„Caesar konnte es nicht ertragen, den Kopf des Pompeius anzusehen, als man ihn ihm brachte, sondern ordnete an, ihn zu bestatten, und ließ für ihn ein Stück Erde in der Nähe der Stadt herrichten, das der Nemesis geweiht war."
Appian, Bürgerkriege, 2,90[1]
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Die Nacht ist bereits über Alexandria hereingebrochen, als die von Fackeln begleiteten dunklen Gespanne des Begräbniszuges den erleuchteten Platz in der Nähe der alten Nekropole erreichen. Dieser Ort am Rande des Friedhofs der Götter hat etwas Gespenstisches. Schemen scheinen sich am dunklen Himmel über uns zu bewegen, schneller, als dass ein menschliches Auge ihnen folgen könnte. Sind es Fledermäuse, die nächtlichen Boten der Göttin Sachmet, oder doch die Schatten lauernder Geister? Eine leichte Brise weht vom Meer herüber, ansonsten hört man nur das gelegentliche Wiehern der Pferde und die Geräusche der Wagenräder. Caesar hat heute Abend auf Schauspieler und maskentragende Mimen verzichtet und der Trauerfeier des Pompeius dadurch einen streng militärischen Charakter verliehen. Darüber hinaus hat er fast sein gesamtes Heer aufmarschieren lassen und rund um den Platz mit dem Scheiterhaufen versammelt.
Meine Brüder und ich haben indessen mit unserem Gefolge unsere Plätze auf der gemauerten Tribüne eingenommen und schauen auf das dunkle Meer der schweigenden Legionäre herab, deren Rüstungen im Fackelschein blitzen. Ganz vorne, im Halbkreis um den Scheiterhaufen haben die Centurionen mit ihrem schräg auf den Helmen befestigten Federbüschen sowie die Standarten- und Adlerträger mit den geheiligten Feldzeichen der Legionen Aufstellung genommen. Sie erinnern in ihrer ehrfurchtsvollen Starre mehr an Statuen, denn an Krieger aus Fleisch und Blut.
„Man könnte meinen, sie seien zu Stein erstarrt“, flüstert Charmion neben mir.
„Vielleicht sind sie das auch unter Arsinoes Blick“, antworte ich, um die Stimmung etwas zu lockern und schaue pointiert zu meiner jüngeren Schwester, die soeben mit ihrem Gefolge eingetroffen ist und ihr Gespann neben den Pferden der makedonischen Palastwachen zum Stehen gebracht hat.
„Oder unter den Blicken von Gorgo und Medusa“, flüstert Charmion zurück. Tatsächlich scheinen auch Arsinoes Stuten mit den Schrecken verheißenden Namen die unheimliche Atmosphäre zu spüren, denn sie scharren unruhig mit den Hufen und werfen die Köpfe hin und her. Arsinoe scheint das indessen nicht zu stören, denn sie verharrt seelenruhig in ihrer erhöhten Position, den Blick auf den aufgetürmten Holzstapel gerichtet.
„Sind Caesars Soldaten jetzt eher erleichtert oder wütend über den Tod von Pompeius?“, fragt Maios neben mir. Mein kleiner Bruder betrachtet die versammelten Legionäre ebenfalls aufmerksam.
Eine gute Frage und keine, die sich so leicht beantworten ließe. „Sie sind stolz auf ihren Sieg über einen so mächtigen Feind. Aber sie ehren ihn auch für das, was er in der Vergangenheit geleistet hat“, versuche ich das ambivalente Verhalten der Römer zu erklären. „Und außerdem sind sie verärgert über die Art und Weise, wie er gestorben ist.“ Hinterrücks und heimtückisch ermordet auf Befehl des ägyptischen Königs – hätten die Römer einen ägyptischen Monarchen auf diese Art ermordet, wäre man in Ägypten auch nicht gerade erfreut darüber.
„Ist Caesar immer noch aufgebracht deshalb?“, fragt Maios weiter.
„Er war es zumindest bei seiner Ankunft.“
Ich werfe einen Blick zu Ptolemaios, der unser Gespräch offensichtlich mitgehört hat. Seine Gesichtsfarbe wirkt merkwürdig fahl im Schein der Fackeln. Ist ihm schlecht? Beginnt er zu begreifen, was für ein diplomatisches Desaster er mit diesem Mordbefehl anrichtet hat? Und wirklich, als ich ihn anspreche, erscheint für einen Moment wieder dieser gehetzte Ausdruck in seinen Augen.
„Was ist?“, entgegnet er allerdings nur unwirsch.
Ich deute unauffällig in Richtung unserer Schwester, die noch immer stoisch auf ihrem Streitwagen verharrt. „Jemand sollte Arsinoe begreiflich machen, dass ihr Platz hier oben bei uns auf der Tribüne ist, Ptolemaios.“
„Dann sags ihr doch!“, kommt von ihm allerdings nur die wenig hilfreiche Antwort.
