05.10.48 v. Chr. nach dem vorjulianischen Kalender
(01.08.48 v. Chr. nach dem julianischen Kalender)
„He [Caesar] build a temple to Venus Genetrix, as he had vowed before the battle of Pharsalus. (…) He set up a beautiful statue of Cleopatra next to the statue of the goddess; it still stands there today.“
(Der Geschichtsschreiber Appian im frühen 2. Jahrhundert n. Chr., Appian, Civil War 2, 102)
……………………………………………………………………………………………………………………
„Hm…lass mich schlafen, ich will noch nicht aufstehen“, murmele ich, als Caesar sich hinter mir bewegt und meinen Hals küsst.
Er lacht leise. „Glaub mir, am liebsten würde ich den ganzen Tag mit dir im Bett verbringen. Aber dummerweise stehen heute solche Kleinigkeiten wie die Testamentsverlesung und das Versöhnungsfest an.“
„Wenigstens noch ein paar Minuten“, murmele ich und schmiege mich an ihn. Sanft streichelt er meine Haare und ich genieße diese leichte Berührung und schließe die Augen. Gesten war ein langer Tag, der Zusammenprall mit meiner Familie, dann die Audienz im Thronsaal und schließlich das Planungstreffen mit Caesars Offizieren. Wir hatten bis in die Nacht Briefe geschrieben, Pläne geschmiedet und uns unterhalten. Wirklich viel Schlaf hatte Caesar mir danach auch nicht gegönnt. Die Bilder der Nacht ziehen wieder an mir vorbei. Die verschiedenen Stellungen, in denen er mich geliebt hat. Die geflüsterten Worte. Ein Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln und Ich räkele mich entspannt, drehe mich so, dass mein Gesicht an seinem Hals liegt und atme seinen Duft ein. Ein süßes und schweres Gefühl durchzieht meine Glieder und kribbelt in meinem Bauch. Wenn ich mich nur ein bisschen strecke, fühle ich noch immer das angenehme Ziehen zwischen meinen Beinen. Gedankenverloren fahre ich mit der Hand über meinen Bauch, um diesem Gefühl in mir nachzuspüren. Am liebsten würde ich auch den ganzen Tag mit ihm im Bett verbringen. Aber da ist auch eine Frage, die während des Tages immer wieder am Rande meines Bewusstseins aufgetaucht ist. Eine wichtige Frage.
„Was geht in dir vor, Kleopatra?“ Seine Hand legt sich über meine und streichelt über meinen flachen Bauch.
„Caesar, darf ich dir eine Frage stellen?“
„Natürlich.“
„Warum hältst du es für so unwahrscheinlich, dass ich von dir schwanger werde?“
Caesar zögert einen Moment, bevor er antwortet: „Weil ich mit meiner Frau Calpurnia in den letzten zehn Jahren vergeblich versucht habe, einen Erben zu zeugen.“ Die Tatsache, dass er seine römische Ehefrau erwähnt, während er mit mir in so inniger Umarmung im Bett liegt, stört mich irgendwie. Aber ich schiebe diesen Gedanken beiseite.
„Vielleicht ist sie ja unfruchtbar. Geben die meisten Männer nicht ohnehin den Frauen die Schuld daran?“ Ich drehe den Kopf und sehe ihn an.
Er lächelt sarkastisch. „Erstens bin ich nicht ,die meisten Männer‘, und zweites konnte mir auch meine vorherige Gemahlin Pompeia keinen Erben schenken.“ Die Erwähnung seiner geschiedenen Frau stört mich seltsamerweise nicht, denn das war ja lange vor meiner Zeit.
