Während die Gäste applaudieren, hat sich Arsinoe von ihrem Platz neben dem König erhoben und ist ein wenig nach vorne getreten. „Habt vielen Dank, verehrter Rhodon“, verabschiedet sie den Redner und wendet sich dann mit selbstzufriedenem Blick an Sextus: „Und nun kommt die Geschichte, auf die wir schon so sehnsüchtig gewartet haben. Wir haben heute die unverhoffte Gelegenheit, einen Vortrag aus dem Munde des Cousins des großen Imperators Gaius Julius Caesar zu vernehmen. Verehrter Tribun, Ihr wolltet doch etwas über unsere geliebte Ahnin Berenike Euergetis berichten! Die Ereignisse des Laodike-Krieges liefern dafür die perfekte Hintergrundgeschichte. Die Überleitung sollte Euch also nicht schwerfallen! Sextus Julius Caesar, wir sind sehr gespannt!“
Caesars Cousin lässt sich nicht beirren. In aller Ruhe sagt er noch etwas zu Diodorus, der wieder seinen Platz auf der Kline neben ihm eingenommen hat. Dann erhebt er sich geschmeidig wie ein Panther und geht lächelnd auf meine Schwester zu, bis er kurz vor den drei Stufen zum Stehen kommt, die zur Plattform mit den königlichen Klinen hinaufführen.
„Aber sehr gerne, Prinzessin. Es ist mir ein Vergnügen. Habt Dank für die Einladung.“
Arsinoe schaut von ihrer leicht erhöhten Position spöttisch auf ihn herab und als Zuschauer hat man den Eindruck, als würden sich zwei Raubkatzen belauern. Trotzdem wären die beiden ein hübsches Paar – wenn so eine Verbindung möglich wäre.
Immer noch lächelnd, wendet Sextus sich an die Runde: „Imperator, Majestäten, liebe Gäste. Im Grunde stehe ich hier wegen einer verlorenen Wette, aber es ist für mich eine Freude, an diesem Symposion teilzunehmen und etwas zur Unterhaltung beitragen zu können.“
Dem Lachen nach zu urteilen, fühlen sich die römischen Offiziere bereits jetzt gut unterhalten. Sextus sieht sich kurz um und winkt dann die schöne Musikerin, mit der er sich anfangs unterhalten hat, zu sich heran. „Außerdem möchte ich mich bei Diotima bedanken, denn sie hat sich erboten, mich bei meinem Gedicht auf der Lyra zu begleiten“, erklärt er beiläufig und wechselt noch einen amüsierten Blick mit Caesar, bevor er selbstbewusst fortfährt: „Mein Vorredner hat ja bereits die Ereignisse des Laodike-Krieges und das tragische Ende der mutigen Berenike Syra geschildert. Ich möchte nun auf eine andere bemerkenswerte Königin namens Berenike zu sprechen kommen. Nämlich auf ihre Schwägerin, die ägyptische Königin Berenike Euergetis.“
Sextus macht eine rhetorische Pause und fährt dann fort: „Berenike Euergetis war väterlicherseits mit dem Haus der Ptolemäer und mütterlicherseits mit den Seleukiden verwandt.“ Wieder hält er kurz inne, um einen Blick auf seine Papyrusrolle zu werfen. Vermutlich hat er dort einige Stammbäume notiert, denn aus dem Kopf kann er die komplizierten ptolemäischen Familienverhältnisse bestimmt nicht fließend wiedergeben.
„Ihr Vater Magas von Kyrene war ein Halbbruder des Königs Ptolemaios Philadelphos. Ihre Mutter Apame war eine Seleukidenprinzessin und die Tochter der betörenden Stratonike. Schon als Mädchen galt Berenike als kämpferisch, mutig und willensstark. Außerdem liebte sie den Pferdesport. Sie siegte beim Wagenrennen in Olympia und bei anderen panhellenischen Wettbewerben, wie der Dichter Poseidippos in seinen Epigrammen begeistert berichtet.“
Sextus gibt der Lyraspielerin ein Zeichen, bevor er beginnt, das Gedicht vorzutragen und sie unterstreicht die Hebungen in jeder Zeile mit dem Klang ihres Instruments.
„Berenike, jungfräuliche Königin mit dem Wagen,
erringt alle Kränze bei dir, Zeus von Nemea.
