Ein Fehler:
Luca spähte vorsichtig um die Ecke. Sein ganzer Körper war bis zur Unerträglichkeit angespannt. Beim kleinsten Anzeichen für Gefahr würde er fliehen.
„Und?“, fragte Samstag in gedämpftem Tonfall.
Luca scannte den düsteren Gang, der vor ihm lag. Es war beinahe absolut dunkel, nur ein paar offensichtlich künstliche Fackeln brannten an den Wänden. Im Dämmerlicht konnte er die Ecken und Winkel nicht so gut einsehen.
„Ich sehe keine Kameras“, berichtete er und trat vorsichtig auf den Gang hinaus. Samstag folgte ihm und ließ genau wie Luca den Blick durch den Gang huschen.
„Japp, alles sicher.“
„Wenn du das so schnell feststellen kannst, wieso fragst du mich dann überhaupt?“, fragte Luca bissig.
Samstag klopfte ihm auf den Rücken: „Du bist jetzt Novize in Ausbildung. Du musst das lernen.“
„Seit wann das denn?“, fragte Luca.
Samstag zuckte mit den Schultern: „Seit ich beschlossen habe, dir im Kampf gegen Samira zu helfen.“
„Und wenn ich nicht ausgebildet werden will?“, fragte Luca.
„Du hast nur eine Wahl: Kämpfen lernen oder sterben“, sagte Samstag ruhig. „Und von jetzt an bin ich dein Meister, also wirst du mir nicht widersprechen!“
Luca schwieg. Nein, er wollte nicht sterben. Trotzdem fiel es ihm schwer, den schlampig angezogenen Samstag als Meister anzuerkennen.
Die Uhr an seinem Handgelenk vibrierte. Es war Samstag, der seinen eigenen Sender zückte.
„Mira. Sie fragt, wo wir bleiben.“ Samstag verzog das Gesicht und ging jetzt mit schnellen Schritten den Gang entlang. Luca folgte ihm, und wenig später bogen sie um eine Ecke und trafen auf Mira und Amy, die vor einer großen Doppeltür warteten.
„Ihr hattet also keine Probleme?“, fragte Samstag zerknirscht und reichte beiden Mädchen je einen zerknitterten Fünf-Euro-Schein. Sie hatten darum gewettet, wer schneller wäre.
Mira nahm den Lohn grinsend entgegen, Amy brauchte eine Sekunde, um zu reagieren. Sie war auf die Schrift über der Tür konzentriert gewesen. Auch Luca las die blutroten Buchstaben, die unheilvoll glühten.
„Lasst alle Hoffnung, die ihr mich durchschreitet.“
Er erschrak davor, wie laut seine Stimme in dem leeren Korridor nachhallte. Alle vier sahen sich um.
„Im Moment werden sie die Lesung abhalten“, meinte Samstag, der einen bekritzelten Zettel hochhielt, auf dem Amy bei der Tour ihr Programm festgehalten hatte. „Vielleicht sind ein paar Leute da und füllen das Buffet auf, aber wir sollten -“
Er brach ab, weil Mira die Tür geöffnet hatte und in den Saal spähte.
„Grad niemand da!“
„Verdammt!“, zischte Samstag. Luca und Amy folgten den beiden in den bekannten Saal. Das Buffet war bereits zur Hälfte gefüllt und auch der vermeintliche Tote thronte in der Mitte des Raumes. Ein paar Türen an der Seite standen offen, aber von den Bediensteten war keiner zu sehen.
Samstag, Mira, Amy und Luca huschten zu den Tischen und unter die Tischdecke. Samstag hielt einmal inne und musterte den Raum, um zu sehen, ob es Kameras gab.
Dann drängten sie sich unter dem Buffet zusammen.
„Mira“, sagte Samstag: „Realitäts-Check!“
Vor Lucas verwirrten Augen tippte die junge Frau auf den Sender. Sie war gerade erst vorübergehend zur Meisterin ernannt worden, um Amy auszubilden. Dazu gehörte dann offenbar ein neuer Sender, der mehr Funktionen hatte.
„Wir sind in Realitas“, gab sie flüsternd bekannt.
„Gut“, sagte Samstag. „Irgendwann werden wir ein Tor durchschreiten. Dann sagst du uns Bescheid.“
„Leise!“, zischte Amy, denn jetzt erklangen Schritte. In ihrem Versteck hielten die vier den Atem an, als die Bediensteten zurück kamen.