Im Wald:
Amy zitterte. Es war bereits kalt, der Winter rückte immer näher. Sie hätte sich dafür verfluchen können, dass sie nur eine dünner Sommerjacke übergezogen hatte. Aber sie hatte nur an Luca gedacht. Was, wenn ihm etwas zustieß? Oder bereits zugestoßen war? Er ging nicht an sein Handy und reagierte auch nicht auf den Sender, den sie beide von Samstag bekommen hatten. Auf der Sportuhr, die Amy erhalten hatte, zeigten sich jedoch rote Punkte auf dem Ziffernblatt und überdeckten die digitale Uhrzeit. Wenn sie sich bewegte, rückten auch die Punkte näher oder weiter weg. Ein GPS-System.
Zwei dieser Punkte waren die beiden Polizisten gewesen. Amy war froh, dass sie ihnen entkommen war. Sie glaubte nicht, dass Rot etwas Gutes bedeutete.
Sie hoffte, dass Karo und Max klug genug gewesen waren, um die Gefahr zu erkennen. Sie hätte nachsehen können, aber sie fürchtete sich viel zu sehr. Sie war nicht sicher. Sie fühlte sich beobachtet.
Es war nicht vorbei. Der ganze Schrecken, die Monster, nichts davon. Alleine im Wald weinte Amy. Sie wollte nicht, dass es wieder begann. Gerade hatte sie begonnen, die schrecklichen Tode ihrer Freunde zu überwinden.
Jetzt rissen die Wunden neu auf.
Amy fuhr zusammen, als sie Schritte hörte. Wie ein verängstigtes Tier kroch sie tiefer in das Gebüsch und starrte dann auf die Uhr an ihrem Handgelenk.
Drei Punkte näherten sich, diesmal blau. Sie hatte furchtbare Angst. Sie wollte, dass das alles vorbei war, ein für alle Mal. Ihre Hände zitterten. Ihre Beine fühlten sich zu schwach an, um einen einzigen Schritt zu gehen.
„Bist du sicher?“, fragte eine Stimme, die wage vertraut erschien.
„Hierher kommt das Signal“, sagte eine andere Stimme. Zwei Männer. „Sie ist hier. Oder … nur ihr Sender.“
Die erste Stimme erklang wieder, diesmal laut: „Amy!“
Sie fuhr zusammen und schluchzte dann vor Erleichterung auf: „Luca!“
Als sie aus dem Gebüsch kroch, erkannte sie Luca und Samstag. Der größere Junge mit der unordentlichen Frisur umarmte sie. Der junge Mann lächelte verlegen. Mira stand schweigend hinter ihm, lautlos auf ihren hochhackigen Schuhen. Sie wirkte abwesend und beobachtete den Wald.
„Wie habt ihr mich gefunden?“, fragte Amy. Samstag tippte auf den Sender.
„Oh“, sagte Amy. „Dann bedeutet Blau Freunde?“
„Nicht immer“, sagte Samstag sofort. „Aber Sender, die dein eigener Sender kennt, sind blau. Wir haben bereits ein paar Nachrichten gewechselt und die Sender aufeinander kalibriert. Das heißt auch, die blauen Sender können den Standort deines eigenen Senders erkennen.“
„Du hast die roten Punkte schon kennengelernt, was?“, grinste Luca bitter und Amy nickte.
„Was geht hier vor?“
„Samira ist zurück“, sagte Samstag düster, „und wie es aussieht, will sie Rache. Sie hat ihre wilde Jagd geschickt.“
Amy riss die Augen weit auf: „Ich dachte, sie könnte uns nicht folgen!“
„Nicht direkt“, sagte Samstag. „Sie hat ein eigenes Tor geöffnet. Und sie ist mächtig genug, um auch in dieser Welt Übernatürliches zu wirken.“
Amy schluckte. Das waren furchtbare Neuigkeiten! „Sucht sie uns?“
„Ja“, antwortete diesmal Mira. „Sie sucht uns alle. Sie will uns töten. Deswegen müssen wir ihr zuvor kommen.“
„Wir sollen jemanden töten?“, quiekte Amy entsetzt.
„Nicht jemanden. Etwas“, korrigierte Samstag sie. „Vergiss das niemals.“
„Und wie?“, fragte Amy mit schwacher Stimme.
„Ich habe einen Plan“, verkündete Samstag. „Und er wird euch nicht gefallen!“