Durch die Schnelligkeit ihrer Pferde
hat ihr Wagen, als er an die Wende kam,
die vielen anderen Wagenlenker überholt
und gleich dem Blitz liefen ihre Pferde unter dem Zügel
und erreichten als erste die Schiedsrichter der Argolis.“[5]
Wieder macht Sextus eine Pause, um Arsinoe ein breites Lächeln zu schenken. Die hat jedoch inzwischen wieder ihren Platz neben dem König eingenommen und mustert ihn nur gleichmütig von oben herab. Mit seiner geübten Rednerstimme fährt Sextus fort:
„Magas von Kyrene hatte seine Tochter vor seinem Tod mit dem ägyptischen Thronfolger Ptolemaios Euergetes verlobt. Doch Berenikes Mutter war gegen diese Heirat und hatte eine andere Partie im Sinn. Die Rede ist von dem makedonischen Prinzen Demetrios dem Schönen. Nun, ob er wirklich so schön war, kann ich nicht beurteilen. Der Mutter gefiel er jedenfalls – offenbar mehr als der Tochter. Prinzessin Berenike wollte verständlicherweise lieber Königin von Ägypten werden und beharrte auf ihrer Verlobung mit dem ptolemäischen Kronprinzen. Sie sammelte die führenden Männer Kyrenes um sich und setzte sich schließlich an die Spitze eines bewaffneten Aufstandes gegen Demetrios. Der schöne Makedone wurde dabei getötet, pikanterweise im Schlafzimmer seiner künftigen Schwiegermutter Apame. Was er da getan hat? Wir wissen es nicht.“
Sextus macht eine kleine Pause und grinst vielsagend, was wieder für einige Lacher aus den Reihen der Römer sorgt, während Arsinoes Blick sich verfinstert. Und diesmal kann ich sie verstehen, denn Sextus‘ Anspielung auf die Affäre zwischen Demetrios und Apame war tatsächlich taktlos. In Rom mag das ja lustig sein, aber nicht hier in Alexandria. Apame ist schließlich unsere Vorfahrin! Möglicherweise ist sich Sextus seines Missgriffs nicht einmal bewusst, denn er erzählt unbekümmert weiter:
„Kurze Zeit später erbte Ptolemaios Euergetes den Thron von Ägypten und heiratete die junge Berenike. Die Braut war bei ihrer Hochzeit 21 Jahre alt, der König dagegen ein erfahrener Mann in den besten Jahren. Es war eine jener glücklichen Verbindungen, von denen manchmal die Geschichtsbücher berichten. Ja, die Liebe der beiden war offenbar so groß, dass sie sogar den Kalender und die Sternbilder des Himmels veränderte.“
Wieder unterbricht Sextus seine Erzählung und wirft Caesar und mir einen schmunzelnden Blick zu. Etwas versöhnter lausche ich weiter seinen Worten.
„Doch leider musste das junge Paar sich direkt nach der Hochzeit wieder trennen. Denn genau zu diesem Zeitpunkt brach der Laodike-Krieg in Syrien aus und der Pharao zog mit seinem Heer nach Antiochia, während er der jungen Königin den Schutz der heimatlichen Grenzen anvertraute. Berenike war sehr betrübt darüber und flehte die Götter an, ihren Gemahl zu beschützen – und das taten sie. Als er gesund zu ihr zurückkehrte, opferte Berenike eine Locke ihres Haares im Tempel der vergöttlichten Arsinoe Philadelphos. Doch die Locke war am nächsten Tag verschwunden und zeitgleich entdeckte der Astronom Konon ein neues Sternbild am Himmel. Von dieser Geschichte handelt das berühmte Gedicht des Kallimachos, das von Catull ins Lateinische übertragen wurde. Ich werde hier natürlich die griechische Variante vortragen, habe mir jedoch die Freiheit genommen, die Verse nach dem Beispiel Catulls etwas zu variieren. In dem Gedicht spricht übrigens die an den Sternenhimmel versetzte Locke der Berenike. Das Sternbild ist dort alles andere als glücklich, denn es verzehrt sich vor Sehnsucht nach der Königin. Hört nun also, was die Locke der Berenike von ihrem erhabenen Aussichtspunkt am Sternenhimmel berichtet!“
Mit einem Nicken schaut Sextus zu der Musikerin, die erneut ihre Finger auf dem Instrument in Stellung bringt, um die Strophen des Gedichtes auf der Lyra zu begleiten. Mit volltönender, aber auch leicht amüsierter Stimme beginnt Sextus zu deklamieren:
„Er, der sie alle erforschte, die Lichter des ewigen Weltalls,
der die Auf- und Untergänge der Sterne kennt,
der erklären kann, wie sich der feurigen Sonne flammender Glanz verfinstert,
wie sich Gestirne in festgelegten Bahnen entfernen.