„War das der Grund, warum du dich von ihr hast scheiden lassen?“
Caesar spielt gedankenverloren mit einer meiner Haarsträhnen und antwortet nach einer Pause: „Pompeia hat mich öffentlich brüskiert, Kleopatra. Sie hat sich beim Fest der Göttin Bona Dea heimlich mit ihrem Liebhaber Clodius Pulcher getroffen, oder Möchtegern-Liebhaber, wenn man den beiden denn glauben will. Wie auch immer, das Treffen selbst war ein Sakrileg, denn Clodius hat sich damals in Frauengewändern verkleidet auf das Fest geschlichen. Einem heiligen Fest, zu dem nur Frauen zugelassen waren, wohlgemerkt! Selbst ich musste mein eigenes Haus dafür räumen. Doch ich war nicht nur der gehörnte Ehemann, sondern auch noch der Pontifex Maximus, der oberste Priester Roms. Diesen Skandal konnte ich ihr schlecht durchgehen lassen. Und ja, die Tatsache, dass sie mir in sechs Jahren Ehe kein Kind schenken konnte und dass wir uns auch ansonsten nicht sonderlich verstanden, mag dazu beigetragen haben.“
„Warum habt ihr euch nicht verstanden?“
„Weißt du wie erotisch es ist, mit einer Frau zu schlafen, die ergeben daliegt und meint ihre ehelichen Pflichten erfüllen zu müssen?“
„Nicht besonders?“
Er lacht. „In der Tat. Und auch sonst hatten wir nicht viel gemeinsam. Du dagegen hast in der ersten Nacht schon mehr verstanden, als die gute Pompeia während unserer gesamten Ehe.“
„Was habe ich denn verstanden?“, neugierig sehe ich ihn an und er zieht eine Augenbraue hoch.
„Hm…lass mich überlegen. Abgesehen davon, dass du eine schöne, kluge und gebildete junge Frau bist, die über Charme und Geist verfügt,...“, er macht eine Kunstpause und seine Augen blitzen übermütig, „hast du auch noch andere angenehme Eigenschaften. Du bist sehr sinnlich und reagierst auf meine leichtesten Berührungen. Du verstehst, was ich von dir will, und zwar intuitiv. Du gibst dich mir hin, aber nicht, weil du es für deine Pflicht hältst oder mir damit gefallen willst, sondern weil es dir selbst Spaß macht. Und du traust dich, mit mir zu spielen. So wie gestern, als du dich so verführerisch vor mir ausgezogen hast, wie Phryne vor dem Areopag.
„Ich dachte, ich kann dich nicht verführen?“ Ich lächele ihn herausfordernd an.
„Das kannst du auch nicht, aber ein bezaubernder Anblick war es trotzdem. Ich sollte eine Statue von dir in Auftrag geben.“ Ein Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln. „Als Göttin Venus.“
„Und wo willst du so eine nackte Statue deiner Geliebten aufstellen? In deinen Familientempel?“
„Warum nicht?!“ Sein Grinsen wird breiter.
Ich schüttele belustigt den Kopf, komme dann aber auf das eigentliche Thema zurück: „Aber deine erste Frau hat dir doch eine Tochter geboren.“
„Ja, Cornelia hat mir Julia geschenkt und ist dann mit 25 Jahren bei einer Fehlgeburt gestorben. Aber das ist lange her. Und seitdem hatte ich nicht wirklich Glück mit meinen Ehefrauen.“
Und dann war auch noch Caesars Tochter Julia im Kindbett gestorben und ihr Kind mit ihr.
„Das tut mir leid.“
„Danke, aber es ist lange her. Um deine Frage zu beantworten: Ich vermute, es liegt an mir.“
„Aber hat denn keine deiner anderen Frauen…“
„Meine skandalumwitterten Affären?“, zieht er mich auf.
Ich nicke verlegen. „Ja.“
„Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Aber damals bei meinen außerehelichen Bekanntschaften haben entweder die Damen oder ich versucht, genau das zu vermeiden“, räumt er ein.
Der letzte Satz weckt meine Neugier. Vor seinem Krieg in Gallien war Caesar in Rom berüchtigt gewesen, seine Liebesbeziehung zu Catos Schwester Servilia hatte damals im Senat für einige Skandale gesorgt, die selbst bis zu uns nach Alexandria gedrungen waren.
„Was meinst du damit, wenn du sagst, du hast versucht, es zu vermeiden?“
Caesar hebt eine Augenbraue und lächelt mich durchtrieben an. „Ein Mann mit genug Selbstdisziplin kann seinen Samen zurückhalten, Kleopatra.“
„Aber ist das nicht…ähm…unbefriedigend?“
„Ah, es gibt da andere Möglichkeiten, die für Männer durchaus befriedigend sein können, ich glaube allerdings nicht, dass dir das gefallen würde. Obwohl...“ Sein sinnlicher Blick liegt auf meinem Mund, während sein Daumen über meine Unterlippe streicht. Ich öffne die Lippen einen Spalt und sein Zeigefinger gleitet ein Stück hinein. Intuitiv fahre ich mit meiner Zunge darüber und fange an, leicht zu saugen.
