ich werden gut auf das Mädchen achtgeben müssen.
„Onkel Julius, ich wollte noch… oh hallo.“ Sextus ist gerade mit einem Weinkelch in der Hand zurückgekommen und unterbricht sich, um Khered-Anch ein charmantes Lächeln zu schenken, die daraufhin tief errötet. Oh bitte nicht!
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[1] Gemeint ist damit der Gau von Edfu (griech.: Apollinopolis Magna, ägypt.: Wts-Hr).
[2] Der 26. Choiak entspricht dem 28. Dezember (47. v. Chr.).
[3] „Die Goldene“ ist eine Bezeichnung der Göttin Hathor.
[4] Der 14. Epiphi im 27. Regierungsjahr von Ptolemaios XII. entspricht dem 16. Juli 54 v. Chr. Das Datum ist in einer hieroglyphischen Bauinschrift im Tempel von Dendera erhalten (Dagmar Budde, Das Götterkind im Tempel, in der Stadt und im Weltgebäude, 2011, S. 37).
[5] Der 22. Mekhir im 1. Regierungsjahr von Kleopatra VII. entspricht dem 22. März 51 v. Chr. Das Datum ist auf einer Stele aus Hermonthis erhalten, auf der Goschjer, der Sohn des Pa-Amon-Paeni und der Ta-Senet die Einsetzung des Buchis Stiers beschreibt, dort heißt es, dass „Die Königin, die Herrin der beiden Länder, die Göttin, die ihren Vater liebt, den Stier in der Barke des Amun nach Hermonthis ruderte“ (Grant, Kleopatra, 1988, S. 72; Kopenhagen Glyphothek Carlsberg AEIN 1681, Otto Koefoed-Petersen, Les Stèles Égyptiennes, 1948, S. 44-5).
[6] Als „Tochter der Isis, für deren Majestät man musiziert“ wird Kleopatra VII. in einer hieroglyphischen Inschrift auf der Rückseite des Hathor-Tempels von Dendera bezeichnet (Dagmar Budde, Das Götterkind im Tempel, in der Stadt und im Weltgebäude, 2011, S. 45). Der große Hathor-Tempel von Dendera wurde während Kleopatras Regierungszeit fast vollendet und im Jahr 29. v. Chr. eingeweiht.