Wolkenbruch:
Es regnete, als sei die Sintflut hereingebrochen. Für Samstag, Luca, Amy und Mira war das der denkbar ungeeignetste Zeitpunkt. Nachdem sie nur knapp dem Keller von Hotel Blair entkommen waren, hatte die Show ihre Sicherheitsvorschriften verschärft. Es war unmöglich gewesen, ungesehen in den Bus der Mitarbeiter zu klettern. Also hatten sie die beiden eleganten, schwarzen Kutschen abgefangen, die die Gäste transportieren sollten. Nun lagen sie jeweils zu zweit flach auf dem erhöhten Dach, während von oben eisiger Regen auf sie prasselte. Die Kutschen bockten und schaukelten bei jedem Schlagloch und warfen sie beinahe ab.
Luca, der neben Sam lag, wirkte unglücklich. Inzwischen liefen ihnen die Nasen, und der nasse Ausflug würde sicherlich noch ein Nachspiel haben.
„Was weißt du über das nächste Hotel?“, fragte Sam, um seinen Novizen abzulenken.
Luca schniefte und entgegnete dann leise – immerhin sollte weder der schwarz gekleidete Kutscher noch die sieben Gäste unter ihnen etwas mitbekommen – woran er sich erinnerte.
„Amy hat erzählt, dass sich hier mal ganz viele Autoren getroffen haben, um Horrorromane zu schreiben.“
„Amy weiß verflucht viel“, meinte Samstag. „Ja, vor uns liegt die Geburtsstätte von Dracula. Und Frankenstein.“
Luca verzog das Gesicht. „Also erwarten uns Vampire und Monster?“
„Vermutlich nur eines von beidem. Frankensteins Monster war nämlich total harmlos“, erklärte Samstag. Während ihrer Ausbildung lernten Wächter solche Sachen. Es vergingen Jahre, in denen sie nur Bücher lesen und Filme sehen mussten – und nachher Tests dazu bestehen, die es wirklich in sich hatten. Wenn er an diese Zeit zurück dachte, beneidete er Luca beinahe um diese abgespeckte Form der Ausbildung – obwohl der Junge vermutlich alles nachholen dürfte, wenn sie lebend aus dieser Sache heraus kamen. Denn jede Wissenslücke konnte später vielleicht den Tod bedeuten.
„Weißt du, wie man die Vampire in Bram Stokers Roman tötet?“, fragte er Luca.
Der dachte nach. „Ähm, Knoblauch?“
„Nein, das stößt sie nur ab“, seufzte Sam. „Du musst ihnen, am besten, wenn sie schlafen, einen Pflock durch das Herz jagen und den Kopf abschlagen.“
„Das mit dem Schlafen kann ich nur unterstützen“, sagte Luca und verzog das Gesicht. „Aber Pfählen und Köpfen?“
„Es sind keine Menschen“, erklärte Samstag ruhig. „Und das wird man ihnen auch ansehen.“