Innerlich seufzend sehe ich mich nach Apollodorus um, der in einiger Entfernung neben Psenamounis steht und bedeute ihm, die Prinzessin zu uns auf die Tribüne zu bitten. Doch Sextus ist schneller, denn mit einem grimmigen Lächeln nährt er sich bereits dem Streitwagen meiner Schwester. Selbst seine Stimmung wirkt heute Abend ernst, auch wenn seine nächsten Worte das Gegenteil vermuten lassen: „Prinzessin, Ihr seid so strahlend, wie die Mondgöttin persönlich. Wollt Ihr uns nicht mit Eurem Licht auf unserer bescheidenen Tribüne erleuchten?“
Über Sextus Kopf hinweg wechselt Arsinoe einen Blick mit ihrem Vertrauten Ganymedes, der nach den Zügeln ihrer Pferde greift und die Stuten beruhigt. „Bedenkt das Schicksal von Semele, als Zeus sich ihr in seinem Licht zeigte“, erwidert sie an Sextus gewandt und springt dann elegant vom Wagen, seine dargebotene Hand ignorierend. Mit der ihr eigenen Gewandtheit hat sie in Windeseile die Stufen der Tribüne erklommen, so schnell, dass ihre Hofdamen ihr kaum folgen können – was für Sextus allerdings kein Problem darstellt.
„Gestern hast du mir mit Aktaion gedroht und heute mit Semele, vielleicht sollte ich mir auch mal einen passenden Vergleich für dich überlegen, Prinzessin“, höre ich seine leise aber leidenschaftliche Erwiderung, als sie ihren Platz neben mir einnimmt. „Du gehst tatsächlich davon aus, dass du die Jägerin bist und nicht die Gejagte, nicht wahr?“
An Arsinoes Stelle wäre ich nun vorsichtig, aber meine Schwester reckt das Kinn nur noch etwas höher und erwidert seinen eindringlichen Blick betont gelangweilt. „Du denkst tatsächlich, du könntest mich jagen? Dazu müsstest du mich aber erstmal einholen und ich bin nicht so dumm wie Atalanta, die sich mit goldenen Äpfeln oder ähnlichem Tand abspeisen ließe. Du hast mir nichts zu bieten, Tribun. Sieh es endlich ein!“
„Ich muss euch leider unterbrechen!“, erklingt auf einmal eine wohlvertraute Stimme neben mir. Wieder einmal hat er es geschafft, sich mir unbemerkt zu nähern. Ich blicke auf und sehe Caesar in seine sturmumwölkten dunklen Augen. Es ist das erste Mal seit Stunden, dass wir uns so nahe sind. Er schmunzelt und für einen winzigen Moment sehe ich das vertraute Lächeln in seinen Augen. „Meine Königin.“
„Imperator.“ Unter halb gesenkten Lidern erwidere ich sein Lächeln.
Mehr sagen wir nicht, denn wie so oft ist er von seinen Offizieren umgeben und für private Unterhaltungen bleibt keine Zeit. „Ptolemaios“, begrüßt er auch meinen Bruder, der Caesars Blick heute keine drei Sekunden standhält, bevor er betreten den Kopf senkt. Für Arsinoe und Maios hat Caesar indessen nur ein Nicken übrig, bevor er sich an Sextus wendet. „Wir müssen mit der Zeremonie beginnen. Es ist soweit.“ Und damit macht er sich bereits schon wieder auf den Weg. Sextus folgt ihm, wobei er Arsinoe noch ein geflüstertes: „Wir reden später, Prinzessin“, zuraunt.
„Für wen hält er sich eigentlich?“, flüstert Arsinoe erbost.
„Nun, wenn er dich als Mondgöttin bezeichnet, wahrscheinlich für Endymion!“, erwidere ich leise. „Und jetzt gib Ruhe. Es ist schlimm genug, dass du zu spät gekommen bist.“
„Wieso denn? Die Zeremonie hat doch noch gar nicht angefangen!“, meint sie trotzig und deutet mit einem Nicken auf Caesar, der Sextus offensichtlich gerade Anweisungen für seine Rede erteilt, während beide sich zu dem Podest im Zentrum des Platzes begeben, das man rund um den Scheiterhaufen errichtet hat.
„Jetzt sei endlich still!“, zische ich meiner Schwester zu, denn in diesem Moment hebt Caesar die Hand und die Militärmusiker erzeugen mit ihren Tuben und Hörnern einen dunklen dröhnenden Ton.[2]
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[1] https://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Appian/Civil_Wars/2*.html#88
[2] Bei der römischen Tuba handelte es sich um eine Naturtrompete mit einem etwa 1.2 m langen graden Rohr. Das aus Bronze gefertigte Horn (cornu) war kreisförmig gebogen und musste mit beiden Händen getragen werden. Tuba- (tubicines) und Hornbläser (cornicen) waren Teil des römischen Heeres und hatten wichtige Funktionen bei der akustischen Befehlsübermittlung inne. Sie zählten dementsprechend zu den immunes – den gehobenen Mannschaftsdienstgraden, die von schweren körperlichen Arbeiten befreit waren. https://de.wikipedia.org/wiki/Cornicen
Atalanta
Als amazonenhafte Jägerin und schnellste Läuferin Griechenlands nahm Atalanta am Zug der Argonauten und an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil. Als ihr Vater Iasos sie verheiraten wollte, stellte sie die Bedingung, dass ihr zukünftiger Ehemann sie im Wettlauf besiegen müsse. Dem verliebten Melanion gelang das nur mit Hilfe Aphrodites, die ihm 3 goldene Äpfel übergab, um Atalanta damit abzulenken. Melanion ließ die Äpfel während des Wettlaufs fallen und Atalanta verlor das Rennen, weil sie sich bückte, um sie aufzuheben.
Endymion
Endymion war der schöne Geliebte der Mondgöttin Selene, den sie auf dem Berg Latmos in Karien in einen ewigen Schlaf versetzte, um ihm vor dem Altern und Sterben zu bewahren. Jede Nacht besuchte sie die Höhle, in der er ruhte und zeugte dabei mit ihm insgesamt 50 Töchter.