Und wie sich Selene verstohlen zum Latmischen Felsen herabsenkt.
Wenn sie der Liebe Begehr lockt aus der himmlischen Bahn:
Dieser berühmte Konon entdeckte mit kundigem Sinne
mich, eine Haarflechte von Berenikes Scheitel, die sie vielen Göttinnen darbrachte,
einstens der Königin Zier, glänzend am Himmelsgezelt.
Indem sie betend die schimmernden Arme ausstreckte,
als der König, frisch mit ihr vermählt,
gegen Assyrien zog, es zu bezwingen im Kampf.
Er, der noch die süßen Spuren des nächtlichen Ringens an sich trug,
bei dem er die Jungfrau entwaffnete.
Ist denn der Liebe Genuss den jungen Bräuten ein Gräuel?
Sind nicht die Tränen nur Trug, welche im Ehegemach
netzen der Jungfrau Blick, zu narren die gläubigen Eltern?
Ja, bei den Göttern! Lüge ist all ihr Gestöhn!“
Sextus verfügt wie Caesar über poetisches Feingefühl, besitzt aber auch dessen Frechheit, denn seine Betonung der erotischen Andeutungen wird von Zeile zu Zeile zweideutiger. Um seinen Mund spielt ein sinnliches Lächeln, während sein spöttisch-provozierender Blick immer wieder zu Arsinoe wandert.
„Dies hat die Königin einst mich gelehrt, die voll Schmerz sich beklagte,
Als sich in Krieg und Schlachten wagte ihr frischvermählter Gemahl.
Trauertest du in deiner Verlassenheit etwa nicht über das leere Ehebett?
Nimmer wars Trennungsschmerz, weil dich der Bruder verließ!
Oh, wie verzehrte dich, Todtraurige,
der Kummer bis ins innerste Mark.
Wie schwanden dir, da du dich aus ganzer Seele sorgtest, die Sinne,
wie verließ dich das Bewusstsein!
Und doch hatte ich dich in deinen frühen Mädchenjahren
als tapferes Kind gekannt.
Hast du etwa die edle Tat vergessen, durch die du die Hand des Königs errangst?
Eine Tat, wie sie ein Beherzterer nicht wagen würde!
Doch damals, als du beim Abschied von deinem Mann traurig warst,
was für Worte sprachst du da, beim Jupiter!
Wie oft riebst du dir die Augen mit der Hand?
Welch mächtiger Gott hat dich so verwandelt?
Oder liegt es daran,
dass Liebende die körperliche Nähe des Geliebten nicht entbehren wollen?
Du gelobtest mich für deinen geliebten Gemahl allen Gottheiten, samt einem Stieropfer, wenn er heimkehre.
Er hatte in kurzer Zeit dem ägyptischen Gebiet das eroberte Asien hinzugefügt.
Zum Dank für diese Erfolge werde ich der Schar der Himmlischen dargebracht
Und löse das alte Gelübde durch eine neue Gabe ein.
Wider meinen Willen, Königin, wich ich von deinem Scheitel,
wider meinen Willen! Ich schwörs bei dir und deinem Haupt!“
Sextus macht eine kleine Pause, und sein Ton spiegelt nun die Erhabenheit des Themas, als er damit fortfährt die Verwandlung der Haarsträhne in ein Sternbild zu beschreiben.
„…die von mir getrennten Schwesterhaare beweinten soeben noch mein Los,
als sich des Äthiopen Memnon beschwingter Bruder, mit flatternden Flügeln, die Lüfte schlagend, einstellte,
Arsinoes locorisches Flügelross, dieses trägt mich empor, fliegt durch ätherische Schatten davon und setzt mich auf der Venus heiligen Schoß…“
Bei der Erwähnung unserer vergöttlichten Vorfahrin Arsinoe Philadelphos, die in diesem Gedicht offenbar sogar über geflügelte Pferde gebietet, wandert Sextus‘ Blick wieder zu meiner Schwester.
„…dort setzte die Göttin Venus mich,
die ich noch tränenfeucht zum Götterhimmel entschwand,
als neues Sternbild mitten unter die alten.