Seine Augen blitzen dunkler als Obsidiane. „Ich denke, ich werde dir noch so Einiges beibringen…bei Gelegenheit. Und jetzt lass uns aufstehen, sonst kommen wir heute wirklich nicht aus dem Bett!“
~*~
Die nächste Stunde verbringe ich mit Charmion im Bad und Ankleidezimmer. Heute sind drei der Hofdamen dabei und helfen mir bei der Kleiderauswahl. Charmion hat die Mädchen inzwischen in Phylen eingeteilt, sodass sie sich mit ihrem Dienst abwechseln. Nur bei großen Festen, wie heute Abend, werden alle anwesend sein.
Nach einer rituellen Reinigung vollziehe ich das morgendliche Ritual vor dem kleinen Schrein, bevor ich ihn öffne und das Diadem mit den Uräusschlangen herausnehme. Charmion befestigt es anschließend auf meinen elegant im Nacken hochgesteckten Haaren. Während die Hofdamen die Kleidung für das Bankett heute abend vorbereiten, lege ich einen Chiton aus blauer Seide mit goldenen Bordüren an. Charmion hilft mir mit den Verschlüssen und informiert mich nebenbei darüber, dass Apollodorus meine Botschaften an die Priester überbracht hat und Psenamounis um eine Privataudienz ersucht hat.
„Hat er gesagt, worum es geht?“, frage ich nach.
„Das wollte er nicht sagen, aber er hat ein bisschen rumgedruckst, dass die Priesterschaft eine theologische Deutung für den kulturellen Austausch zwischen römischen und ägyptischen Gottheiten ausarbeiten sollte.“
Ich ahne, was sich dahinter verbirgt: „Wenn noch Zeit dafür ist, sonst werde ich es auf morgen verschieben.“
„In Ordnung, und Rufio hat mir aufgetragen, dir auszurichten, dass für dich ein Büro im ersten Stock eingerichtet wurde. Die Schreiber warten auf deine Anweisungen.“
„Danke, Charmion. Hat Apollodorus die Getreidehändler kontaktiert?“
„Ja und die Bestellungen sind bereits ausgeliefert worden. Die Rechnung ging an den Palast.“
„Gut, dann lass uns gehen. Ich will meinem Bruder vor der Testamentseröffnung einen Besuch abstatten.“ Die Idee ist mir während des Badens gekommen. „Zumindest wenn Caesar mir dafür spontan ein paar Wachen zur Verfügung stellen kann.“
~*~
Als ich fertig angekleidet den Besprechungssaal betrete, sehe ich Caesar zusammen mit Hirtius und Sextus an einem der Tische diskutieren.
Bei meinem Anblick erheben sich alle und Caesar kommt auf mich zu und begrüßt mich mit einem höflichen Nicken. „Basilissa Kleopatra.“
„Ave Caesar, Imperator“
Vor seinen Offizieren wahrt er die Form, doch die Distanz zwischen uns stört mich auf einmal. Ich trete auf ihn zu, stelle mich auf die Zehenspitzen und hauche ihm einen leichten Kuss auf die Wange. Caesar sieht mich überrascht an.
„Begrüßt man sich nicht so in Rom?“, frage ich.
„Ja, aber so grüßen die Frauen nur ihre nächsten Verwandten.“
„Bist du nicht als Testamentsvollstrecker Roms, der Vormund von Ptolemaios und mir?“
Er hebt eine Braue und schenkt mir einen amüsierten Blick. „Der böse Onkel?“
Ich lächele und flüstere. „Manchmal auch das!“
Caesar räuspert sich und Hirtius und Sextus fällt plötzlich ein, dass sie sich ja noch mit Tiberius Claudius wegen der Logistik absprechen wollten und verlassen den Raum.
Ich kichere, aber Caesar greift mir in den Nacken und küsst mich verlangend.