Denn ich bin den Lichtern der Jungfrau und dem wilden Löwen benachbart,
stehe neben der Lycaontochter Callisto (der großen Bärin),
und wenn ich mich zum Untergang wende, dann ziehe ich dem trägen Bootes voran,
der nur mit Mühe und spät in den tiefen Ozean taucht
Ich freue mich über all diese Ehren nicht so sehr, wie ich darunter leide,
dass ich nun auf immer dem Scheitel meiner Herrin fernbleiben muss…“
Und als Sextus nun die Klagen der Locke wiedergibt, in denen sie ihre Trennung von der Königin beweint, schafft er es, seine Worte wirklich traurig klingen zu lassen. In seinem abschließenden Apell klingt fast so etwas wie Sehnsucht mit:
„Du aber Königin, wenn du zu den Sternen aufblickend die Göttin Venus an festlichen Tagen mit Opfern versöhnst, laß mich, da ich dein eigen bin, nicht dein Salböl entbehren, beschenke mich vielmehr mit reichen Gaben.
Möge der Sternenhimmel einstürzen! Ich möchte wieder Königshaar werden! Soll doch Orion neben dem Zeichen des Wassermanns strahlen!“ [6]
Mit der letzten Strophe verstummt auch der Klang der Lyra. Sextus ist tatsächlich ein guter Redner, aber scheint sich auch in anderer Hinsicht an Caesar ein Beispiel nehmen zu wollen. Er hat meine Schwester nicht aus den Augen gelassen, die mit den anderen applaudiert und dann mit fließenden Bewegungen auf ihn zukommt. Diesmal führt sie ihren Geparden an der Leine mit sich. Ihr Ausdruck ist kühl wie Marmor, als sie am oberen Absatz der Stufen stehenbleibt, um erneut auf Sextus herabschauen zu können.
„Sehr schön vorgetragen und auch mit der nötigen Dramatik. Das hätte ich Euch gar nicht zugetraut, Tribun. Ich weiß zu schätzen, dass Ihr Euch bemüht habt, die Motive meiner Vorfahrin zu verstehen.“
Sextus lächelt ironisch angesichts des fragwürdigen Kompliments „Habt Dank, Prinzessin. Ehrlich gesagt, fand ich die Motive des Gedichts sogar recht anregend und nachvollziehbar.“
„Und zu welchen Schlüssen seid Ihr gekommen?“, fragt sie betont gleichgültig.
„Lasst es mich so zusammenfassen“, antwortet er in charmantem Ton. „Die Haarsträhne obwohl sie als ewiges Sternbild am Himmel erstrahlt, wäre lieber zurück am Scheitel der Königin. Und genauso sehnt sich die Frau nach ihrem Geliebten. Ihrem Mann, der sie kurz nach der Hochzeitsnacht hier in Ägypten zurückließ, wo sie als Königin verehrt wurde. Aber eine Frau will nicht auf einen Sockel gestellt und angebetet werden, sie sehnt sich nach einer ganz anderen Art von Verehrung. Denn genauso, wie die Jungfrau sich ziert, kann doch die Frau nicht genug von der Liebe bekommen, sobald sie einmal davon gekostet hat.“
In diesem Moment erhebt Parasitos seinen Becher: „Auf den jungen Sextus, den Neffen des großen Julius Caesar, und alle anderen, die unnachahmlich sind in der Liebeskunst.“
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er das nun ernst oder ironisch meint, aber vielleicht weiß er es selbst nicht, so betrunken, wie seine Stimme inzwischen klingt. Bei den Gästen führt der Trinkspruch jedenfalls zu allgemeinen Heiterkeitsausbrüchen und nicht nur bei den Römern gibt es erhobene Pokale und Stimmen, die in den Trinkspruch mit einfallen und ihn fantasievoll ergänzen. Ich wechsele mit Caesar einen ironischen Blick. Ihm scheint die Anspielung zu gefallen.
Arsinoe ist darüber jedoch alles andere als erheitert, das kann ich an ihrem bewusst spöttischen Ton deutlich hören, den sie Sextus gegenüber anschlägt:
„Eine interessante Schlussfolgerung, die Ihr da zieht, Tribun. Aber habt Ihr nicht vorhin ein paar entscheidende Zeilen ausgelassen?“
„Wie schon gesagt, ich habe den Text etwas variiert. Bestimmte Passagen wollte ich dem zarten Gemüt einer Jungfrau dann doch nicht zumuten.“ Wieder grinst er ironisch, doch meine Schwester lässt sich davon natürlich nicht im mindesten beirren. Und offensichtlich kennt sie das Gedicht auswendig.