Nach einigen Minuten bin ich es, die sich atemlos aus unserer Umarmung löst. Ich grinse und schaue zu ihm auf. „Caesar, kannst du mir eine Eskorte geben? Ich möchte meinen Bruder besuchen, um ein klärendes Gespräch mit ihm zu führen.“
„Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“
„Wir sollen uns doch heute abend versöhnen und ich glaube, ich kann ihn überzeugen.“
Caesar mustert mich prüfend. „Auf das Gespräch bin ich gespannt. Aber nun gut.“
Er ruft nach Rufio und gibt ihm dann die entsprechenden Befehle, eine Eskorte zusammenzustellen. Der Offizier geht voraus und ich bin im Begriff, ihm zu folgen, als Caesars Hand auf meinem Po landet. Ich keuche überrascht auf, doch Caesar wirft mir nur einen amüsierten Blick zu und flüstert: „Beeil dich und komm bald wieder!“
~*~
Zusammen mit Charmion sitze ich in einer Sänfte, die von acht Sklaven getragen wird. Rufio begleitet uns und leitet eine Wache aus 40 Legionären. Wir durchqueren die blühenden Gärten zwischen den Palästen. Palmen und Sykomoren spenden Schatten. Zwei Katzen dösen auf einer Grünfläche neben einem Lotosteich und springen irritiert auf, als die stampfenden Schritte der Soldaten sich nähern. 40 Mann als Leibwache sind vielleicht etwas übertrieben, aber Caesar hat darauf bestanden, wenn ich den römischen Bereich verlasse. Nach außen hin wirkt alles ruhig, aber er traut dem idyllischen Frieden der Lochias-Halbinsel nicht und ich auch nicht, wenn ich ehrlich bin.
Die Stunde ist so gewählt, dass Ptolemaios sich in seinen Privatgemächern befinden sollte, und dort treffe ich den König auch an. Ptolemaios spielt gerade mit einem kleinen schwarzen Hund, den er Stöckchen apportieren lässt. Als die Wachen mich ankündigen, schaut er überrascht auf, winkt mich dann aber herein. Die Wachen bleiben am Eingang zurück, während Charmion mich begleitet und sich dann in eine Ecke des prunkvollen Gemachs zurückzieht, um uns die nötige Privatsphäre für das Gespräch zu geben.
Ich mustere meinen Bruder. Die pausbäckigen Wangen und den trotzigen Zug um den Mund hat er noch immer. Aber er ist deutlich gewachsen und dadurch viel schlanker, als noch vor einem Jahr. Vielleicht hat er auch einfach aufgehört, ständig Süßigkeiten in sich hineinzustopfen. Tatsächlich ist er inzwischen so groß wie ich und manche seiner Gesten lassen schon den jungen Mann erkennen. Doch in seiner mürrischen Miene spiegelt sich immer noch das verzogene Kind wider. Wäre das nicht der Fall, könnte man sein Gesicht mit den dunklen dichten Locken und den großen braunen Augen sogar als hübsch bezeichnen.
Ptolemaios wirft noch einmal das Stöckchen und lässt es sich zurückbringen, bevor er sich dazu herablässt, mich anzusehen und das Gespräch zu beginnen. „Da kommt ja meine heißbegehrte Schwester. Bist du hier, um mich um Vergebung zu bitten und doch noch deinen ehelichen Pflichten nachzukommen?“
Allein bei dem Gedanken wird mir fast übel. Jetzt wo ich weiß, wie lodernd und leidenschaftlich die sexuelle Vereinigung sein kann, bekomme ich auch eine Ahnung, wie das mit Ptolemaios abgelaufen wäre. Ich verdränge den Gedanken an seine tölpelhaften Hände schnell aus meinem Geist. Dieser Junge hat doch überhaupt keine Ahnung, wozu ein Mann eine Frau im Bett bringen kann. Es wäre ihm vermutlich auch völlig egal, da er egoistisch nur an sich denken würde, denn er ist ja der König, wie er immer so gerne betont. Ich schaue ihn an und gebe mir selber ein Versprechen. Auch wenn Caesar Ägypten wieder verlässt, mit Ptolemaios werde ich niemals das Bett teilen, soviel bin ich mir selbst wert!
„Träum weiter! Ich bin hier um mit dir über wichtige Dinge zu reden!“
„Du bist noch immer meine Frau, was sollte wichtiger sein?“
„Zum Beispiel unser kleiner Bürgerkrieg, der Ägypten zerstört, wenn wir es nicht schaffen, Frieden zu schließen?“, frage ich sarkastisch.
„Du bist schuld daran. Hättest du deine Pflichten mir gegenüber erfüllt, wie eine gehorsame und demütige Gemahlin, wäre es nie so weit gekommen!“
„Ich bin nun mal älter und klüger als du, ich kanns nicht ändern.“
„Und ich bin dein Mann!“
Ich schnaube belustigt. „Hast du denn überhaupt schon einmal bei einer Frau gelegen, Ptolemaios?“
„Natürlich, ich bin der König, ich habe zahlreiche Dienerinnen, die mir Tag und Nacht zu Diensten sind!“ Ich höre die leere Angeberei in seinen Worten, er war noch nie ein guter Lügner.