„Ach, Ihr meint die Verse:
Ihr aber, wenn euch am ersehnten Tag die Hochzeitsfackel vermählt hat,
schenkt euren treuen Gatten euren Leib,
entblößt mit zurückgeworfenem Gewand die Brüste?
Ich muss Euch enttäuschen, Tribun. Damit bringt Ihr vielleicht das zarte Gemüt einer Römerin durcheinander, aber nicht das einer makedonischen Prinzessin. Viel interessanter sind jedoch die folgenden Ermahnungen:
Diejenige aber, die sich unreinem Ehebruch hingibt,
deren ach!, so fluchbringende Gaben
trinke der leichte Staub und lasse sie versickern!“[7]
Unwillkürlich halte ich die Luft an. Arsinoe wird ihre privaten Vorwürfe gegen mich doch nicht etwa hier in der Öffentlichkeit wiederholen? Aber ihre Augen sind auf Sextus gerichtet, der – den Göttern sei Dank – eine diplomatische Antwort zu geben weiß.
„Ich sehe das nicht so streng wie der Dichter, Prinzessin. Wie viele romantische Liebesgeschichten wären nie zustande gekommen, hätten die Götter und Helden sich daran gehalten! Denkt nur an Ares und Aphrodite oder Helena und Paris!“
„Aber auch der trojanische Krieg wäre dann nie ausgebrochen!“, hält sie dagegen.
„Mit all seinen Epen und Helden! Doch ich muss Euch korrigieren, Prinzessin. Menschen finden immer einen Grund für Kriege. Das ist unsere Natur. So wie es die Natur der Männer ist, um die Frauen zu kämpfen und sie zu umwerben.“
„So manchem wurde das schon zum Verhängnis. Schaut auf den Grund, auf dem Ihr steht!“ Kalt lächelnd deutet sie auf das große Bodenmosaik unter Sextus‘ Füßen. „Aktaion hielt sich für einen vortrefflichen Jäger. Er wagte es, der Göttin der Jagd nachzustellen und sie beim Bad zu beobachten. Artemis bestrafte ihn und verwandelte ihn in einen Hirsch. Er wurde von seinen eigenen Hunden zerissen – oder waren es Wölfe? – ach, ich verwechsele das immer!“ Mit einem süffisanten Lächeln hat sie begonnen, ihren Geparden zu streicheln, der sich schnurrend an sie schmiegt.
„Ich glaube, Ihr verwechselt so manches, Prinzessin!“, erwidert Sextus – und jede Ironie ist aus seiner Stimme gewichen. „Aber ich bin mir sicher, auch Ihr werdet Euren Weg finden und Euren Platz erkennen. Spätestens, wenn ihn Euch jemand zeigt.“
„Ach, Ihr meint Euren Onkel, unseren verehrten Patron? Er befiehlt und Ihr folgt. Ich freue mich, dass Ihr Euren Platz kennt, Tribun! Aber im Gegensatz zu Euch brauche ich niemanden, der mir meinen Platz zeigt. Ich kenne ihn bereits!“
Mit einem hoheitsvollen Lächeln beendet Arsinoe das Gespräch, dreht sich auf dem Absatz um und kommt zusammen mit ihrem Gepard direkt auf uns zu. Vor Caesars und meiner Kline bleibt sie stehen. Unser Patron hat nur eine Augenbraue gehoben und betrachtet sie schweigend. Ohne ein Wort nimmt sie einfach auf Caesars anderer Seite Platz, während Mithras sich schnurrend vor der Kline auf den Boden legt und sie ihn abwesend streichelt.
„Ich habe nachgedacht“, meint sie schließlich.
„Dann hoffe ich, dass du uns an deinen Gedanken teilhaben lässt, Arsinoe“, antwortet Caesar gelassen. „Kleopatra und ich sind sehr gespannt!“
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[5] Epigramm des Hofdichters Poseidippos von Pella über den Sieg der ägyptischen Königin Berenike II. im Wagenrennen bei den panhellenischen Spielen von Nemea. Zitiert nach Michael Pfrommer, Königinnen vom Nil, S. 45-48.
[6] Frei nach den Übersetzungen von: Valerius Catullus‘ sämtliche Dichtungen in deutscher Übertragung von Dr. Mauriz Schuster, Wien, 1906, S.106-107; Catull, Sämtliche Gedichte, Übersetzung von Michael Albrecht, Stuttgart 1995, S. 119-125.
[7] Catull, Sämtliche Gedichte, Übersetzung von Michael Albrecht, Stuttgart 1995, S. 125.