„Das glaubst du doch selbst nicht, Ptolemaios! Also raus mit der Wahrheit!“
Bei meiner energischen Frage schüttelt er beschämt den Kopf. Das Schöne an Ptolemaios ist, dass er immer kleinbeigibt, sobald ich resolut werde. Das hat sich nicht geändert. Für seine Berater gilt das leider nicht.
„Potheinos sagt, dass du der Krone Schande bereitet hast, indem du für Caesar…“
„Ja, was denn, Ptolemaios? Sprich es aus!“
„Du hast mich betrogen! Ich sollte dich ins Exil schicken wie Vater unsere Tante Tryphaena, oder hinrichten lassen wie Berenike!“
„Versuchs doch! Hat dir die Aktion mit dem Diadem noch nicht gereicht? Ein König, der sein heiliges Diadem auf den Boden schmeißt, das ist ein Sakrileg! Ist dir nicht bewusst, dass du es dir damit mit der Priesterschaft verscherzt hast? Aber so richtig! Meinst du, sie würden so einen König noch unterstützen? Potheinos kann dir nicht helfen. Was glaubst du, wie weit du kämst, bis Caesars Soldaten dich diesmal aus dem Thronsaal zerren?“
„Du niederträchtige, intrigante Schlange!“
„Nein, Ptolemaios, das hast du dir alles selber eingebrockt!“
„Ich habe immer das getan, was meine Ratgeber von mir verlangt haben! So etwas tut ein guter König!“ Das kommt dabei heraus, wenn man seine Kinder von einem intriganten Eunuchen erziehen lässt.
„Ein guter König lässt sich nicht von seinen Beratern manipulieren und instrumentalisieren!“
„Und du lässt dich von deinen Ratgebern nicht manipulieren – oder von Caesar?“
„Nein. Oder ich versuche es zumindest. Ptolemaios, nicht ich habe dich aus Alexandria vertrieben und den Krieg erklärt. Das warst du ganz allein!“
„Aber du hast mich von der Regierung ausgeschlossen. Du hast alle Entscheidungen allein gefällt, ohne mich zu fragen!“
„Du warst ein 10-jähriges Kind, Ptolemaios!“
„Aber ich war der König!“
„Und ich musste Entscheidungen treffen, die über die Zukunft unseres Landes entschieden. Und ich war 17! Erinnerst du dich noch an den Mord an den Söhnen des Bibulus?“
„Potheinos sagt, du hast die ägyptische Armee verraten! Eine Patriotin hätte den Gabiniani das Ehrengold verliehen, statt sie an diesen Bibulus auszuliefern. Sie wollen mit Rom nichts mehr zu tun haben, sondern gehören jetzt zum königlichen Heer!“
„Dein Potheinos ist hier die intrigante Schlange, die dich immer und immer wieder gegen mich aufgehetzt hat! Was hätte ich denn tun sollen? Bibulus hatte den hier stationierten Schutztruppen befohlen nach Syrien zu marschieren, um ihn im Kampf gegen die Parther zu unterstützen. Dass sie dazu keine Lust hatten, kann ich nachvollziehen. Aber sie haben seine beiden Söhne ermordet, Ptolemaios! Sollte ich dem Vater, der ja auch noch zufällig der Statthalter von Syrien war, eine Entschuldigung schreiben nach dem Motto: ,Ach tut mir leid, unser Heer hat deine Söhne umgebracht, aber da kann ich leider auch nichts machen?' Hätte ich ihm die Mörder nicht ausgeliefert, was glaubst du wie lange es gedauert hätte, bis wir römische Truppen vor unserer Grenze gehabt hätten? Außerdem vergiss nicht, dass genau dieser Marcus Calpurnius Bibulus es war, der sich für Vaters Unterstützung im Senat eingesetzt hat! Mit den wenigen römischen Politikern, die gegen eine Annektierung Ägyptens waren, sollte man es sich nicht auch noch verderben! Ägypten ist ein Klientelstaat, formal sind wir unabhängig, aber nur solange wie wir kooperieren!“
„Und um noch besser zu kooperieren, musstest du mit Caesar ins Bett gehen?“
„Nein. Aber ganz ehrlich, das würdest du nie verstehen! Aber zumindest müssen wir uns dank meiner Beziehung zu Caesar endlich keine Sorgen mehr machen, Rom würde Ägypten annektieren. Etwas Besseres hätte Ägypten nicht passieren können. Du solltest mir dankbar sein, statt dich so aufzuregen!“
„Ach ja!? Und wenn er mit dir einen Bastard zeugt, soll ich dann auch noch dankbar sein und das Kind anerkennen?“
„Soweit wird es vermutlich nicht kommen!“
„Und warum nicht?“
„Das geht dich nichts an!“
Ptolemaios schnaubt und reibt sich die Schläfen, bevor er in etwas ruhigerem Ton fortfährt: „Auch wenn das Ganze folgenlos bleibt, hast du schon mal versucht, das Ganze aus meiner Perspektive zu sehen, Kleopatra? Ich verliere doch das Gesicht, wenn öffentlich bekannt wird, dass meine Frau mich mit einem römischen Feldherrn betrügt!“
„Ja und dank deiner Aktion mit dem Diadem wissen es jetzt alle! Ohne das hätten wir es diskret handhaben können.“
Ptolemaios runzelt unwillig die Stirn. Es wirkt fast, als ob er tatsächlich versucht, über meine Worte nachzudenken. Erstaunlich.
„Hör zu, Ptolemaios. Wenn du dich nicht öffentlich darüber brüskierst, werden die Leute es bald akzeptieren. Für Ägypten bringt es nur Vorteile, wenn Caesar mich – uns – protegiert. Und die Priesterschaft steht hinter mir! Du bist letztendlich noch ein 14-jähriger Knabe, man wird dich deshalb nicht verurteilen. Und wenn, dann kannst du immer argumentieren, dass du Ägyptens Wohl über dein eigenes gestellt hast. So etwas tut ein guter König!“
„Und was ist, wenn ich älter werde, Kleopatra? Wird dieses Argument dann immer noch gelten?“
Da hatte er leider nicht unrecht. Soweit hatte ich noch nicht gedacht, aber dafür würde ich mir zu einem anderen Zeitpunkt eine Strategie überlegen müssen.
„Wer kann schon sagen, was in einigen Jahren ist, Ptolemaios? Und ganz im Ernst, willst du mich wirklich zur Frau haben? Reicht es nicht, dass wir Geschwister sind? Wir können beide regieren und uns arrangieren. So wie unsere Vorfahren Ptolemaios Philadelphos und seine vergöttlichte Schwestergemahlin[1]. Die beiden waren auch nur pro forma verheiratet. Du weißt, dass ich die bessere Regentin bin und du hast doch ohnehin wenig Lust auf die ganzen Zeremonien und den Papyruskram. Wir könnten uns die königlichen Pflichten teilen und hätten beide etwas davon! Und du kannst dir irgendwann eine Nebenfrau nehmen, um einen Thronfolger zu zeugen. Ich würde das akzeptieren. Solange ich die Regentschaft ausübe, bin ich zufrieden und du weißt, dass ich darin gut bin.“
Ptolemaios nickt zögernd und unsicher. „Vielleicht hast du Recht, Kleopatra.“
Ich lächele ihn ermutigend an und als in diesem Moment sein kleiner Hund, der sich während unseres Streites verkrochen hatte, angelaufen kommt und ihn schwanzwedelnd anstupst, sehe ich mit Erstaunen, wie der mürrische Ausdruck für einen Augenblick vom Gesicht meines Bruders verschwindet.
~*~
„Und wird dein Bruder kooperieren?“ Caesars Stimme klingt geschäftsmäßig. Der leidenschaftliche Liebhaber von heute morgen ist verschwunden und hat wieder dem kalten und emotionslosen Politiker Platz gemacht. Wie schade.
„Wenn Potheinos oder Theodotos ihn in der Zwischenzeit nicht wieder aufhetzen. Ja.“
Er blickt kurz auf und sieht mir in die Augen. „Gut gemacht.“
.....................................................................................................................................
[1] Ptolemaios II. (308-246 v. Chr.) war der erste ptolemäische König, der seine Schwester Arsinoe II. (316-270 v. Chr.) offiziell heiratete. Beide hatten keine gemeinsamen Kinder, aber die Königin adoptierte den Thronfolger und Sohn ihres Bruders.